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Griechendrama nächster Akt - Eurowirtschaft und Euro verlieren an Boden ...

04.10.2011  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute Morgen (07.50 Uhr) bei 1.3215, nachdem im asiatischen Geschäft Tiefstkurse der letzten 24 Handelsstunden bei 1.3165 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 76.65. In der Folge notiert EUR-JPY bei 101.30, während EUR-CHF bei 1.2145 oszilliert.

Das Thema Griechenland bleibt heiß. Die Troika sitzt in Athen und prüft. Die Finanzminister sitzen
zusammen und beraten.

Das Defizitreduktionsziel Griechenlands wird per 2011 verpasst. Von 2009 geht es über 2010 von -15,4% des BIP auf 10,4% des BIP und per 2011 auf -8,5% des BIP. -7,6% war das Ziel. Gleichzeitig hat es seit 2009 einen Rückgang des BIP um -9% und der Bruttoanlageinvestitionen um -44% gegeben. Der Rückgang der Wirtschaftsleistung als auch der Investitionen ist dabei auch mit der Art und Weise korreliert, wie Griechenland alle drei Monate durch die Finanzmärkte getrieben wird. Auch die jetzige Art und Weise des Umgangs wird jede nennenswerte Investition verhindern helfen. Dass sich die Troika darüber noch keine Gedanken gemacht hat, erscheint wenig selbstkritisch.

Vielleicht wird in den einzelnen Ländern der Eurozone auch zu viel Innenpolitik mit Griechenland gemacht. Die Fähigkeit, die Reformerfolge (u.a. Reduktion der Leistungsbilanzdefizite zwischen 60% - 85% für alle Reformländer zwischen 2007 - 2011, Reduktion des Anteils der Baubranche Spaniens, Irlands profunde Entwicklung, strukturelle Erfolge Griechenlands) weitgehend auszublenden und sich solitär auf Fehlleistungen zu fokussieren, stellt eine Facette dieser toxischen Spielart dar. Deutsche Ökonomen haben sich hier sehr schnell hohe Weihen erworben. Die Frage nach dem Sinn derartig unausgewogener Darstellungen, die unakademisch und auch unprofessionell sind, lassen wir unbeantwortet.

Diese toxischen nationalen Süppchen bekommen am Ende weder der Konjunktur noch der Integrität der Eurozone. Das wird zunehmend deutlich an den aktuellen Daten, die uns aus der Eurozone, aber auch aus der Weltwirtschaft erreichen (siehe unten).

Die Vertreter der Eurozone haben nichts aus den Fehlern der letzten 18 Monate gelernt. Es wird weiterhin nicht sakrosankt gehandelt. Es ergeben sich zeitliche Verzögerungen, die wie eine Einladung an die Spekulation gegen Europa zu interpretieren sind. Es kommt zu inhaltlichen Debatten, die partiell öffentlich ausgetragen werden. Diese Umstände sind im höchsten Maße irritierend.

Die Finanzminister der EU wollen den Bericht der Troika abwarten. Erst dann soll entschieden werden, ob die nächste Tranche der Griechenlandhilfe zur Auszahlung kommt. Mit einem positiven Entscheid kann voraussichtlich erst in der zweiten Oktoberhälfte und der Auszahlung im November gerechnet werden. Ist Griechenland nicht ab Mitte Oktober laut Experten zahlungsunfähig?

Auf dem Finanzministertreffen werden derzeit Anpassungen des Beschlusses vom 21. Juli diskutiert, da sich die Lage seitdem verändert habe. Es wird eine stärkere Beteiligung der Banken am zweiten Rettungspaket in Betracht gezogen. Ist so eine Neuregelung kurzfristig darstellbar? Ebenso wird laut Herrn Juncker an technischen Revisionen gearbeitet. Herr Juncker und Herr Rehn fordern darüber hinaus, das Kreditvolumen des EFSF über einen Hebel zu vervielfachen. Details zu diesem Vorschlag sind nicht bekannt. Laut Herrn Juncker würde es jedoch nicht zu einer Mehrbelastung des deutschen Steuerzahlers kommen.

