Geld ist Macht (Money Talks)
18.04.2013 | Lars Schall
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Lars Schall: Mit welcher Art von Widerstand gegen grundlegende Reformen und neue Richtungen ist zu rechnen, der von interessierter Seite kommt? Norbert Häring: Das Recht, das gesetzliche Zahlungsmittel aus dem Nichts zu schöpfen, ist fast so gut wie die Fähigkeit, Gold aus Sand zu machen. Die Banker werden mit allen Mitteln darum kämpfen, dieses Privileg zu bewahren. Sie werden weiterhin versuchen, diejenigen, die für eine grundlegende Reform streiten, als verrückte Spinner darzustellen, die Geld und Ökonomie nicht verstehen.
Lars Schall: Januar diesen Jahres hat die Deutsche Bundesbank bekannt gegeben, dass sie einen Teil ihrer Goldbestände bei der NY Fed und all ihre Goldbestände von der Banque de France repatriieren will. Halten Sie es für ein wenig seltsam, dass es anscheinend sieben Jahre dauert, um etwa 300 Tonnen Gold aus New York City nach Frankfurt zu bringen bzw. 5 Jahre um rund 370 Tonnen von Paris nach Frankfurt zu bringen? Darüber hinaus wird die Bundesbank eine riesige Menge ihres/unseeres Goldes in New York City und London lassen, um im Falle einer Währungskrise "die Fähigkeit zum Austausch von Gold für Devisen [...] innerhalb kurzer Zeit zu haben." Überzeugt Sie dieses Argument?
Norbert Häring: Die Besonderheiten des Plans zur teilweisen Rückführung von Gold scheinen entwickelt worden zu sein, um die öffentliche Diskussion über Goldlagerstätten zunichte zu machen. Für viele Jahre wird die Bundesbank in der Lage sein, diese Forderungen mit den Worten zu beantworten:
Wir arbeiten bereits daran. Und das wird als Kommunikationsstrategie gut funktionieren. Aber die Wahrheit ist, dass es keinen guten Grund gibt, den nationalen Goldschatz im Ausland zu lagern. Das Problem und die Art und Weise, in der sich die Bundesbank während dieser Diskussionen in widersprüchlichen Aussagen und Begründungen verheddert hat, legt den Verdacht nahe, dass es entweder ein Problem mit dem Gold gibt oder dass Deutschland nicht ein solch souveräner Staat ist, wie wir denken. Ich weiß nicht, welche Erkärung die richtige ist.
Lars Schall: Lassen Sie uns für eine Sekunde spekulieren. Mit welchen Gedanken, denken Sie, verfolgt die Führung von China und Russland - zwei große Goldkäufer - dieses deutsche Goldgeschichte?
Norbert Häring: Meine Vermutung ist, dass sie nichts von ihrem Gold in New York haben. Wenn sie das täten, würden sie wahrscheinlich in Betracht ziehen, es jetzt nach Hause zu bringen.
Lars Schall: Ist es das Richtige für die BRICS-Staaten, ihre eigene Förderbank zu starten, um mit dem IWF und der Weltbank zu konkurrieren?
Norbert Häring: Das ist sowohl eine gute Entwicklung für die BRICS als auch für potenzielle Kunden ihrer Entwicklungsbank. Es bedeutet, dass IWF und Weltbank es schwerer haben werden, ihre Markt-Ideologie und ihre gläubigerfreundliche Politik über jedes Land, das sich in Schwierigkeiten befindet, verhängen zu können.
Lars Schall: Sind Handelsungleichgewichte der Kern der Euro-Krise?
Norbert Häring: Handelsungleichgewichte sind das Hauptproblem der Europäischen Währungsunion. Deutschland hat einen riesigen Überschuss. Dies bedeutet, dass Deutschland weiterhin neuen Kredit an die anderen Länder gibt, die tiefer und tiefer in Schulden geraten. Ohne dass Deutschland ein Handelsdefizit akzeptiert, ist es für die anderen Länder unmöglich, um diese Schulden jemals abzubezahlen. Das würde für eine Weile stark steigende Löhne in Deutschland erfordern, um die Binnennachfrage zu erhöhen und gleichzeitig den anderen Ländern zu helfen, die Wettbewerbsfähigkeit wiederzuerlangen. Deutschland scheint nicht gewillt, diese Option zu dulden.
Lars Schall: Warum sagen die Politiker der EU und den wichtigsten Protagonisten in den Mainstream-Medien konstant: "Wir retten die Griechen, wir retten die Spanier, et cetera", wenn die EU in Wirklichkeit Privatbanken rettet (vorwiegend deutsche und französische)? Kann das nicht auf ehrliche Weise mit dem vermeintlichen Souverän in einer Demokratie, dem Volk, kommuniziert werden?
Norbert Häring: Einflussreiche Gruppen sind einflussreich, weil sie ihre eigenen Botschaften und Ansichten verbreiten können. Der Finanzsektor ist sehr einflussreich. Ihm ist es gelungen, das Denken der Medienleute, Ökonomen und Politiker gleichermaßen zu verdrehen.
Lars Schall: Wenn Sie bestimmten, wo es langginge, wie würden Sie die Euro-Krise lösen? Und glauben Sie, eine echte Lösung ist wünschenswert vom Gesichtspunkt der finanziellen und politischen Eliten in Euroland gesehen?
Norbert Häring: Ich würde die Zentralbank anordnen, die akute Krise durch ähnliche Maßnahmen zu beenden, wie sie die Federal Reserve ergriffen hat, vielleicht mehr auf das Pumpen von Geld in die Realwirtschaft, anstatt in die Asset-Märkte fokussiert. Dann würde ich den Menschen die Wahl geben, entweder einen neuen EU-Vertrag zu ratifizieren, dier unter anderem eine Fiskalunion vorsehen würde, oder ein Zurückgehen zu den nationalen Währungen in einer harmonischen Weise. Ich vermute, ein neuer Vertrag würde abgelehnt werden. Was ich stattdessen als den Plan sehe, der von den Eliten verfolgt wird, ist, die Krise weitergehen zu lassen, um Reformen in Richtung Fiskalunion zu erzwingen, ohne echte Einbeziehung der Parlamente oder des Volks. Dies ist höchst undemokratisch.
Lars Schall: Was sind derzeit Ihre größten Sorgen, wenn es um die Weltwirtschaft geht?
Norbert Häring: Die Versuche der Zentralbanken, die Wirtschaft wieder zu starten, gründen fast ausschließlich auf das neuerliche Aufblasen von Asset-Märkten. Dies bedeutet, dass die Höhe der Verschuldung in der Wirtschaft nicht reduziert wird. Es könnte sein, dass die ultimative Krise auf diese Weise nur verschoben wird.
Lars Schall: Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, Dr. Haering!
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