Notenbanken verleihen Rohstoffen Flügel
01.12.2011 | Eugen Weinberg
Die sechs wichtigsten Zentralbanken haben gestern in einer koordinierten Aktion die Leihsätze für USD-Kredite an Nicht-US-Banken um 50 Basispunkte reduziert. Diese Nachricht hat gestern eine wahrliche Hausse an den Aktien und Rohstoffmärkten ausgelöst. Der nähere Blick auf die Nachricht verrät, dass es sich aktuell bei diesem "Liquiditätskanal" um gerademal 2,4 Mrd. USD handelt. Zu den Spitzenzeiten der Finanzkrise Ende 2008 lagen die Engagements bei rund 600 Mrd. USD. Die Marktreaktion zeigt also nicht anderes, als dass die Risikoanlagen teilweise stark überverkauft waren. Außerdem werden die Marktteilnehmer dadurch zuversichtlicher, dass die offiziellen Stellen zur Hilfe eilen werden, falls es wieder brennen sollte. Wir bleiben skeptisch und glauben, dass die Erholung noch nicht nachhaltig ist.
Energie
Die Ölpreise konnten gestern nur unterproportional von der breitangelegen Rallye an den Rohstoffmärkten profitieren. Dies dürfte vor allem an den US-Lagerdaten gelegen haben, welche eine Angebotsentspannung signalisierten. Die US-Rohöllagerbestände sind demnach laut US-Energieministerium in der vergangenen Woche überraschend deutlich um 3,9 Mio. Barrel gestiegen. Höhere Importe und eine gesunkene Raffinerieauslastung waren für den Lageraufbau verantwortlich. Trotz der niedrigeren Raffinerietätigkeit stiegen die Destillatebestände um 5,5 Mio. Barrel, was einer deutlich gesunkenen Nachfrage geschuldet war. Diese brach innerhalb einer Woche um 16% auf nur noch 4,19 Mio. Barrel pro Tag ein (Grafik 8).
In den vergangenen sechs Wochen lag die implizite Destillatenachfrage noch bei mehr als 5 Mio. Barrel pro Tag und erreichte Ende Oktober mit knapp 5,3 Mio. Barrel pro Tag ein Rekordniveau. Wir hatten dies auf rege Exporte zurückgeführt. Diese scheinen nun abzuebben. Die sinkenden Crackspreads zwischen Gasöl und Rohöl in Asien signalisieren, dass die Dieselknappheit in China offensichtlich nachlässt.
Edelmetalle
Unter den Edelmetallen profitierte Palladium gestern am stärksten von der konzertierten Aktion der Notenbanken und stieg in der Spitze um fast 7% auf 623 USD je Feinunze. Dies war der größte Tagesgewinn seit 1½ Jahren. Bedenkt man jedoch, dass Palladium mit einem Minus von 27% in diesem Jahr bislang der größte Verlierer unter den Edelmetallen war, relativiert sich der gestrige Preisanstieg. Die Reaktion der anderen Edelmetalle fiel eher moderat aus. Gold handelt heute Morgen immerhin auf einem 2-Wochenhoch von 1.750 USD je Feinunze, was größtenteils auf den deutlich gesunkenen US-Dollar zurückzuführen ist.
Die Goldbörse Shanghai meldet, dass sich der Umsatz mit Gold-Futures in den ersten zehn Monaten des Jahres im Vergleich zum Vorjahr auf 11,37 Mio. Kontrakte mehr als verdoppelt hat. Dies bestätigt nochmals das hohe Interesse an Gold in China, auch wenn es zuletzt dort beim "Lion Global Gold Fund", dem ersten Gold-ETF in China, im Zuge der hohen Goldpreise zu kräftigen Gewinnmitnahmen und damit Goldverkäufen kam.
Industriemetalle
Beflügelt von der konzertierten Aktion der wichtigsten Notenbanken und der Reduzierung der Mindestreserveanforderung für Banken in China sowie überraschend guten Konjunkturdaten aus den USA legten die Metalle gestern deutlich zu. Ohne Ausnahme wurden die Preise teilweise stark nach oben gezogen. Kupfer z.B. stieg an der LME zeitweise um fast 7% auf 8.000 USD je Tonne. In Shanghai erreichte das rote Metall zwischenzeitlich seinen maximal möglichen Tagesanstieg von 6% (sog. limit up).
Nickel legte vom Tagestief bis zum Hoch um mehr als 1.500 USD je Tonne zu. Selbst das sonst eher als träge geltende Aluminium verteuerte sich um annähernd 6%. Nach diesen Höhenflügen ist es nicht verwunderlich, dass es heute Morgen zu Gewinnmitnahmen kommt. Die Preise geben auch in Folge eines schwachen Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe in China nach, der zum ersten Mal seit Februar 2009 wieder unter die Marke von 50 gefallen ist.
