Wo ist die Druckerpresse der EZB?
25.11.2011 | John Mauldin
- Wo bekomme ich 3 Billionen Euro her?
- Wenn der Hebel auf dich zurückschlägt
- Das Dilemma Deutschlands
- Wie kann das Problem der Eurozone gelöst werden?
- Wo ist die Druckerpresse der EZB?
Europa bleibt im Fokus der Märkte, und das zu Recht. Das Gesamtbild gestaltet sich jedoch nicht so deutlich, wie wir es gerne hätten. Verschiedene Analysten weisen auf verschiedene Probleme hin - "Wenn nur dieses eine Problem gelöst würde, wäre die Situation gerettet", pflegen sie zu sagen. Leider gibt es nicht nur ein, sondern gleich drei Probleme, die es zu lösen gilt, wobei keines davon einfach zu lösen ist. In diesem Newsletter versuche ich, eine Lösung zu finden und eine grundlegende Einführung in die Problematik, vor der Europa derzeit steht, zu geben. Hierbei besteht meine persönliche Herausforderung darin, dies in Form eines relativ kurzen Artikels und nicht in Form eines ganzen Buchbandes, das angesichts dieser Thematik jedoch leicht zustande käme, tue.
Auch wenn diese Abhandlung demnach nicht so umfassend ist wie gewöhnlich, hilft es meiner Meinung nach, sich das Gesamtbild zunächst aus der Ferne anzusehen, bevor wir ins Detail gehen.
Wo bekomme ich 3 Billionen Euro her?
Erstens, nur für das Protokoll, stellt das Problem Europas keine Vertrauenskrise dar, wie es uns Merkel, Sarkozy und andere immer wieder weismachen wollen. Das Problem ist struktureller Natur. Solange diese strukturellen Schwierigkeiten nicht geklärt werden, wird man auch die Krise nicht lösen können.
Das erste Problem Europas sticht sofort ins Auge: Die Staatsschulden Griechenlands, Irlands, Spaniens, Italiens, Portugals und Belgiens sind einfach zu hoch. Das ist nichts Neues. Was jedoch von den Märkten noch aufgenommen werden muss, sind die Kosten der aktuellen und künftigen Rettungsmaßnahmen, die sich Schätzungen zufolge auf ungefähr 3 Billionen Euro belaufen werden (die Boston Consulting Group rechnet mit 6 Billionen Euro). 3 Billionen Euro sind kein Pappenstiel. Das Ausmaß ist nur schwer vorstellbar.
Den Griechen wurde erzählt, dass private Gläubiger 50% ihrer Staatsanleihen abschreiben sollen, was jedoch nicht für öffentliche Gläubiger wie den IWF und die EZB gilt. Dies entspricht einem Schuldenschnitt der Gesamtschulden von etwas mehr als 20-30%. Sean Egan ist der Meinung, dass Griechenland letztendlich nahezu 90% abschreiben wird. Dieser Betrag kann von den führenden europäischen Kreisen gar nicht in Betracht gezogen, da ein solcher Betrag ausreicht, um eine ernsthafte Bankenkrise auszulösen.
Das ist erst der Anfang der ganzen Problematik. Portugal wird eine Abschreibung von mindestens 40% benötigen (wahrscheinlich mehr!). Irland hat weniger Schulden, als während der Bankenkrise angenommen wurde. Während es auf dem Papier so aussieht, als würde Spanien überleben können, steckt sein Bankensektor in Wahrheit in großen Schwierigkeiten. Wenn die Spanier die Solvenz ihrer Banken gewährleisten wollen, wird ihre Schuldenlast ins Unermessliche wachsen, ganz abgesehen davon, dass ihre Schulden Monat für Monat durch ihre anderen erheblichen Defizite wachsen und sie anscheinend nicht bereit sind, diese zu reduzieren.
Das Defizit der spanischen Regierung wird sich im nächsten Jahr wahrscheinlich auf mindestens 7% belaufen, was deutlich über dem geplanten Wert von 6% liegt. Die "halbautonomen Regionen" sind in großen Schwierigkeiten und ihre Bewohner sind wegen des kreditfinanzierten Immobilienüberschusses in großen Schwierigkeiten. Die Arbeitslosenquote in Spanien liegt bei 21%, die Jugendarbeitslosigkeit bei 40%.
Die spanische Regierung hat sich mit der neuen Idee angefreundet, dass man seine Rechnungen nicht bezahlt, das Defizit auf diese Weise nicht mehr so groß sein wird und man so der Zielerreichung näher kommt.Die Rendite für spanische Staatsanleihen liegen bei ungefähr 1% unter der Rendite italienischer Anleihen, aber lassen Sie uns noch eine Weile warten.
Einen weiteren Faktor stellt Italien dar. Italien ist einfach zu groß, um zu sparen. Ja, es sieht vielleicht so aus, als ob Berlusconi sein Amt niederlegt, aber er ist nicht das wahre Problem. Das Problem liegt bei einer Rendite von 7% für die 10jährigen Anleihen bei einer Verschuldung von 120% des BIP, die auch noch weiter wächst. Auf Italien wird wahrscheinlich bald eine Rezession zukommen, wodurch sich das Problem verschlimmern wird. Ein Rückgang des BIPs, während das Defizit steigt, bedeutet einen schnelleren Anstieg der Staatsschuldenquote.
