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Trichets Einlassungen belasten Euro - USA, die tun was …

09.09.2011  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute Morgen (07.25 Uhr) bei 1.3900, nachdem im US-Geschäft Tiefstkurse der letzten 24 Handelsstunden bei 1.3874 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 77.45. In der Folge notiert EUR-JPY bei 107.65, während EUR-CHF bei 1.2130 oszilliert.

Die EZB hat den Erwartungen entsprechend den Leitzins bei 1,50% belassen. Der Konjunkturausblick ist laut EZB-Rat von Abwärtsrisiken geprägt. Die Wachstumsprognose wurde per 2011 von zuvor 1,5% - 2,3% auf 1,4% - 1,8% revidiert. Die Projektion per 2012 wurde von 0,6% - 2,8% auf 0,4% - 2,2% reduziert. Diese Einschätzungen spiegeln die ohnehin verfügbaren schwächeren Konjunkturdaten der letzten Wochen. Ergo wurde von der EZB diese Entwicklung aufgenommen. Die Tatsache, dass sich die EZB dieser Realität stellt, kam am Devisenmarkt schlecht an und wurde zu einer maßgeblichen Belastung für den Euro.

Die EZB erwartet per 2012 eine Preisinflation unter 2%. Die Preisrisiken seien insgesamt ausgeglichen. Diese Einlassung impliziert, dass weitere Zinserhöhungen voraussichtlich nicht auf der Agenda stehen, auch wenn es natürlich seitens der EZB keine Vorfestlegung gibt. Dieses Ausbleiben weiterer Zinserhöhungen bekam dem Euro gleichfalls nicht.

Trichet mahnte die Regierungen zu Konsolidierung der Staatshaushalte. Die vereinbarten Maßnahmen müssen zügig umgesetzt werden. Dem ist absolut zuzustimmen. Die jüngsten Extratouren Berlusconis als auch der Griechen sollten solitäre Ausnahmen bleiben.

Die Versorgung mit Liquidität bleibt der Lage angepasst. Die EZB nimmt ihre Aufgabe einer angemessenen Versorgung, um die finanzwirtschaftliche aber auch die realwirtschaftliche Funktionalität zu gewährleisten, in stabilitätskonformer Art und Weise wahr. "Chapeau!" Trichet betonte, dass es enorme Unsicherheit in der globalen Wirtschaft und den großen Volkswirtschaften gäbe. Das ist richtig - diese Unsicherheit hat politischen Ursprung, der sich beginnt merklich realwirtschaftlich auszuwirken. "Food for thought!"

Wir nehmen die Reaktion am Devisenmarkt zur Kenntnis. Faktisch ergab sich seitens der EZB lediglich die Diskontierung der ohnehin schon bekannten Umstände. Der Markt suchte offensichtlich nach einem Grund, Euros zu verkaufen. Der ist jetzt ja gefunden.

US-Präsident Obama hat gestern im Kongress sein Programm zur Konjunkturbelebung vorgestellt. Der Rahmen von 447 Mrd. USD übertrifft die Erwartungen von bisher 300 Mrd. USD deutlich. Entscheidend ist die Fokussierung auf positive Arbeitsmarkteffekte und Infrastrukturprojekte. Eine Halbierung der Lohnsteuer bei gleichzeitiger Heraufsetzung der Spitzensteuersätze ist ein elementarer Bestandteil. Das Programm soll steuerneutral sein. Wir hoffen, dass das auch stimmt und bleiben diesbezüglich skeptisch vor dem Hintergrund der Erfahrungen der letzten 10 Jahre. Kontroversen mit den Republikanern sind vorprogrammiert. Die Wahrscheinlichkeit einer Umsetzung ist diesbezüglich nicht ausgeprägt. Mehr noch sind derartige Programme bisher verpufft. Dieses Programm erscheint eine Facette des Vorwahlkampfes der anstehenden Präsidentschaftswahlen zu sein.

Bernanke (Fed) sagte, dass die US-Zentralbank alles unternehmen werde, um hohe Wachstumsraten und Beschäftigung wiederherzustellen. Man sei gewillt, die notwendigen Maßnahmen nach Angemessenheit umzusetzen. Bernanke gab keine Details über die möglichen Maßnahmen. Fakt ist, dass die Fed schon seit 2001 in diesem Fahrwasser ihr "Wesen" treibt, ohne die Traktion erzielt zu haben, die man sich versprach.

Fakt ist, dass die USA sich grundsätzlich weiter im Kosmetikkasten tummeln und nicht die strukturellen Defizite im Rahmen einer elementaren Reformpolitik adressieren. Fakt ist, dass Ratingagenturen dieses Manko noch nicht einmal in der Tiefe erkannt haben. USA-Optimisten mögen sagen, die USA tun was. Das ist gut. Diese Sichtweise ist charmant. Die Frage ist nur, ob sie das Richtige tun? Das bezweifeln wir hier nachhaltig bezüglich des "Trackrecords" der letzten Dekade.

Die US-Handelsbilanz lieferte gestern ein "mageres" Defizit in Höhe von "nur" 44,8 Mrd. USD. Die Prognose lag bei 51,0 Mrd. USD nach zuvor 51,6 Mrd. USD (revidiert von 53,1 Mrd. USD). Das Bild ist damit etwas entspannter, ohne Ansätze einer strukturellen Heilung zu bieten.

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Die US-Arbeitslosenerstanträge per 3. September nahmen von 412.000 auf 414.000 zu. Hier ergeben sich keine neuen Erkenntnisse. Eine Stabilisierung auf dem ermäßigten Niveau gegenüber 2008/2009 ist erkennbar, die nicht ausreicht, eine erforderliche Arbeitsmarktbelebung zu indizieren.

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Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den Euro favorisiert. Ein Unterschreiten der Tiefstkurse 1.3835 neutralisiert den positiven Bias.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank





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