Trotz der niedrigen Aluminiumpreise ist am globalen Aluminiummarkt kein Ende der hohen Überschüsse in Sicht. Laut Einschätzung des staatlichen chinesischen Research-Instituts Antaike wird China im nächsten Jahr einen Angebotsüberschuss von 250 Tsd. Tonnen aufweisen. Die Produktion dürfte dabei stärker als bislang erwartet um 12% auf 21,95 Mio. Tonnen steigen. Damit würde sogar die schon sehr hohe diesjährige Wachstumsrate übertroffen.
Agrarrohstoffe
Kakao konnte als einer von nur sehr wenigen Rohstoffen gestern nicht von der allgemeinen Rallye an den Rohstoffmärkten profitieren. Der in New York gehandelte Kakaokontrakt handelt mit 2.300 USD je Tonne auf dem niedrigsten Stand seit gut 2½ Jahren. Vom Anfang März diesen Jahres verzeichneten 32-Jahreshoch ist der Preis mittlerweile um 40% gefallen. Der Kakaopreis in London notierte zeitweilig sogar auf einem 3-Jahrestief von 1.445 GBP je Tonne. Angesichts des reichlichen Angebots besteht für die Preise kurzfristig auch kaum Erholungspotenzial.
Die Internationale Kakaoorganisation (ICCO) hat die Schätzung für die weltweite Kakaoproduktion im Erntejahr 2010/11 um 55 Tsd. auf ein Rekordniveau von 4,25 Mio. Tonnen nach oben revidiert. Die Kakaoverarbeitung soll zwar mit 3,867 Mio. Tonnen ebenfalls ein Rekordniveau erreicht haben, bleibt aber deutlich hinter dem Angebot zurück. Der von der ICCO für 2010/11 erwartete globale Marktüberschuss soll sich auf 341 Tsd. Tonnen belaufen, was den höchsten Wert seit Beginn der Aufzeichnungen vor 50 Jahren darstellt. Bei der letzten Schätzung vor drei Monaten lag das erwartete Überangebot noch 16 Tsd. Tonnen niedriger. Im Frühjahr wurde sogar ein Überschuss von lediglich 119 Tsd. Tonnen prognostiziert.
Das globale Lager-Verbrauchs-Verhältnis soll zum Ende des Erntejahres auf ein 5-Jahreshoch von 47,4% gestiegen sein. Prognosen zum seit Oktober laufenden Erntejahr 2011/12 gibt die ICCO erst mit dem nächsten Quartalsbericht Ende Februar bekannt.
DOE Daten: US-Lagerbestände Rohöl und Ölprodukte
Terminkurven ausgewählter Rohstoffe: aktuell, vor einer Woche und vor einem Monat
© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst
Quelle: Commerzbank AG, Corporates Markets
Diese Ausarbeitung dient ausschließlich Informationszwecken und stellt weder eine individuelle Anlageempfehlung noch ein Angebot zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren oder sonstigen Finanzinstrumenten dar. Sie soll lediglich eine selbständige Anlageentscheidung des Kunden erleichtern und ersetzt nicht eine anleger- und anlagegerechte Beratung. Die in der Ausarbeitung enthaltenen Informationen wurden sorgfältig zusammengestellt. Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit kann jedoch nicht übernommen werden. Einschätzungen und Bewertungen reflektieren die Meinung des Verfassers im Zeitpunkt der Erstellung der Ausarbeitung und können sich ohne vorherige Ankündigung ändern.
Energie
Die Ölpreise konnten gestern nur unterproportional von der breitangelegen Rallye an den Rohstoffmärkten profitieren. Dies dürfte vor allem an den US-Lagerdaten gelegen haben, welche eine Angebotsentspannung signalisierten. Die US-Rohöllagerbestände sind demnach laut US-Energieministerium in der vergangenen Woche überraschend deutlich um 3,9 Mio. Barrel gestiegen. Höhere Importe und eine gesunkene Raffinerieauslastung waren für den Lageraufbau verantwortlich. Trotz der niedrigeren Raffinerietätigkeit stiegen die Destillatebestände um 5,5 Mio. Barrel, was einer deutlich gesunkenen Nachfrage geschuldet war. Diese brach innerhalb einer Woche um 16% auf nur noch 4,19 Mio. Barrel pro Tag ein (Grafik 8).
In den vergangenen sechs Wochen lag die implizite Destillatenachfrage noch bei mehr als 5 Mio. Barrel pro Tag und erreichte Ende Oktober mit knapp 5,3 Mio. Barrel pro Tag ein Rekordniveau. Wir hatten dies auf rege Exporte zurückgeführt. Diese scheinen nun abzuebben. Die sinkenden Crackspreads zwischen Gasöl und Rohöl in Asien signalisieren, dass die Dieselknappheit in China offensichtlich nachlässt.
