Geld ist Macht (Money Talks)
18.04.2013 | Lars Schall
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Lars Schall: Warum wird der Machtfaktor zum größten Teil in der Ökonomie völlig ignoriert? Norbert Häring: Die Mächtigen müssen ihre Macht legitimieren. Wenn sie es nicht können, ist die nächstbeste Möglichkeit, sie unsichtbar werden zu lassen. Das ist es, was die Ökonomen für sie tun. Sie geben vor, dass die Arbeitnehmer immer eine nächstbeste Alternative zu ihrem aktuellen Job haben, der fast so gut sei. Folglich hat der Arbeitgeber keine Macht. Sie geben vor, dass nahezu perfekter Wettbewerb die Norm sei. Folglich gibt es keine Markt-Macht der Unternehmen. Sie geben vor, dass Geld nicht wichtig sei. Sie vergleichen es mit einem Schleier über dem, was in der Realwirtschaft los ist. Folglich haben die Institute, die Geld machen und den Fluss des Geldes kontrollieren, keine Macht.
Lars Schall: Es fällt auf, dass Sie keine Probleme haben, sich in der Öffentlichkeit als “Verschwörungstheoretiker“ zu bezeichnen. Ist es mithin unumgänglich, ein "Verschwörungstheoretiker" zu sein, wenn es um die Analyse von Macht in der Welt geht?
Norbert Häring: Ich muss zugeben, dass ich mit dem Begriff flirte, weil er einer von diesen Tabus ist, die benutzt werden, um Kritiker zum Verstummen zu bringen. Tatsache ist aber, dass es in meinem Buch “Markt und Macht“ keine Verschwörungstheorien gibt. Die Bilderberg-Gruppe wird nicht einmal erwähnt. Es geht um Anreize für Ökonomen, um mit den Interessen der Eliten konform zu gehen. ES braucht keine aktiven Verschwörungen, damit sie ihre Wirkung im Laufe der Zeit entfalten.
Lars Schall: An der Spitze der Hierarchie der Macht in der Welt steht die Finanzbranche mit einem souveränen Vorsprung. Warum ist das der Fall? Oder, um es anders auszudrücken, was ist die historische Quelle der Macht, die die Finanziers genießen?
Norbert Häring: Geld ist Macht, lautet das Sprichwort. Geld ist entscheidend fürs Überleben und oftmals knapp. Wenn Sie in Geldnot sind, können diejenigen, die es kontrollieren, Ihnen Auflagen machen, bevor sie Ihnen etwas verleihen. So haben große Finanziers und Bankiers bereits im Mittelalter wichtige Privilegien von der Monarchie erhalten. Eine Regierung, die nicht genug Geld hat, verliert ihre Kriege. So wurden Bankiers wie Rothschild, de Medici und Fugger zu Hauptakteuren in der Politik. Beginnend mit Alexander Hamilton und wahrscheinlich nicht endend mit Hank Paulson und Jack Lew, war es eine Routineangelegenheit in den USA, dass Wall-Street-Banker das Amt des Finanzministers bekamen. Es ist überhaupt kein Wunder unter diesen Bedingungen, dass im Laufe der Zeit ein Finanzsystem entwickelt wurde, das den Bankern sehr gut passt und ihnen große Macht gibt.
Lars Schall: Sie haben vor kurzem eine wissenschaftliche Arbeit veröffentlicht, “The veil of deception over money: how central bankers and textbooks distort the nature of banking and central banking.” (zu Deutsch in etwa: "Der Schleier der Täuschung über dem Geld: Wie Zentralbanken und Lehrbücher die Natur des Banken- und Zentralbankengeschäfts verzerren"). Letztlich argumentieren Sie darin, dass einige klar spezifizierte Interessen am Werke sind, die die Absicht hegen, dass so wenige Menschen wie möglich unser Finanzsystem zu verstehen. Warum? Vielleicht, weil es am Ende eine besondere Art von Schneeballsystem ist?
Norbert Häring: Ja, man könnte es ein Schneeballsystem nennen. Banken geben den Menschen und Unternehmen, die von ihnen Kredit nehmen, neues Buchgeld, das jeder benutzt, um Rechnungen und Steuern zu zahlen, als ob es so gut wie Bargeld wäre. Das zusätzliche Geld befeuert die Wirtschaft und erhöht die Nachfrage nach Krediten. Geld wird immer schneller geschöpft. Sobald man aber, genau wie in einem Schneeballsystem, nicht mehr genug Kreditnehmer zur weiteren Erhöhung der Geschwindigkeit findet, mit der Geld und Schulden geschöpft werden, bricht das System Zusammen, und wir haben eine Krise. Dann lernt jeder, dass Bankeinlagen doch nicht so gut wie Bargeld sind, da Banken nur einen Bruchteil dieser Einlagen gegen Bargeld zu tauschen vermögen. Man denke bloß an Zypern.
Lars Schall: Bitte erläutern Sie, wie das Geld tatsächlich in unserem modernen Geld-System erstellt wird, beginnend mit den Zentralbanken.
Norbert Häring: Es beginnt nicht mit den Zentralbanken. Das ist nur das, was man uns glauben macht. Wir sollen glauben, dass Zentralbanken den Prozess beginnen und steuern. Es hat Systeme ganz ohne eine Zentralbank gegeben. Es beginnt damit, dass mir eine Bank € 100.000 als Hypothek gibt, damit ich mir ein Haus kaufen kann. Der Bankangestellte tätigt ein paar Tastenanschläge, erstellt ein Konto für mich und legt eine Einlage in Höhe von € 100.000 hinein. Dies ist neues Geld. Die Zentralbank kommt erst später ins Spiel, um sicherzustellen, dass die Einlagen, die von den einzelnen Banken geschaffen wurden, gleichmäßig durch das System verteilt werden. Die Zentralbank fordert des Weiteren eine so genannte Mindestreserve in Form von Bargeld oder Einlagen bei der Zentralbank. Die Banken müssen sich diese Reserven bei der Zentralbank leihen. Aber die Zentralbank wird die Darlehen, die das Bankensystem benötigt, stets zur Verfügung stellen. Ansonsten würde das eine Liquiditätskrise verursachen.
Lars Schall: Und was ist falsch daran?
Norbert Häring: Es gibt eine Reihe von Dingen, die daran falsch sind. Der Staatgibt ein wertvolles Privileg an die Banken ab, indem er die Einlagen, die sie erschaffen, effektiv zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklärt. Sie können Ihre Steuern mit Geld bezahlen, das die Banken geschaffen haben. Von jedem wird gefordert, diese Einlagen zur Zahlung zu akzeptieren. Die Banken machen eine Menge Geld mit der Geldschöpfung aus dem Nichts. Dies ist ein Gewinn, von dem ich denke, dass der Staat ihn bekommen sollte. Die Steuern könnten viel niedriger sein, wenn der Staat dieses sehr wertvolle Privileg nicht kostenlos abgegeben hätte. Und, was vielleicht noch schlimmer ist, die Geschäftsbanken haben eine Tendenz, Schulden-Blasen aufzublähen, die später platzen und Finanzkrisen verursachen.