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Die Ansteckung via CDS läuft - wenn deutsche Ordnungspolitik zur Gefahr wird …

16.11.2011  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute (07.43 Uhr) bei 1.3450, nachdem im asiatischen Handel Tiefstkurse der letzten 24 Handelsstunden bei 1.3438 markiert wurden. Der USD stellte sich gegenüber dem JPY auf 77.05. In der Folge notiert EUR-JPY bei 103.60, während EUR-CHF bei 1.2375 oszilliert.

Vertreter der deutschen Regierungspolitik und auch ein wesentlicher Protagonist der deutschen Zentralbank sind immer wieder in der Lage das Feuer der Spekulation gegen Europa neu zu entfachen. Dabei sehen diese von deutscher Seite vorgetragenen Positionen auf ersten Blick sehr charmant aus. Sie entsprechen sauberer Ordnungspolitik.

Eine stille Refinanzierung der Staatshaushalte soll es über die EZB auf keinen Fall geben, heißt es unisono aus Berlin und Frankfurt. Das ist aus stabilitätspolitischen Aspekten grundsätzlich ehrenhaft. In einer normalverteilten Situation würde ich dem zu 100% zustimmen. Hier gilt es aber zunächst, über Interventionen und Reformen erst einmal zu einer normalverteilten Lage zurückzukommen!

Für eine virulente Situation einer Krise, die durch Spekulation und nicht sachliche Diskontierung geprägt ist, aber auch eine politische Tendenz aufweist, sind andere Maßnahmen erforderlich. Hier wird ein stoischer Ansatz der Ordnungspolitik zur Gefahr für Volkswirtschaften, Gesellschaften und die politische Stabilität. Gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht! Im Gegenteil - die deutsche Position wird zur Einladung für die Spekulation gegen Europa. Die Politik will Eigenkapitalunterlegung der Staatsanleihen bei angespannter EK-Lage des Finanzsektors umsetzen.

Wer soll europäische Staatsanleihen kaufen? Die EZB soll es nicht? Die klassische Finanzkulisse kann es wegen EK-Lage nicht. Wird in Berlin und Frankfurt eigentlich sauber räsoniert, was hier an verbaler Einladung an die Spekulation formuliert wird? Ist es den Protagonisten in Berlin und Frankfurt bewusst, dass sie ganze Nationen damit in äußerst prekäre und sachlich vollkommen unangemessene Lagen bringt?

Was nützt monetäre Stabilität schlussendlich, wenn durch unangemessene Spekulation die Volkswirtschaften und Gesellschaften als auch die politische Stabilität der Teilnehmerländer zerstört werden? Welcher Stabilitätsauftrag ist wichtiger? Zumal das Inflationspotential der Aufkäufe durch Geldmarktgeschäfte neutralisiert werden kann und seitens der EZB bisher neutralisiert wird.

Wollen sich deutsche Protagonisten dann im Chaos brennender Ruinen darauf berufen, dass man monetär aber ordnungspolitisch unanfechtbar gehandelt hätte?

Wir haben Irland mit einer freien Liquiditätsreserve von 25% des BIP (!!!!), die Irland theoretisch bis 2013 von jedweden Kapitalmarktzwängen befreit hätte (laut IWF eine Schuldentragfähigkeit von 250% des BIP), per Herbst 2010 zum Opfer der Spekulation unserer „Freunde“ werden lassen. Viel meiner Kollegen wussten noch nicht einmal von dieser Liquidtätsreserve ….

Wollen wir jetzt noch mehr Schaden anrichten lassen? Gestern lief die Spekulation gegen Belgien, Österreich und Finnland an. Je mehr Länder verbrannt werden, desto näher kommt das Feuer an Deutschland heran. Wer glaubt, inmitten einer von einem Brandstifter gelegten Feuer in der Feuersbrunst ungeschoren davon zu kommen, vertritt eine sehr ambitionierte Sichtweise. Es gilt für die deutsche und europäische Politik das „Spiel“ zu erkennen! In Fragen der Neuverschuldung, der Gesamtverschuldung und der Reformpolitik sind wir „Champion“ im Vergleich zu USA, Japan und UK. Wann entwickeln wir den notwendigen Respekt vor unserer Leistung? Mehr noch ist aus dieser Position unabdingbare Solidarität zwingende Grundvoraussetzung. Daran mangelt es seit 18 Monaten mit der Folge einer latenten Verschärfung der Krise.