Juncker sagte: „Wer kein Risiko eingeht, geht das größte Risiko ein.“ Das ist wohl richtig. Wer nicht zeitnah agiert, hat aber schon verloren!. Das ist die Lehrstunde aus den letzten 18 Monaten. Diese Lernkurve gibt es jedoch bei den Verantwortlichen nicht im genügenden Maße. Laut Rehn braucht der EFSF mehr Feuerkraft, um eine Ansteckung der anderen Reformländer zu verhindern. Diese Einlassung mag richtig sein.

Die Reaktionen an allen Finanzmärkten zeigen, dass jede Stunde, die vergeht, das Vertrauen der Wirtschaftssubjekte in die Konjunktur erschüttert. Als Folge dieser Erschütterungen verliert die globale Wirtschaft an Dynamik. Mit einem stotternden globalen Konjunkturmotor wird die fiskalische Heilung auf globaler Ebene massiv gestört, vielleicht sogar verhindert. Womit spielen wir wegen Griechenland?

Ebenso problematisch sind die nationalen Egoismen kleiner Länder. Dazu gibt es jetzt Klartext. Reuters: "Die Eurogruppe hat eine Lösung für die von Finnland geforderten Sicherheiten für neue Hilfskredite an Griechenland gefunden. Wie EFSF-Chef Klaus Regling erklärte, kann jedes Euro-Land Sicherheiten verlangen. Doch sei der Preis für diese Sicherheit so hoch, dass diese wahrscheinlich neben Finnland kein anderes Land beantragen werde. Als Sicherheit seien griechische Staatsanleihen vorgesehen.

Doch müsse der Sicherheitennehmer dafür vier Gegenleistungen bringen: Das Kapital für den dauerhaften Rettungsmechanismus müsse dann auf einmal und nicht über fünf Jahre gestreckt eingezahlt werden. Finnland werde zudem einen geringeren Anteil an Gewinnen des EFSF erhalten. Sollte der abgesicherte Hilfskredit platzen, wird die Sicherheit erst zum Ende der Laufzeit und damit nach 15 bis 30 Jahren geleistet werden. Die Sicherheit dürfe außerdem 20 Prozent des Haftungsvolumens des Geberlandes nicht übersteigen.

Finnland hatte die Beteiligung an einem zweiten Rettungspaket für Griechenland davon abhängig gemacht, Sicherheiten zu bekommen." Wir wünschen unseren Freunden in Helsinki viel Erfolg beim nächsten Versuch europäische Solidarität für sich einzufordern.

Zusammenfassend ergibt sich ein Bild, das mehr verstört, als dass es Zuversicht ausstrahlt. Die Eurozone steuert weiterhin einen Kurs, der die Frage nach der Integrität der Eurozone offenhält. Das ist schlussendlich beschämend.

Die Reaktionen am Finanzmarkt sind der angemessene Spiegel. Die Reaktionen der Realwirtschaft zeigen, dass das Nervenkostüm blank liegt. Die Einbrüche im Sektor der Rohstoffe sind Zeichen, dass die Widerstandskraft in der realen Wirtschaft trotz solider globaler Zyklik rapide abnimmt. Mehr noch offenbaren die gestrigen Daten aus der Eurozone, dass der Begriff Rezession salonfähiger wird, da die Schwäche zeitliche Traktion gewinnt.
  • Der deutsche Einkaufsmanagerindex für den produzierenden Sektor legte per September laut finaler Berechnung von zuvor 50,0 (Stillstand) auf 50,3 Punkte (marginales Wachstum) zu.

  • Der Einkaufsmanagerindex der Eurozone für den produzierenden Sektor legte unwesentlich von 48,4 auf 48,5 Punkte zu. In der Eurozone ergibt sich mit Werten deutlich unter 50 Punkten Kontraktion in diesem Sektor.

  • In den USA nahmen die Bauausgaben per August im Monatsvergleich um 1,5% zu nach zuvor -1,4%. Hoppla!

  • Der ISM-Index für den produzierenden Sektor verzeichnete einen Anstieg von 50,6 auf 51,6 Punkte. Na, bei weltweiten Konjunkturblues ist das doch mal eine Ansage!

Man könnte die Zahlen in die Richtung interpretieren, dass es offensichtlich Erfolg versprechend ist, keine Reformen zu machen ... Sie können ja Spaß verstehen, oder?

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den USD gegenüber dem Euro favorisiert. Ein Überwinden des Widerstandsfelds bei 1.3350 - 80 eröffnet neue Opportunitäten.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank





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