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Nervosität und Unsicherheit dominierend

20.10.2011  |  Folker Hellmeyer
Nervosität und Unsicherheit dominierend - danke an die UBS für den Chart ...

Der Euro eröffnet heute Morgen (07.45 Uhr) bei 1.3705, nachdem heute im frühen europäischen Geschäft Tiefstkurse der letzten 24 Handelsstunden bei 1.3688 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 76.75. In der Folge notiert EUR-JPY bei 105.15, während EUR-CHF bei 1.2430 oszilliert.

Unsicherheit und Nervosität bestimmen den internationalen Finanzmarkt. Nach ein wenig Euphorie über mögliche nachhaltige Lösungsansätze beim Eurogipfel stellt sich auch immer wieder schnell bittere Nüchternheit ein. Gestern stand das kurzfristig anberaumte Treffen zwischen Frau Dr. Merkel und Herr Sarkozy im Fokus und brachte die Gerüchteküche in Schwung.

Gestern kam es kurzfristig zu einem Treffen von Kanzlerin Merkel und Präsident Sarkozy bezüglich der Eurodefizitkrise. Auch Frau Lagarde nahm neben anderen politischen Schwergewichten teil. Beobachter wollen einen Einigungsmangel zwischen Paris und Berlin als Grundlage des Gesprächs erkennen. Das mag sein. Kann es aber nicht auch sein, dass der große Wurf noch ein paar Gespräche vis’ a vis erforderlich macht? So viel zu unserem Beitrag zur Gerüchteküche …

Nein welch ein Irrtum, aus anderen politischen Kreisen der Eurozone verlautet, dass die Erwartungen auf einen großen Wurf bei dem anstehenden Euro-Gipfel nicht berechtigt seien. Gut, das nehmen wir dann unter Umständen als "hanseatisches Understatement" zur Kenntnis …. oder ist doch mehr an diesen Warnungen unter anderem aus Finnland dran. Die hier dargebrachte Verbalakrobatik soll das Thema Unsicherheit und Nervosität unterstreichen.

Wenden wir uns der normativen Kraft des Faktischen zu und bemühen uns die Emotionalität des Finanzmarktes auszublenden.
  • Fakt ist, dass der Druck auf Europa seitens der G-20 Gemeinde deutlich erhöht wurde.
  • Fakt ist, dass Griechenland das eigentliche Problem darstellt.
  • Fakt ist, dass die übrigen Länder mit ihren Reformen gut unterwegs sind.
  • Fakt ist, dass die "Machtachse" von gestern und "noch" heute bemüht ist, den Reformprozess durch unangemessene Störfeuer zu unterminieren. Dazu gehören asymmetrisch zu Lasten der Eurozone vorgenommene Herabstufungen unter Ausblendung des Kardinalproblems USA.

Wie kann vor einem solchen faktischen Hintergrund Europa zauderlich reagieren? Es ist richtig seitens der Politik, positive Erwartungen nicht ins Kraut schießen zu lassen. Gibt es eine Garantie für diese eher positive Sichtweise? Nein, und da sind wir wieder bei dem Thema Unsicherheit.

Wenden wir uns jedoch noch einmal dem Thema Ratingagenturen zu. Den Artikel von Reuters lassen wir unkommentiert im Raum stehen. Wir halten ihn für beachtlich.

Berlin , 20. Okt (Reuters) - EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier will den Ratingagenturen nach einem Zeitungsbericht die Veröffentlichung von Bonitätsbewertungen von kriselnden EU-Ländern verbieten. Die "Financial Times Deutschland" berief sich in einem entsprechenden Bericht vom Donnerstag auf einen ihr vorliegenden Vorab-Entwurf für eine Reform des Gesetzes zu den Ratingagenturen. Darin schlage Barnier vor, dass die neue europäische Wertpapieraufsicht ESMA das Recht erhalten soll, unter bestimmten Bedingungen die Veröffentlichung von solchen Länderratings "vorübergehend zu untersagen".

Die Bonitätsbewertungen der Ratingagenturen sind den europäischen Politikern schon seit langem ein Dorn im Auge. Bonitätsherabstufungen haben die Anleihen von Euro-Krisenländern regelmäßig an den Märkten unter Druck gebracht und die Finanzierungsbedingungen dieser Länder teils massiv verschlechtert. Kritiker werfen den Agenturen immer wieder vor, Fehlentwicklungen zu überzeichnen und damit zu verstärken. Zudem wird bemängelt, dass der Markt der Ratingagenturen von drei großen Anbietern aus dem angloamerikanischen Raum dominiert wird. Viele europäische Politiker fordern daher inzwischen den Aufbau einer europäischen Ratingagentur.

Der Kommission geht es dem Zeitungsbericht zufolge um Staaten, die über Finanzhilfen verhandeln - etwa um Gelder aus dem Euro-Rettungsschirm EFSF oder des IWF. Mit einem vorübergehenden Veröffentlichungsverbot ihrer Ratings solle verhindert werden, dass diese zu einem "unangebrachten Moment" in Umlauf kommen und daraus negative Folgen für ihre Finanzstabilität bis hin zu destabilisierende Wirkungen auf die Weltwirtschaft entstehen. Barnier habe seine Initiative für spätestens November avisiert. Vor Herbst 2012 könnte die Änderung also kaum in Kraft treten.

Diese Einlassungen seitens der EU sind umfänglich verständlich. Das gilt vor dem Hintergrund des nachfolgenden Charts um so mehr. Wir bedienen uns eines Charts aus der Publikation "Zinsgeflüster" der UBS von heute und bedanken uns herzlich für die Genehmigung, den Chart hier präsentieren zu dürfen.

Der nachfolgende Chart belegt, dass bezüglich Verschuldungshöhe (linke Skalierung) und Schuldendienst in % der Einnahmen (horizontale Skalierung) Großbritannien die Werte von Portugal und die USA die Werte Irlands aufweisen.

Natürlich sind das nur zwei von vielen Variablen, die für Bonitätsbewertungen genutzt werden. Es ist aber auch anzumerken, dass Irland und Portugal sich massiv reformieren und die USA den Begriff Reform nicht ansatzweise in ihrem aktuellen Sprachschatz in Washington kennen!

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Europa schafft Zukunftsfähigkeit - das unterscheidet uns vor allen Dingen von den USA und Japan. Diese Politikansätze verdienen Vertrauen und nicht Herabstufungen in die Kapitalmarktunfähigkeit. Naivität der europäischen Politik ist ob der Aktivitäten aus NY und London vollkommen fehl am Platze!


Wir verzichten heute aus Zeitmangel auf eine umfassende Kommentierung der gestrigen Wirtschaftsdaten.

Italien überraschte mit starken Daten aus der Industrie. Aufträge nahmen im August im Monatsvergleich um 5% und im Jahresvergleich um 10,5% nach 6,5% zu. Der Absatz verzeichnete einen Anstieg im Monatsvergleich um 4,0% und im Jahresvergleich um 12,0% nach zuvor 7,7%.

Das Leistungsbilanzdefizit der Eurozone stellte sich per August auf -6,3 Mrd. Euro nach zuvor -2,0 Mrd. Euro (revidiert von -3,2 Mrd. Euro).

Die US-Verbraucherpreise legten im Monatsvergleich per September um 0,3% und im Jahresvergleich um 3,9% (Prognose 3,8%) zu.

Neubaubeginne stellten sich per September auf annualisiert 658.000 (Prognose 590.000) nach zuvor 572.000.

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den Euro gegenüber dem USD favorisiert. Ein Unterschreiten der Unterstützungszone bei 1.3320 - 50 neutralisiert den positiven Bias.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank





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