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Jahresprognosen 2011/12 ausgesetzt - Reales Risiko für erneute globale Kernschmelze

05.08.2011  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute Morgen bei 1.4105 (06.45 Uhr), nachdem Tiefstkurse der letzten 24 Handelsstunden bei 1.4056 im asiatischen Markt markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 79,05. In der Folge notiert EUR-JPY bei 111.50, während EUR-CHF bei 1,0805 oszilliert.

Am Dienstag formulierten wir wie folgt:

"Sollten weitere Themenblöcke durch unsensible Politik oder politischen Missbrauch der Finanzmärkte und seiner Instrumente aufgemacht werden, mag die Tragfähigkeit der globalen Wirtschaft weiter unterminiert werden und eine sachlich überhaupt nicht notwendige Trendwende der globalen Konjunkturerholung erzwungen werden. Bisher ist dieses Bild jedoch nicht mein präferiertes Szenario."

Das hat sich im Verlauf der Woche geändert und zwingt die mikro- als auch makroökonomischen Prognosen für 2011/2012 auszusetzen.

Das heißt nicht, dass es keine Lösung für die aktuell verstärkte Problematik gibt. Es bedeutet, dass die weitere Entwicklung in Europa in den Händen der Politik, unter Umständen auch in denen der Zentralbank liegt. Es zwingt zu schnellem und massivem Handeln und unter Umständen zu unorthodoxen Maßnahmen, wenn Dominoeffekte für Europa, das Weltfinanzsystem und die Weltwirtschaft verhindert werden sollen. Vielstimmigkeit ist unter allen Umständen ebenso wie Vorfestlegung (Berlin) zu vermeiden!

Ein Zeitfenster von zwei, maximal vier Wochen ist meines Erachtens gegeben. Je schneller ernst zu nehmende Reaktionen erfolgen, desto wahrscheinlicher ist ein potentieller Erfolg. Es zählen grundsätzlich Tage.

Vor diesem Hintergrund sind auch die Einlassungen aus China zu verstehen. Es ist quasi die Forderung zu dem Stil der Zusammenarbeit 2008/2009 auf internationaler Basis zurückzukehren. So heißt es aus China, die internationale Gemeinschaft müsse die Kooperation bezüglich der globalen konjunkturellen Risiken verstärken. Das chinesische Außenministerium betonte, dass China weiterhin die Europäische Union und den Euro unterstützen werde. Das ist fair und großzügig. Die Einlassung, dass, laut dem chinesischen Außenministerium die Risiken der öffentlichen US-Schulden deutlich eskalieren, darf man als Ausdruck dafür verstehen, dass China im Gegensatz zu vielen Teilnehmer der europäischen Eliten das Spiel an den Finanzmärkten klarer erkennt.

Wir sind dabei das Paradepferd in Fragen der Neuverschuldung und der Reformpolitik im Rahmen der Finanzkrise, die Eurozone, von den Märkten aus den Ländern abschlachten zu lassen, die nicht ansatzweise an die reale Stabilität der Eurozone heranreichen. Werden wir noch deutlicher. Auf der einen Seite haben wir die USA und das Vereinigte Königreich, dass Staatsschulden monetarisiert und damit auch die Bepreisung der Anleihen dominiert. Hier handelt es sich um antiautoritäre Geldpolitik, die von den CDS-Märkten freundlich begleitet wird und Ratingagenturen zu Bestnoten veranlasst, so wie zuvor bei der "Cash Burn Rate" im neuen Markt und dem "MBS-Geschäft" vor 2008.

Dagegen steht die Eurozone für solide Zentralbankpolitik. Interventionen werden sterilisiert. Liquidität wird zurück gefahren. Die Geschäftsmodelle der angeschlagenen Länder werden aggressiv reformiert. Die Willfährigkeit der Eliten Europas, den Ansätzen aus London und New York zu folgen, mutet grotesk an.

Entscheidend ist hier, dass die Kreditausfallversicherungen für Spanien und Italien ein Krisenniveau erreichten, obwohl es aktuell keine Daten und Fakten gab, die diese Einschätzung forcieren konnten. Im Gegenteil weisen die gestrigen Haushaltsdaten Spaniens per Juni mit einem Rückgang der öffentlichen Defizite im Monatsvergleich als auch Jahresvergleich in genau die entgegen gesetzte Richtung.

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Auch Irland wurde unter einen Schutzschirm gezwungen, obwohl Irland als einziges Land der Eurozone eine verfügbare Liquiditätsreserve von 25% der Wirtschaftsleistung (47 Mrd. Euro) vorzuweisen hatte und theoretisch bis 2013 vom Kapitalmarkt unabhängig war. In den Gesprächen in den letzten Monaten zeigten sich viele Experten erstaunt ob dieser Tatsache, die sie als Experten hätten wissen müssen. Das Halbwissen und Unwissen feiert schon seltsame Urständ!

Im Fall Irland waren es die CDS-Märkte, die losgelöst von Fakten den Status Quo der Kapitalmarktunfähigkeit zementierten. Derzeit erscheint es bei Spanien und Italien ähnlich. Der CDS-Markt ist ein unregulierter Markt bestimmt von dem Oligopol der Bankenaristokratie, der die Bepreisung des Polypols des regulierten Staatsanleihemarkts dominiert.

Da kann die EZB am Staatsanleihemarkt aggressiv kaufen. Der Derivate Markt bestimmt den Takt. Dort habe ich Hebeleffekte. Es ist ein Spiel wie unregulierte Champions League gegen national regulierte Regionalliga.

Da kann jede Großbank oder Hedge Fund mit Mrd. Beträgen und aggressiven Spieltrieb antreten und entsprechend Wirkung erzielen.

Die Kunden der Bankenaristokratie sind Hedge Funds und andere aggressive Spieler am Markt. Die Entscheidung der Deutschen Bank sich vor der jüngsten Zuspitzung von 8 Mrd. italienischer Staatsanleihen zu trennen, nehmen wir vor diesem Hintergrund interessiert zur Kenntnis. Einen Fall Spaniens und Italiens in die Kapitalmarktunfähigkeit überforderte das aktuelle EFSF/ESM System.

Das Risiko einer Verschärfung der Krise mit unabsehbaren Folge für die Integrität der Eurozone, die Weltwirtschaft und das Weltfinanzsystem ist aus dem Momentum der Finanzmärkte gespeist und nicht bezüglich Europa als auch der Zyklik der Weltwirtschaft fundiert. Diese Erkenntnis scheint jedoch nicht breit gestreut zu sein.

Wir verzichten heute auf die Kommentierung von Wirtschaftsdaten als auch EZB-Sitzung. Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den Euro favorisiert. Ein Unterschreiten der Tiefstkurse 1.3835 neutralisiert den positiven Bias.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank





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