Edelmetalle
Unter den Edelmetallen profitierte Palladium gestern am stärksten von der konzertierten Aktion der Notenbanken und stieg in der Spitze um fast 7% auf 623 USD je Feinunze. Dies war der größte Tagesgewinn seit 1½ Jahren. Bedenkt man jedoch, dass Palladium mit einem Minus von 27% in diesem Jahr bislang der größte Verlierer unter den Edelmetallen war, relativiert sich der gestrige Preisanstieg. Die Reaktion der anderen Edelmetalle fiel eher moderat aus. Gold handelt heute Morgen immerhin auf einem 2-Wochenhoch von 1.750 USD je Feinunze, was größtenteils auf den deutlich gesunkenen US-Dollar zurückzuführen ist.
Die Goldbörse Shanghai meldet, dass sich der Umsatz mit Gold-Futures in den ersten zehn Monaten des Jahres im Vergleich zum Vorjahr auf 11,37 Mio. Kontrakte mehr als verdoppelt hat. Dies bestätigt nochmals das hohe Interesse an Gold in China, auch wenn es zuletzt dort beim "Lion Global Gold Fund", dem ersten Gold-ETF in China, im Zuge der hohen Goldpreise zu kräftigen Gewinnmitnahmen und damit Goldverkäufen kam.
Industriemetalle
Beflügelt von der konzertierten Aktion der wichtigsten Notenbanken und der Reduzierung der Mindestreserveanforderung für Banken in China sowie überraschend guten Konjunkturdaten aus den USA legten die Metalle gestern deutlich zu. Ohne Ausnahme wurden die Preise teilweise stark nach oben gezogen. Kupfer z.B. stieg an der LME zeitweise um fast 7% auf 8.000 USD je Tonne. In Shanghai erreichte das rote Metall zwischenzeitlich seinen maximal möglichen Tagesanstieg von 6% (sog. limit up).
Nickel legte vom Tagestief bis zum Hoch um mehr als 1.500 USD je Tonne zu. Selbst das sonst eher als träge geltende Aluminium verteuerte sich um annähernd 6%. Nach diesen Höhenflügen ist es nicht verwunderlich, dass es heute Morgen zu Gewinnmitnahmen kommt. Die Preise geben auch in Folge eines schwachen Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe in China nach, der zum ersten Mal seit Februar 2009 wieder unter die Marke von 50 gefallen ist.
Trotz der niedrigen Aluminiumpreise ist am globalen Aluminiummarkt kein Ende der hohen Überschüsse in Sicht. Laut Einschätzung des staatlichen chinesischen Research-Instituts Antaike wird China im nächsten Jahr einen Angebotsüberschuss von 250 Tsd. Tonnen aufweisen. Die Produktion dürfte dabei stärker als bislang erwartet um 12% auf 21,95 Mio. Tonnen steigen. Damit würde sogar die schon sehr hohe diesjährige Wachstumsrate übertroffen.
Agrarrohstoffe
Kakao konnte als einer von nur sehr wenigen Rohstoffen gestern nicht von der allgemeinen Rallye an den Rohstoffmärkten profitieren. Der in New York gehandelte Kakaokontrakt handelt mit 2.300 USD je Tonne auf dem niedrigsten Stand seit gut 2½ Jahren. Vom Anfang März diesen Jahres verzeichneten 32-Jahreshoch ist der Preis mittlerweile um 40% gefallen. Der Kakaopreis in London notierte zeitweilig sogar auf einem 3-Jahrestief von 1.445 GBP je Tonne. Angesichts des reichlichen Angebots besteht für die Preise kurzfristig auch kaum Erholungspotenzial.
Die Internationale Kakaoorganisation (ICCO) hat die Schätzung für die weltweite Kakaoproduktion im Erntejahr 2010/11 um 55 Tsd. auf ein Rekordniveau von 4,25 Mio. Tonnen nach oben revidiert. Die Kakaoverarbeitung soll zwar mit 3,867 Mio. Tonnen ebenfalls ein Rekordniveau erreicht haben, bleibt aber deutlich hinter dem Angebot zurück. Der von der ICCO für 2010/11 erwartete globale Marktüberschuss soll sich auf 341 Tsd. Tonnen belaufen, was den höchsten Wert seit Beginn der Aufzeichnungen vor 50 Jahren darstellt. Bei der letzten Schätzung vor drei Monaten lag das erwartete Überangebot noch 16 Tsd. Tonnen niedriger. Im Frühjahr wurde sogar ein Überschuss von lediglich 119 Tsd. Tonnen prognostiziert.
Das globale Lager-Verbrauchs-Verhältnis soll zum Ende des Erntejahres auf ein 5-Jahreshoch von 47,4% gestiegen sein. Prognosen zum seit Oktober laufenden Erntejahr 2011/12 gibt die ICCO erst mit dem nächsten Quartalsbericht Ende Februar bekannt.
DOE Daten: US-Lagerbestände Rohöl und Ölprodukte
Terminkurven ausgewählter Rohstoffe: aktuell, vor einer Woche und vor einem Monat
© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst
Quelle: Commerzbank AG, Corporates Markets
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