Unerwartet kräftiger Lagerabbau gibt Ölpreis Auftrieb
06.10.2011 | Eugen Weinberg
Energie
Der Brentölpreis legte gestern um 3% zu und handelt am Morgen bei 102,5 USD je Barrel. WTI stieg sogar um 5% auf 80 USD je Barrel. Auslöser für den Preissprung war ein unerwartet kräftiger Rückgang der US-Rohöllagerbestände in der vergangenen Woche um 4,7 Mio. Barrel. Ausschlaggebend waren deutlich niedrigere Rohölimporte welche die geringfügig gesunkene Raffinerieauslastung mehr als kompensierten.
Die US-Rohölvorräte liegen 8,5% unter dem Vorjahresniveau und auf dem niedrigsten Stand seit mehr als acht Monaten. Die Rohölbestände in Cushing fielen um weitere 800 Tsd. Barrel auf den niedrigsten Stand seit 18½ Monaten, was den stärkeren Preisanstieg von WTI erklären kann. Auch die Vorräte an Ölprodukten gingen zurück, bei Benzin um 1,1 Mio. Barrel, bei den Destillate um 700 Tsd. Barrel. Seit Ende Mai sind die US-Rohölbestände um 10% gesunken, die Vorräte in Cushing sogar um 25%. Dennoch ist der Ölpreis im selben Zeitraum um mehr als 10% gefallen. Der Ölpreisanstieg in den Monaten zuvor ging dagegen mit einem Anstieg der US-Rohölvorräte einher. Dies zeigt, dass die Fundamentaldaten in diesem Jahr bislang nur eine untergeordnete Rolle für die Preisentwicklung gespielt haben.
Übergeordnete Themen wie die allgemeine Stimmung an den Finanzmärkten und die Konjunkturerwartungen waren und sind wichtiger. Angesichts der Konjunkturrisiken ist es auch unwahrscheinlich, dass der gestern gemeldete Lagerabbau einen bleibenden Einfluss auf die Ölpreisentwicklung haben wird. Sobald die Konjunktursorgen wieder die Oberhand gewinnen, dürften auch die Ölpreise erneut unter Druck geraten. Von daher dürften die US-Arbeitsmarktdaten morgen und der Fortgang der Euro-Schuldenkrise wichtiger sein als die Lagerdaten.
Edelmetalle
Der Goldpreis handelt am Morgen bei 1.645 USD je Feinunze, nachdem er gestern zeitweise unter die Marke von 1.600 USD je Feinunze gefallen war. Der Goldpreis ist derzeit nicht nur äußerst volatil, sondern bewegt sich auch weitgehend im Einklang mit den Aktienmärkten. Diese sind gestern infolge nachlassender Rezessionsängste und aufkommender Hoffnungen auf eine Rekapitalisierung des europäischen Bankensektors deutlich gestiegen.
Das derzeit ungewöhnliche Verhalten von Gold ist mit den Aktivitäten auf dem Futures-Markt zu erklären. Bei steigenden Aktienmärkten sinkt die Notwendigkeit von Zwangsverkäufen. Allerdings besteht unter den Finanzanlegern noch immer ein Überhang an spekulativen Long-Positionen, welche bei steigenden Preisen aufgelöst werden dürften. Wenn infolge dieser Glattstellungen die Preise wie gestern geschehen deutlich nachgeben, setzt bei niedrigen Preisen physisches Kaufinteresse ein. Dieses Verhaltensmuster dürfte den Goldpreis noch für einige Zeit in einer breiten Seitwärtsspanne schwanken lassen, ehe ein neuer Aufwärtstrend einsetzt.
Heute dürfte sich das Interesse vor allem auf die EZB-Sitzung richten, welche gleichzeitig die letzte von EZB-Präsident Trichet sein wird. Während der Markt mit einer Zinssenkung rechnet, gehen wir davon aus, dass die Zinsen unverändert belassen werden. In diesem Fall könnte der Euro und damit auch der Goldpreis Unterstützung erhalten.
