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Von Griechenland zum Ermächtigungsgesetz

04.09.2011  |  Klaus Singer
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Zweifellos wäre ein einheitlicher europäischer Bond-Markt für große Investoren interessant und es kann durchaus sein, dass für ein bis zwei Jahre ein Hype entstünde. Dann sonnen sich die Brüsseler Politbürokraten in ihrem vermeintlichen Sanierungserfolg, aber genau diese Sanierung findet weiterhin nicht statt. Schließlich kommt das böse Erwachen und die Lage wird noch katastrophaler als jetzt. Dann nämlich gibt es keine Retter mehr, die in irgendwelche Rettungsfonds einzahlen könnten.

Es ist richtig: Durch unangemessene Sparmaßnahmen kann man eine Sanierung auch abwürgen - die Gefahr ist groß, dass eine Krise der Staatsverschuldung in eine Rezession oder Depression mündet. Aber diese Gefahr würde mit der Einführung von Eurobonds nur aufgeschoben und bräche später mit noch mehr Wucht wieder auf. Man kaufte sich Zeit, aber so wie die politischen Kräfte gestrickt sind, wird sie nicht genutzt. "Sanierung" heißt ja nicht (nur) Sparen, sondern vor allem die Verhältnisse positiv zu verändern - siehe unten.

Der richtige Weg führt meiner Meinung nach über einen Haircut bei den Anleihegläubigern. Genau den will die EZB aber verhindern und auch deshalb nimmt sie fleißig notleidende Bonds herein. Denn im Falle eines Haircuts wären ihre Eigentümer mit dabei, Deutschland mit gut einem Viertel. Je mehr Müll die EZB anhäuft, je geringer die Neigung der Eigentümer zu einem Haircut.

Die lateinamerikanische Schuldenkrise konnte auch erst dann gelöst werden, als man sich auf die sogenannten Brady-Bonds verständigt hatte, die einen Forderungsverzicht beinhalteten.

Die strauchelnden Staaten direkt zu stützen - die hierzu erforderlichen Mittel (via irgendwelcher Rettungsfonds und auch Eurobonds) sind schlecht angelegt (siehe Griechenland!). Stattdessen wäre es sinnvoller und transparenter, Banken, die durch einen Haircut ins Trudeln kommen, durch staatliche Beteiligung zu stützen, zu kontrollieren und das Bankenwesen insgesamt neu zu ordnen. Das schafft zugleich die Möglichkeit, sich wieder aus der "Hijacking"-Situation zu befreien, in der die Politik (selbst verschuldet) spätestens seit dem Herbst 2008 gefangen ist.

Der Weg aus der gegenwärtigen Krise führt nur über die Realwirtschaft. Hier müssen durch zahlreiche strukturelle Maßnahmen die Voraussetzungen für gesundes Wachstum geschaffen werden. Eine stärkere staatliche Einflussnahme auf den Bankensektor muss auch dazu führen, dass die in Zusammenhang mit der Eurozonen-Krise immer wieder beschworene Gefahr einer Kreditklemme bekämpft wird. Ein solches Wachstum ist meiner Meinung nach die einzige Möglichkeit, die Schuldenkrise nachhaltig zu überwinden.

Ist das eine realistische Perspektive? Hm.

Zum Thema "Finanzhoheit" wäre noch anzumerken, dass diese mit den immer größer werdenden Euro-Rettungstöpfen ohnehin (schleichend) verloren geht. Einmal von den Länderparlamenten genehmigt, geht die Kontrolle über diese gewaltigen Mittel an Brüssel über. Die Parlamente geben einen großen Teil Ihres Gestaltungsspielraums weg. Das ist dann wieder so eine Art Ermächtigungsgesetz, von denen es in der deutschen Geschichte zwischen 1914 und 1933 einige gab. Sie widersprachen zwar der Weimarer Verfassung, aber es kümmerte keinen. Die Geschichte wiederholt sich.

Die "Märkte" wollen Eurobonds - und sie werden sie wohl bekommen. Spätestens dann, wenn der ESFS-Rettungsfonds leer ist.

Erwähnte Charts und Beiträge können hier eingesehen werden: http://www.timepatternanalysis.de/Blog/


© Klaus G. Singer
www.timepatternanalysis.de



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