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Merkel und Sarkozy forcieren Integration der Eurozone - keine Eurobonds

17.08.2011  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute Morgen (07.45 Uhr) bei 1.4400, nachdem gestern im US-Geschäft Höchstkurse bei 1.4472 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 76.65. In der Folge notiert EUR-JPY bei 110.40, während EUR-CHF bei 1.1520 oszilliert.

Frau Merkel blieb sich gestern treu. Eurobonds werden weiter abgelehnt. Sowohl Frau Merkel als auch Herr Sarkozy betonten, dass Eurobonds die Schuldenkrise nicht lösen würden. Das ist faktisch richtig. Der Bond ist nicht die Lösung, da die Lösung nur durch Reformen in den Defizitländern erbracht werden kann.

Der Eurobond wäre jedoch ein Mittel, die Reformpolitik der betroffenen Länder von dem latenten Spekulationsdruck zu befreien, der seit 18 Monaten kontraproduktive Wellen erzeugt, und damit den Erfolg der Reformen untergräbt. Der Eurobond hätte der Spekulation unserer "Freunde" den Spielplatz entzogen.

Frau Merkel und Herr Sarkozy setzen mit ihrer Agenda auf den Realitätssinn der Märkte, der die letzten 18 Monate leider nicht erkennbar war.

Die Erfolge der Reformen wurden vollständig ausgeblendet und die Reformländer, die Respekt verdienten und verdienen, wurden auch dank prozyklisch agierender Ratingagenturen von unseren „Freunden“ in London und NY als auch einigen assoziierten „Freunden“ innerhalb der Eurozone in die Kapitalmarktunfähigkeit verbannt. So weit zu den Fakten in der Vergangenheitsbetrachtung.

Diesbezüglich erscheint der Ansatz von Frau Merkel und Herrn Sarkozy zunächst ambitioniert zu sein, dass es diesmal am Finanzmarkt anders laufen wird als in den 18 Monaten zuvor. Wir wählen bewusst den Begriff "erscheint".

Werfen wir zunächst einen Blick auf die Maßnahmen, die als Agenda vereinbart wurden:
  • In der Eurozone soll eine Wirtschaftsregierung installiert werden, dessen Vorsitz der EU-Ratspräsident haben soll und sich aus den 17 Regierungs- und Staatschefs zusammensetzt. Zwei Sitzungen pro Jahr sind geplant. Falls erforderlich sind weitere Sitzungen möglich.

  • Alle Eurostaaten sollen eine Schuldenbremse mit Verfassungsrang einführen. Bis Herbst 2012 ist die "Deadline" gesetzt.

  • Eine gemeinsame Finanztransaktionssteuer soll vorangetrieben werden, die auch zur Finanzierung des Euro-Stabilitätsfonds genutzt werden könnte.

Diese Agenda stellt eine Forcierung der Integration dar. Zusätzlich wurde eine Harmonisierung der Unternehmenssteuern in Frankreich und Deutschland angekündigt, die als Prolog einer europäischen Unternehmenssteuerharmonisierung zu interpretieren ist.

Im Rückblick der Defizitkrise der Eurozone lässt sich konstatieren,
  • dass stringent Reformen für die Defizitländer vereinbart und umgesetzt wurden,
  • dass die Integration der Eurozone sich durch die Katalysatorwirkung der Krise zügiger umsetzt,
  • dass die Eurozone bemerkenswerte Strukturpolitik macht und
  • dass die Daten der Entwicklung der Neuverschuldung in der gesamten Eurozone sich von den Entwicklungen in den USA, Japan oder dem Vereinigten Königreich dramatisch positiv abheben.

  • Die Faktenlage belegt, dass das europäische „Brett“ im Laufe der letzten 18 Monate trotz der latenten Spekulationen gegen die Eurozone unter fundamentalen Gesichtspunkten dicker geworden ist.

    Diese Tatsache darf als ein Indikator bewertet werden, der im Zeitverlauf Ermüdungserscheinungen bei unseren "Freunden" provozieren sollte. Ergo ist die Chance durchaus gegeben, dass die Agenda Merkel/Sarkozy Traktion an den Finanzmärkten gewinnt. Für den Fall, dass das Stakkato der Spekulation dennoch weitergeht, bleibt die Option des Eurobonds.

    Der internationalen und vor allen Dingen der europäischen Politik sollte deutlich werden, dass die latente Spekulation gegen die Eurozone nicht nur Charaktermerkmale einer natürlichen Marktbewegung aufweist, sondern dass die Vehemenz gleichzeitig eine politische Hintergrundmusik impliziert.

    Dabei geht es um nichts anderes als den Begriff der Machterhaltung des Finanzestablishments und der Politik, die durch dieses "Establishment" "gegängelt" wird.

    Es geht um die Verantwortlichen, die uns unter anderem die Probleme der letzten 10 Jahre großzügigerweise angedient haben. Die Willfährigkeit unserer Eliten, diese Themen in naiver Manier aufgenommen und umgesetzt haben (Finanzen und Politik), muss hier erwähnt werden. Naivität wird bestraft!

    Wir reden hier über das US-zentrische Finanz- und Machtsystem mit angeschlossenen Filialen. Die Verschiebung der finanzökonomischen Machtachse (Anteile an der Weltwirtschaft/Devisenreserven) zu Lasten des amtierenden Systems und zu Gunsten der Schwellenländer als auch Europas im Zuge der Reformen liefert den Hintergrund für die Auseinandersetzungen über den Finanzmarkt, in dem genau dieses amtierende Finanzestablishment strukturelle Vorteile genießt.

    Die Eurozone stellt mit ihrer auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Politik eine erhebliche Herausforderung für den Machtanspruch des "Establishments" dar. Lässt man eine Desintegration der Eurozone zu, würde die Potenz dieses "Establishments" losgelöst von konjunkturellen und systemischen Betrachtungen gestärkt. Genau dieser Aspekt sollte von denjenigen berücksichtigt werden, die aus der Eurozone heraus der Desintegration das Wort reden.

    "Food for a lot of political thought!"

    Hinsichtlich des fortgeschrittenen Zeitpunkts verzichten wir heute auf eine umfassende Kommentierung der gestrigen Wirtschaftsdaten. Das Bild der Daten war ambivalent. Etwas geringeres Wachstum der Eurozone bei +0,2% (Prognose 0,3%) im Quartalsvergleich und 1,7% im Jahresvergleich (Prognose 1,8%), schwächere Daten vom US-Wohnimmobilienmarkt und ein Anstieg der US-Industrieproduktion um 0,9% im Monatsvergleich arrondierten das Bild, ohne wesentliche Marktwirkung zu entfalten.

    Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den Euro favorisiert. Ein Unterschreiten der Tiefstkurse 1.3835 neutralisiert den positiven Bias.

    Viel Erfolg!


    © Folker Hellmeyer
    Chefanalyst der Bremer Landesbank





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