Industriemetalle
Die Stimmung bleibt nervös, die Märkte volatil: Kupfer beispielsweise fiel gestern zwischenzeitlich auf 6700 USD je Tonne, konnte sich aber dank der Stabilisierung des allgemeinen Marktumfeldes im späten Handel bis auf 7000 USD je Tonne erholen. Das klassische Konjunkturbarometer hat seit Ende August stärker eingebüßt als der Metallindex der Londoner Börse insgesamt. Relative „Stärke“ zeigte dagegen in den letzten Wochen Zink, nachdem es sich in den letzten zweieinhalb Jahren aufgrund eines enormen Angebotsüberschusses merklich weniger verteuert hatte als die übrigen Industriemetalle. L
aut WBMS war am Zinkmarkt im letzten Jahr von Januar bis Juli ein Überschuss von gut 200 Tsd. Tonnen zu verbuchen, dieses Jahr ist er mit 385 Tsd. Tonnen fast doppelt so hoch. Dennoch: die jüngsten Lagerbestandsdaten schürten die Hoffnung, dass der Trend gestoppt ist: So sind die Zinklagerbestände an der LME von ihrem Hoch Mitte Juli immerhin um 8% bzw. 75 Tsd. Tonnen gesunken. Auch die gekündigten Lagerscheine, die Hinweis auf künftige Abflüsse geben, sind zwar etwas niedriger als Ende Juli, bleiben aber auf hohem Niveau. Noch stärker ist der Abbau der Lagerbestände in Shanghai. Hier wurden die Vorräte seit dem 8. August um 32% bzw. 115 Tsd. Tonnen geräumt.
Ob sich diese Tendenz fortsetzt und damit den Zinkpreis weiter Unterstützung gibt, ist aber fraglich: zwei japanische Unternehmen melden, ihre Zinkproduktion in der zweiten Hälfte des laufenden Fiskaljahres (Okt./März) steigern zu wollen: Mitsui um 12,3% ggü. Vorjahr auf knapp 117 Tsd. Tonnen und Toho Zinc um 14% auf knapp 65 Tsd. Tonnen.
Agrarrohstoffe
Die Getreidepreise konnten sich gestern im Einklang mit den anderen Rohstoffpreisen deutlich erholen. Mais stieg um 3% und notiert wieder über der Marke von 6 USD je Scheffel. Weizen legte sogar um 3,5% auf 6,25 USD je Scheffel zu. Neben der allgemeinen Marktentwicklung gab es aber auch marktspezifische Nachrichten, welche den Preisanstieg begünstigten. So senkte der Analysedienst Informa seine Prognose für die diesjährige US-Maisernte aufgrund niedrigerer Flächenerträge auf 12,52 Mrd. Scheffel. Informa liegt mit seiner gesenkten Schätzung noch immer etwas höher als die Schätzung des US-Landwirtschaftsministeriums mit 12,49 Mrd. Scheffel. Das USDA gibt seine neuen Zahlen am kommenden Mittwoch bekannt.
Dass der Maispreis dennoch mit dem stärksten Tagesanstieg seit mehr als einem Monat reagierte, dürfte auch auf den übertriebenen Preisrückgang in den Wochen zuvor zurückzuführen sein. Zudem gibt es Spekulationen darüber, dass China das niedrigere Preisniveau zu Maiskäufen nutzen könnte. Die chinesische Regierung hat die Freigabe von 3,7 Mio. Tonnen Mais aus den staatlichen Reserven bekanntgegeben hat, um die hohen inländischen Preise zu dämpfen. Die Weizenpreise profitieren von der Aussicht auf Trockenheit in den Winterweizenanbaugebieten im Mittleren Westen der USA, was einige spekulativen Anleger veranlasst haben könnte, Short-Positionen aufzulösen.
DOE Daten: US-Lagerbestände Rohöl, Ölprodukte und Erdgas
Terminkurven ausgewählter Rohstoffe: aktuell, vor einer Woche und vor einem Monat
© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst
Quelle: Commerzbank AG, Corporates Markets
Diese Ausarbeitung dient ausschließlich Informationszwecken und stellt weder eine individuelle Anlageempfehlung noch ein Angebot zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren oder sonstigen Finanzinstrumenten dar. Sie soll lediglich eine selbständige Anlageentscheidung des Kunden erleichtern und ersetzt nicht eine anleger- und anlagegerechte Beratung. Die in der Ausarbeitung enthaltenen Informationen wurden sorgfältig zusammengestellt. Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit kann jedoch nicht übernommen werden. Einschätzungen und Bewertungen reflektieren die Meinung des Verfassers im Zeitpunkt der Erstellung der Ausarbeitung und können sich ohne vorherige Ankündigung ändern.