Selten stimme ich mit Tim Geithner überein. Im folgenden Punkt liegt er m eines Erachtens richtig: „Es gäbe viele Wege für die EZB eine stärker unterstützende Rolle zu spielen!“ Fakt ist, dass die USA, dass das UK und dass Japan genau diese Politik verfolgen und damit die Unruhe an den Kapitalmärkten unterbinden.


Wenden wir uns den gestern veröffentlichten Wirtschaftsdaten zu:

(Alle Charts © Moody’s Economy.com)

Der deutsche ZEW-Index sank per Berichtsmonat November von zuvor -48,3 auf -55,2 Punkte (Prognose -52,0). Unsere Finanzmarktprofis bewerten die Lage damit so negativ wie im Oktober 2008. Offensichtlich setzt man ein Scheitern der Eurozone voraus, ansonsten wären derartige Bewertungen kaum erklärlich. Die Bewertung der aktuellen Lage reüssiert dagegen mit +34,2 nach +38,4 zuvor (Prognose +33,0). Diesen Spagat nehmen wir zur Kenntnis …

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Die erste Schätzung des BIP der Eurozone per 3. Quartal 2011 stellte sich auf 0,2% im Quartalsvergleich und 1,4% im Jahresvergleich. Das entsprach exakt der Prognose.

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Die Handelsbilanz der Eurozone lieferte per September einen Überschuss in Höhe von +2,9 Mrd. Euro (Prognose 0,3 Mrd. Euro) nach zuvor -4,4 Mrd. Euro (revidiert von -3,4 Mrd. Euro). Im Gegensatz zu den USA oder Großbritannien ergibt sich hier keine aggressive Defizitsituation …

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Der NY-Fed Manufacturing Index setzte per Berichtsmonat November mit einem Anstieg von -8,48 auf +0,61 (Prognose -2,10) einen deutlich positiven Akzent.

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Die US-Erzeugerpreise sanken per Oktober im Monatsvergleich um -0,3% (Prognose -0,1%). Im Jahresvergleich ergab sich ein Anstieg in Höhe von 5,9% (Prognose 6,3%) nach zuvor 6,9%.

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Die US-Einzelhandelsumsätze verzeichneten eine Zunahme um 0,5% im Monatsvergleich. Die Prognose lag bei 0,3%. Im Jahresvergleich stellte sich ein Anstieg in Höhe von 7,2% nach zuvor 7,9% ein. dabei ist zu beachten, dass diese Werte nicht inflationsbereinigt sind …. Also keine
Euphorie bitte …

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Der ZEW-Index ist irritierend, das Wachstum der Eurozone ist für die aggressiven Reformansätze und die aktuelle Stimmungslage bemerkenswert. Die Handelsbilanz liefert keinen Grund zur Sorge. Die Daten aus den USA überraschen weitgehend positiv. Das Bild ist derzeit nicht mit 2008/2009 vergleichbar. Nur für den Fall, dass Europa seine Hausaufgaben nicht macht und Deutschland unter Hybris leiden sollte, ergeben sich markante Risiken!

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das zunächst eine neutrale Haltung in der Parität EUR-USD favorisiert. Ein nachhaltiger Ausbruch aus der Bandbreite 1.3350 - 1.3880 eröffnet neue Opportunitäten.

Viel Erfolg!


Post Scriptum: Reuters

17:41 15Nov11 -FOKUS 2-EU will in Euro-Krise Macht der Ratingagenturen brechen

* Rotationsprinzip für Rating-Agenturen
* Moody's und Co müssen mit mehr Konkurrenz rechnen
* Ungedeckte Leerverkäufe und CDS werden verboten

Brüssel, 15. Nov (Reuters) - Die EU will die Rating-Agenturen mit ihren folgenreichen Noten für die Bonität von Staaten angesichts der Euro-Schuldenkrise an die Kette legen. Mit schärferen Vorschriften soll vor allem der Einfluss der drei großen Rating-Agenturen Moody's, Standard & Poor's und Fitch Ratings begrenzt werden. Die Agenturen hätten schwere Fehler gemacht und Herabstufungen auf Staatsanleihen zur Unzeit veröffentlicht, kritisierte EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier am Dienstag in Straßburg. Er will die Dominanz der drei Marktführer aus den USA brechen. Kleinere Konkurrenten sollen stärker ins Geschäft kommen, indem die Emittenten eine Agentur höchstens drei Jahre lang beauftragen dürfen. Das Europäische Parlament beschloss in Straßburg außerdem ein prinzipielles Verbot von schädlichen Spekulationen auf fallende Kurse von Staatsanleihen.