Das bedeutet wiederum, dass der Zinsaufwand schneller steigt als das (mangelnde) Wirtschaftswachstum. Das Defizit liegt derzeit bei 4,6%. Im Gegensatz dazu liegt das Defizit Deutschlands bei 4,3%. Den Unterschied machen die Schulden. Der Markt realisiert, dass Italiens Schuldenstand in ein paar Jahren bei 150% angelangt sein wird, wenn die Schulden jährlich um 5% steigen. Von einer solchen Höhe gibt es ohne Ausfall kein Zurück mehr und die Märkte sagen: "Diesen Film haben wir schon einmal gesehen und es gibt kein Happy End. Wir verschwinden in der Werbepause."
Der EINZIGE Grund, warum die Renditen Italiens unter 7% gefallen sind, liegt darin, dass die Europäische Zentralbank italienische Anleihen "in Mengen" gekauft hat. Jegliche Rückzüge der EZB vom Kauf italienischer Anleihen und die Renditen gehen zum Mond. Italien muss im kommenden Jahr (im Original fälschlich dieses Jahr, d.Ü.) rund 350 Mrd. € Euro refinanzieren, einschließlich neuer und bestehender Schulden. Die höheren Zinsen werden noch mehr Druck auf das Defizit ausüben.
Schulden, egal ob von einer Person, einer Familie, einer Stadt oder eines Staates, haben immer eine Grenze. Schulden können nicht über die Fähigkeit zur Bedienung dieser Schulden hinaus wachsen. Das ist der Kernpunkt von Rogoffs und Reinhardts epischem Werk "This Time Is Different". Wenn jener Punkt erreicht ist, müssen die Schulden auf irgendeine Art umstrukturiert werden, entweder infolge besserer Konditionen oder einer Art von erklärter Zahlungsunfähigkeit.
Angesichts ihrer Einnahmen haben einige Mittelmeerländer einfach mehr Kredite aufgenommen, als sie tilgen konnte. Und nun befinden wir uns im "Endgame". Wie kann das Schuldenproblem gelöst werden?
Die beste Lösung besteht darin, herauszufinden, wie die Wirtschaft schneller wachsen kann als die Schuldenlast. Mit der Zeit sinkt der Anteil des Schuldendienstes an der Wirtschaft. Der Süden Europas hat aber anscheinend diese Option nicht. Mit Sicherheit nicht Griechenland, Portugal oder Spanien; und in dieser Woche haben wir erfahren, dass die Produktion Italiens um 4,8% gefallen ist. Europa, sogar Deutschland, schlittert in eine Rezession.
Deutschland fordert von den Problem-Staaten, dass sie ihre Defizite durch etwas senken, das man Sparsamkeit nennt. Nicht über seine Verhältnisse zu leben stellt wohl kaum eine neue Idee dar. Es ist selbstverständlich sinnvoll, aber wenn sich ein Staat in der Rezession befindet und zurückschrauben muss, verstärkt sich die Rezession eine Weile nur noch mehr. Von Griechenland 4 Jahre lang eine Senkung des Defizits um 4% jährlich zu fordern, würde bedeuten, dass die griechische Wirtschaft um mindestens 10% schrumpft, wenn nicht sogar mehr. Wie kriegt man Leute dazu, dass sie freiwillig eine relativ lange Zeit der Rezession durchmachen, um ihre Schulden bei den Banken zu begleichen, sogar wenn die Schulden freiwillig von der Regierung übernommen und das Geld für die Bevölkerung ausgegeben wurde und sogar, wenn der Schuldenschnitt bei 50% liegt?
Auch wenn Griechenland den Euro verlässt, wird das eine Krise nach sich ziehen. Mindestens drei Jahre lang wird niemand Griechenland Kredite gewähren. Griechische Banken werden insolvent gehen, die Pensionskassen werden leer sein. Griechenland wird nur noch so viele notwendige Güter (wie Öl, Medikamente, etc.) konsumieren können, wie sie Güter produzieren und verkaufen können. Viele Beamte werden gezwungenermaßen ihren Job verlieren, da es für ihre Gehälter kein Geld mehr in der Staatskasse geben wird. Diejenigen, denen eine staatliche Altersvorsorge zusteht, werden nur einen Bruchteil von dem bekommen, was ihnen zusteht. Die erneute Einführung der Drachme wäre unglaublich schmerzvoll. Ebenso schmerzvoll wäre es jedoch, den Euro zu behalten. Das sind keine guten Aussichten, egal, wie sich Griechenland entscheidet.
Einige sind der Meinung, dass Europa der Beweis für das Scheitern des sozialistischen Wohlfahrtsstaates ist. Und es gibt einige Gründe, das so zu sagen. Ich bin jedoch nicht der Meinung, dass der sozialistische Wohlfahrtsstaat die Ursache für die Schuldenkrise ist. Ein Wohlfahrtsstaat kann auch ohne Schulden funktionieren, wenn man einen angemessenen Staatshaushalt führt, wie es die skandinavischen Länder vormachen.