Der Brentölpreis legte gestern um 3% zu und handelt am Morgen bei 102,5 USD je Barrel. WTI stieg sogar um 5% auf 80 USD je Barrel. Auslöser für den Preissprung war ein unerwartet kräftiger Rückgang der US-Rohöllagerbestände in der vergangenen Woche um 4,7 Mio. Barrel. Ausschlaggebend waren deutlich niedrigere Rohölimporte welche die geringfügig gesunkene Raffinerieauslastung mehr als kompensierten.
Die US-Rohölvorräte liegen 8,5% unter dem Vorjahresniveau und auf dem niedrigsten Stand seit mehr als acht Monaten. Die Rohölbestände in Cushing fielen um weitere 800 Tsd. Barrel auf den niedrigsten Stand seit 18½ Monaten, was den stärkeren Preisanstieg von WTI erklären kann. Auch die Vorräte an Ölprodukten gingen zurück, bei Benzin um 1,1 Mio. Barrel, bei den Destillate um 700 Tsd. Barrel. Seit Ende Mai sind die US-Rohölbestände um 10% gesunken, die Vorräte in Cushing sogar um 25%. Dennoch ist der Ölpreis im selben Zeitraum um mehr als 10% gefallen. Der Ölpreisanstieg in den Monaten zuvor ging dagegen mit einem Anstieg der US-Rohölvorräte einher. Dies zeigt, dass die Fundamentaldaten in diesem Jahr bislang nur eine untergeordnete Rolle für die Preisentwicklung gespielt haben.
Übergeordnete Themen wie die allgemeine Stimmung an den Finanzmärkten und die Konjunkturerwartungen waren und sind wichtiger. Angesichts der Konjunkturrisiken ist es auch unwahrscheinlich, dass der gestern gemeldete Lagerabbau einen bleibenden Einfluss auf die Ölpreisentwicklung haben wird. Sobald die Konjunktursorgen wieder die Oberhand gewinnen, dürften auch die Ölpreise erneut unter Druck geraten. Von daher dürften die US-Arbeitsmarktdaten morgen und der Fortgang der Euro-Schuldenkrise wichtiger sein als die Lagerdaten.
Edelmetalle
Der Goldpreis handelt am Morgen bei 1.645 USD je Feinunze, nachdem er gestern zeitweise unter die Marke von 1.600 USD je Feinunze gefallen war. Der Goldpreis ist derzeit nicht nur äußerst volatil, sondern bewegt sich auch weitgehend im Einklang mit den Aktienmärkten. Diese sind gestern infolge nachlassender Rezessionsängste und aufkommender Hoffnungen auf eine Rekapitalisierung des europäischen Bankensektors deutlich gestiegen.
Das derzeit ungewöhnliche Verhalten von Gold ist mit den Aktivitäten auf dem Futures-Markt zu erklären. Bei steigenden Aktienmärkten sinkt die Notwendigkeit von Zwangsverkäufen. Allerdings besteht unter den Finanzanlegern noch immer ein Überhang an spekulativen Long-Positionen, welche bei steigenden Preisen aufgelöst werden dürften. Wenn infolge dieser Glattstellungen die Preise wie gestern geschehen deutlich nachgeben, setzt bei niedrigen Preisen physisches Kaufinteresse ein. Dieses Verhaltensmuster dürfte den Goldpreis noch für einige Zeit in einer breiten Seitwärtsspanne schwanken lassen, ehe ein neuer Aufwärtstrend einsetzt.
Heute dürfte sich das Interesse vor allem auf die EZB-Sitzung richten, welche gleichzeitig die letzte von EZB-Präsident Trichet sein wird. Während der Markt mit einer Zinssenkung rechnet, gehen wir davon aus, dass die Zinsen unverändert belassen werden. In diesem Fall könnte der Euro und damit auch der Goldpreis Unterstützung erhalten.