"Wir sind nicht hier, um den Überbringer der Botschaft zu erschießen", sagte Barnier. Doch die Agenturen dürften die Probleme eines Emittenten nicht noch verschlimmern. Die Kreditwächter müssen sich schon seit 2010 registrieren und überwachen lassen. Doch vor dem Hintergrund der Schuldenkrise hat die EU vor allem vier Mängel ausgemacht: Die Bewertung der Bonität staatlicher Emittenten ist wenig durchschaubar; die Anleger verlassen sich wegen vieler gesetzlicher Regeln zu stark auf die Noten der Agenturen; diese sind nicht unabhängig genug von den Emittenten, die sie bezahlen; der Markt wird von den drei großen, in den USA ansässigen Anbietern dominiert.

Um die Unabhängigkeit der Agenturen zu stärken und den rund zehn kleineren Konkurrenten der großen Drei mehr Chancen zu geben, will die EU eine Rotationsregel einführen. Eine Agentur darf in der Regel nur zehn aufeinander folgende Produkte eines Emittenten bewerten oder die Anleihen eines Kunden maximal drei Jahre benoten. Die Kommission rüttelte jedoch nicht am umstrittenen Prinzip, dass der Emittent und nicht der Investor für die Benotung bezahlt. Um Gefälligkeitsurteile zu verhindern, gibt es jedoch Vorgaben zur Gebührengestaltung.

BARNIER KÜNDIGT NACHARBEIT AM GESETZENTWURF AN

Zum Ärger der Politiker hatten die Agenturen etwa die Bonitätsnoten von Spanien, Portugal oder Griechenland herabgesetzt, kurz nachdem diese umfassende Sparprogramme im Kampf gegen die hohe Staatsverschuldung angekündigt hatten. Die Vorwarnzeit über Notenänderungen an die Emittenten soll künftig auf einen Arbeitstag verlängert werden. Die Bewertung von Staaten muss außerdem ausführlicher begründet werden. Barnier verschob jedoch den Vorschlag, die Bekanntgabe von Ratings für Krisenländer zeitweise von der Aufsicht verbieten zu lassen. Dazu müssten die Kriterien noch genauer festgelegt werden. Auch eine Ahndung von Fehlern, wie sie kürzlich Standard & Poor's mit einer fälschlich versandten, noch gar nicht entschiedenen Herabstufung Frankreichs von seiner Bestnote unterlief, könnte Barnier zufolge im Lauf der Beratungen des Europäischen Parlaments und der EU-Staaten noch in das Gesetz eingebaut werden. In die ferne Zukunft verschob die Kommission den Versuch, eine europäische Ratingagentur per Gesetz zu schaffen. Zu teuer und womöglich nicht glaubwürdig genug wäre eine staatlich finanzierte Institution, so die Begründung.

Standard & Poor's kritisierte, durch die europäischen Vorschriften gäbe es keinen global einheitlichen Maßstab mehr zur Beurteilung der Kreditwürdigkeit. "Dies führt dazu, dass für Investoren weniger Ratings zur Verfügung stehen, dass die Qualität der Ratings nachlässt, und dass die Unabhängigkeit der Ratings leidet", erklärte eine Sprecherin.

KEINE WETTEN AUF STAATSPLEITEN MEHR

Faktisch verboten sind in der EU künftig ungedeckte Leerverkäufe von Aktien und Anleihen sowie ungedeckte Kreditausfallversicherungen (CDS) auf Staatsanleihen. Mit den Wertpapieren konnten Anleger bisher auf ein wachsendes Pleiterisiko staatlicher Anleiheemittenten setzen, ohne die Anleihen besitzen zu müssen. Das Verbot kann von den nationalen Behörden jedoch aufgehoben werden, wenn es zu sinkender Nachfrage nach Staatsanleihen und steigenden Zinsen führen würde. Das Europäische Parlament und Deutschland, das als erster EU-Staat im Alleingang wegen der Griechenland-Krise ungedeckte Leerverkäufe verbot, hatten für die Regelung gekämpft. Der Widerstand der anderen EU-Staaten dagegen war angesichts der immer schärferen Schuldenkrise geschwunden. Die Verordnung kann nach Abschluss der Feinarbeit aber erst Ende 2012 vollständig inkraft treten.

(Reporterin: Ilona Wissenbach; redigiert von Sören Amelang) ((ilona.wissenbach@thomsonreuters.com)(++32 2287 6840)(Reuters Messaging: ilona.wissenbach.thomsonreuters.com@reuters.net)) Tuesday, 15 November 2011 17:41:23RTRS [nL5E7MF3L7] {C}ENDS


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank



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