Geld ist Macht (Money Talks)
18.04.2013 | Lars Schall
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Lars Schall: In Ihrem wissenschaftlichen Papier werfen Sie besonderes Augenmerk auf Äußerungen von Jens Weidmann, dem derzeitigen Präsidenten der Deutschen Bundesbank, und Otmar Issing, dem ehemaligen Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB). Warum das? Norbert Häring: Ich verwende diese Äußerungen, um aufzuzeigen, dass die Notenbanker uns eine verzerrte Darstellung der Natur des Geldes und der Rolle der Geschäftsbanken und Zentralbanken geben. Sie lassen es fälschlicherweise so erscheinen, als ob die Zentralbanken das Monopol zur Geldschöpfung hätten und als ob die Zentralbanken stets die Vertreter des allgemeinen Wohlergehens gewesen wären. In Wirklichkeit wurde eine Reihe von ihnen ursprünglich als private Banken geschaffen und bis heute gibt es ein starkes Element der Lobbyarbeit für Geschäftsbanken.
Lars Schall: Was muss also aus Ihrer Sicht über die berühmte "Unabhängigkeit" der Zentralbanken gesagt werden, von der wir immerzu zu hören bekommen?
Norbert Häring: Selbst Adam Posner gab in Hongkong zu, dass in Ländern, die ein großes Finanzsystem haben, die Rufe nach der Unabhängigkeit der Zentralbanken von der Regierung als erste und am lautesten gehört werden. Die Unabhängigkeit von der Regierung geht einher mit dem Verbot, die Staatsverschuldung zu finanzieren, und dies bedeutet, dass die Banken den meisten Nutzen aus Geldschöpfung ziehen.
Lars Schall: In diesem Jahr wird es den 100. Jahrestag der wohl einflussreichsten unter den Zentralbanken der Welt geben, der US Federal Reserve. Was ist Ihr generelles Urteil über diese eigentümliche Einrichtung?
Norbert Häring: Zum einen haben sie für eine lange Zeit die Tatsache versteckt, dass die regionalen Feds, die mit der Aufsicht über die Banken betraut sind, von diesen Banken kontrolliert werden. Leute wie Jamie Dimon von JP Morgan, der im Aufsichtsrat der New Yorker Fed sitzt, kontrollieren sich im Endeffekt selbst. Wenn das Interesse des Bankensektors und des Landes synchron zueinander läuft, funktioniert die Fed oftmals sehr gut. Sie sind viel besseren Job mit der Finanzkrise umgegangen als die EZB. Falls und soweit die Interessen der Wall Street in Konflikt mit den Interessen der Otto-Normal-Verbraucher geraten,dürfte Otto-Normalverbraucher meistens hinten runter fallen.
Lars Schall: Hinsichtlich einer Gruppe von Bankenkunden, den Sparern, gibt es etwas, worüber nur sehr wenige Menschen wirklich Bescheid wissen - wenn ich mein Geld zu den Banken bringe, um eine Bankeinlage zu haben, bin ich ein Gläubiger der Banken, selbst wenn ich ihnen kein Geld leihen will. Können Sie das weiter ausführen, bitte?
Norbert Häring: Das ist der Kern des Problems unseres Finanzsystems, dass wir kein sicheres Zahlungssystem haben, das unabhängig von der Solvenz der Banken ist. Dies ist der Grund, warum wir immer die großen Banken zu retten haben, wenn sie es vermasseln. Wenn sie untergehen, geht unser Zahlungssystem unter und die Leute verlieren ihr Geld. Das Geld, das die Menschen in Konten halten, um ihre Rechnungen zu bezahlen, sollte anders als das Geld behandelt werden, das sie investieren wollen. Wenn Sie lediglich die Dienste der Banken nutzen, wollen um Ihre Rechnung auf bequeme Weise zu bezahlen, sollten Sie der Bank keinen Kredit geben müssen. Das Geld sollte in Ihrem Besitz verbleiben, genauso wie Geld, das Sie in einem Geldmarktfonds oder in Aktien haben, Ihres bleibt. Wenn dies der Fall wäre, würden wir nicht mehr länger alle zusammen die Banken zu retten haben, und sie könnten nicht mehr zu viel Geld schöpfen.
Lars Schall: Eine kleine, aber wachsende Anzahl von Menschen spricht sich für eine Rückkehr zum klassischen Goldstandard aus. Würde eine Rückkehr zum klassischen Goldstandard irgendetwas an dem Bankensystemproblem ändern, so wie Sie es sehen?
Norbert Häring: Nicht grundlegend. Der Goldstandard grenzt die Menge des Geldes ein, dass die Zentralbank schöpfen kann, aber nicht die Menge des Geldes, das die Geschäftsbanken obendrein schöpfen können. Er könnte eine Schuldenblase ein wenig unwahrscheinlicher machen, weil die Banken wissen, dass sie nicht mehr so leicht gerettet werden können. Aber wenn eine Krise eintritt, wird es wirklich fatal, wenn die Zentralbanken von einem Goldstandard eingeschränkt werden. Wir haben dies in der Großen Depression gesehen.
Lars Schall: Was sind also die wirklichen Alternativen Ihrer Analyse nach? Was muss getan werden?
Norbert Häring: Der Schlüssel besteht darin, die Fähigkeit der Banken zu begrenzen, Geld zu schöpfen und zu viel neues Geld in die Vermögensmärkte zu pumpen, wie den Aktien- und Immobilienmarkt. Es gibt verschiedene Wege, um dies zu tun. Richard Werner, ein Bank-Professor an der University of Southampton, plädiert für eine Kredit-Steuerung. Er sagt, Zentralbanken sollten das Wachstum der Bankkredite, die an die Verbraucher und in die Vermögenswerte gehen, begrenzen, während die Kredite für produktive Investitionen ermutigt werden. Diese Kredit-Steuerung war ein wichtiges Element in der Industrialisierung von Ländern wie Japan, Südkorea, Taiwan und Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg, und ist es immer noch in China. Ein weiterer Ansatz ist der Chicago-Plan oder Vollgeld, das unter anderem von Henry Simons und Irving Fisher gefördert wurde. Derzeit erregt der IWF-Ökonom Michael Kumhof Aufsehen mit dem Vorschlag, den Chicago-Plan umzusetzen. Es wird viel diskutiert in diesen Tagen (siehe hier.)
Lars Schall: Wie funktioniert das 100%-Geld bzw. Vollgeld?
Norbert Häring: Es würde bedeuten, dass die Banken alle ihre Einlagen durch ihre eigenen Einlagen bei der Zentralbank gedeckt haben müssen. Sie konnte keine Einlagen mehr schaffen, sondern könnten nur das Geld, das die Zentralbanken geschöpft haben, vermitteln. Die Zentralbanken müssten natürlich viel mehr Geld schöpfen, was bedeutet, dass die Regierungen viel höhere Zentralbankgewinne erhalten würden.