Industriemetalle
Die Stimmung bleibt nervös, die Märkte volatil: Kupfer beispielsweise fiel gestern zwischenzeitlich auf 6700 USD je Tonne, konnte sich aber dank der Stabilisierung des allgemeinen Marktumfeldes im späten Handel bis auf 7000 USD je Tonne erholen. Das klassische Konjunkturbarometer hat seit Ende August stärker eingebüßt als der Metallindex der Londoner Börse insgesamt. Relative „Stärke“ zeigte dagegen in den letzten Wochen Zink, nachdem es sich in den letzten zweieinhalb Jahren aufgrund eines enormen Angebotsüberschusses merklich weniger verteuert hatte als die übrigen Industriemetalle. L
aut WBMS war am Zinkmarkt im letzten Jahr von Januar bis Juli ein Überschuss von gut 200 Tsd. Tonnen zu verbuchen, dieses Jahr ist er mit 385 Tsd. Tonnen fast doppelt so hoch. Dennoch: die jüngsten Lagerbestandsdaten schürten die Hoffnung, dass der Trend gestoppt ist: So sind die Zinklagerbestände an der LME von ihrem Hoch Mitte Juli immerhin um 8% bzw. 75 Tsd. Tonnen gesunken. Auch die gekündigten Lagerscheine, die Hinweis auf künftige Abflüsse geben, sind zwar etwas niedriger als Ende Juli, bleiben aber auf hohem Niveau. Noch stärker ist der Abbau der Lagerbestände in Shanghai. Hier wurden die Vorräte seit dem 8. August um 32% bzw. 115 Tsd. Tonnen geräumt.
Ob sich diese Tendenz fortsetzt und damit den Zinkpreis weiter Unterstützung gibt, ist aber fraglich: zwei japanische Unternehmen melden, ihre Zinkproduktion in der zweiten Hälfte des laufenden Fiskaljahres (Okt./März) steigern zu wollen: Mitsui um 12,3% ggü. Vorjahr auf knapp 117 Tsd. Tonnen und Toho Zinc um 14% auf knapp 65 Tsd. Tonnen.
Agrarrohstoffe
Die Getreidepreise konnten sich gestern im Einklang mit den anderen Rohstoffpreisen deutlich erholen. Mais stieg um 3% und notiert wieder über der Marke von 6 USD je Scheffel. Weizen legte sogar um 3,5% auf 6,25 USD je Scheffel zu. Neben der allgemeinen Marktentwicklung gab es aber auch marktspezifische Nachrichten, welche den Preisanstieg begünstigten. So senkte der Analysedienst Informa seine Prognose für die diesjährige US-Maisernte aufgrund niedrigerer Flächenerträge auf 12,52 Mrd. Scheffel. Informa liegt mit seiner gesenkten Schätzung noch immer etwas höher als die Schätzung des US-Landwirtschaftsministeriums mit 12,49 Mrd. Scheffel. Das USDA gibt seine neuen Zahlen am kommenden Mittwoch bekannt.
Dass der Maispreis dennoch mit dem stärksten Tagesanstieg seit mehr als einem Monat reagierte, dürfte auch auf den übertriebenen Preisrückgang in den Wochen zuvor zurückzuführen sein. Zudem gibt es Spekulationen darüber, dass China das niedrigere Preisniveau zu Maiskäufen nutzen könnte. Die chinesische Regierung hat die Freigabe von 3,7 Mio. Tonnen Mais aus den staatlichen Reserven bekanntgegeben hat, um die hohen inländischen Preise zu dämpfen. Die Weizenpreise profitieren von der Aussicht auf Trockenheit in den Winterweizenanbaugebieten im Mittleren Westen der USA, was einige spekulativen Anleger veranlasst haben könnte, Short-Positionen aufzulösen.
DOE Daten: US-Lagerbestände Rohöl, Ölprodukte und Erdgas
Terminkurven ausgewählter Rohstoffe: aktuell, vor einer Woche und vor einem Monat
© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst
Quelle: Commerzbank AG, Corporates Markets
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