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US-Repräsentantenhaus stimmt Erhöhung des Limits zu - Globale Wirtschaft vor Wende?

02.08.2011  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute Morgen bei 1.4245 (07.45 Uhr), nachdem im US-Handel Tiefstkurse der letzten 24 Handelsstunden bei 1.4186 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 77.45. In der Folge notiert EUR/JPY bei 110.30, während EUR-CHF bei 1.1135 oszilliert.

Das US-Repräsentantenhaus hat mit 269 gegen 161 Stimmen dem Schuldenermächtigungsgesetz inklusive der Budgetkürzungen zugestimmt. Gestern kam hier im Vorwege noch einmal Skepsis auf, die sich insbesondere an den Aktienmärkten belastend auswirkte. Jetzt steht noch die Abstimmung im von Demokraten dominierten Senat auf der Agenda. Von dem Senat sind keine negativen Überraschungen zu erwarten. Mit diesem Ergebnis im Repräsentantenhaus kehrt an dieser Front, die die Finanzmärkte und konsequenterweise auch die Wirtschaftssubjekte verunsicherte und negative Folgen für die Konjunkturentwicklung forcierte, Ruhe ein. Das ist grundsätzlich zu begrüßen. Dennoch ist der Schaden in der nationalen und auch internationalen Wirtschaft messbar. Risikoaversion hat zugenommen. Konjunkturzuversicht hat sowohl im privaten Sektor als auch im Unternehmenssektor abgenommen.

Damit kommen wir zu den gestrigen Veröffentlichungen. Wir hatten gestern darauf verwiesen, dass von Seiten der Einkaufsmanagerindices negative Überraschungen wahrscheinlich sind. Die Arbeitslosenrate der Eurozone verharrte per Berichtsmonat Juni den Erwartungen entsprechend bei 9,9%. Damit bewegt sich die Quote weiterhin auf dem niedrigsten Stand seit einem Jahr. Hier ergab sich kein Raum für skeptische Verhaltensmuster.

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Der Einkaufsmanagerindex der Eurozone für das verarbeitende Gewerbe per Juli lieferte mit 50,4 Punkten das erwartete Resultat, nachdem im Vormonat noch ein Indexstand von 52,0 verzeichnet wurde. Der Indexstand impliziert das geringste Wachstum seit Oktober 2009. Das Neugeschäft schrumpfte geringfügig. Laut deutschen Maschinebauern ist das Schuldenthema (Europa und USA) der entscheidende Hemmschuh. Unverändert deutet der Indexstand auf Wachstum. Die Achillesferse des Wachstums ist unsensible Politik. Davon gab es in den letzten Monaten wahrlich genug!

Entscheidend für die aggressiven Anpassungen war jedoch die Veröffentlichung des ISM-Index für den verarbeitenden Sektor. Per Berichtsmonat Juli ergab sich ein Einbruch von zuvor 55,3 auf 50,9 Punkte. Die Prognose lag bei 54,9 Zählern. Der Auftragsindex sank von zuvor 51,6 auf 49,2 Punkte. Der Produktionsindex verlor von 54,5 auf 52,3 Zähler. Der Beschäftigungsindex fiel deutlich von 59,9 auf 53,5 Punkte. Der Chart verdeutlicht den nachhaltigen Einbruch seit April 2011. Dieser Einbruch ist korreliert mit den Themen Fukushima, Euroland-Defizitkrise und zuletzt US-Defizitkrise. Insbesondere ist er korreliert mit unsensibler Politik.

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Als Folge der Veröffentlichung des ISM Index ergab sich eine fulminante Erhöhung der Risikoaversion. Die üblichen Verdächtigen CHF und JPY wurden am Devisenmarkt aggressiv gekauft. Ja, es bedarf wohl einer Staatsverschuldung von 230% des BIP (Japan), dass die Profis am Devisenmarkt mal richtig auf der Käuferseite zuschlagen (Ironie). Die Eurozone mit nur 85% Gesamtverschuldung und auch noch aggressivem Reformwerk muss dann auch mal ordentlich abverkauft werden (ebenfalls Ironie). Dass sich die japanische Regierung bezüglich dieser Entwicklungen Sorgen macht, ist nur allzu verständlich. Laut der Nachrichtenagentur Nikkei bereitet sich die japanische Regierung auf Interventionen hinsichtlich der sachlich unangemessenen Stärke des JPY vor. Es wird am Markt kolportiert, dass die Maßnahmen über reine Devisenmarktinterventionen hinaus gehen könnten.

Mit der globalen Anschwächung der Wirtschaftsdynamik stellt sich die Frage, ob hier eine Trendwende in Richtung rezessiver Entwicklungen auf der Agenda steht?

Der solitäre Blick auf die Einkaufsmanagerindices und Stimmungsindikatoren als auch auf enttäuschende Wachstumsdaten (USA) oder rückläufiges Wachstum der realen Auftragseingänge unterstützt diese Sichtweisen. Ergo ist diese Sorge aus quantitativer Sichtweise berechtigt. Wenden wir uns der qualitativen Sichtweise zu. Hier müssen wir auf die Zyklik eingehen. Sind die Lagerbestände opportunistisch hoch? Die Antwort, die wir aus unterschiedlichsten Branchen erhalten, belegen in einer Durchschnittsbetrachtung das Gegenteil. Entsprechend ist über den Lagerzyklus kein aggressiver Einbruch zu erwarten. Ähnlich sieht es bei dem Investitionsgüterzyklus aus. Der Zyklus ist jugendlich - Ersatz- und Neuinvestitionen sind korreliert mit realer und notwendiger Nachfrage nach der historisch einmaligen Anpassung von Mitte 2008 bis Ende 2009. Aus den beiden Impulsen über Lagerzyklus und Investitionsgüterzyklus hat sich in 70% der Weltwirtschaft über erhöhte Beschäftigung ein Konsumzyklus etabliert, der auf Arbeitseinkommen und nicht auf Neuverschuldung (2007/2008) beruht. Die qualitative Analyse impliziert unverändert ein sehr hohes Maß an Tragfähigkeit.

Diese Tragfähigkeit wurde in den letzten fünf Monaten durch vier Themenblöcke herausgefordert: Nordafrika, Fukushima, Eurodefizitkrise und US-Defizitkrise. Sollten weitere Themenblöcke durch unsensible Politik oder politischen Missbrauch der Finanzmärkte und seiner Instrumente aufgemacht werden, mag die Tragfähigkeit der globalen Wirtschaft weiter unterminiert werden und eine sachlich überhaupt nicht notwendige Trendwende der globalen Konjunkturerholung erzwungen werden. Bisher ist dieses Bild jedoch nicht mein präferiertes Szenario.

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, dass den Euro favorisiert. Ein Unterschreiten der Tiefstkurse 1.3835 neutralisiert den positiven Bias.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank





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