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Merkel und Sarkozy dezidieren Pläne - Standard & Poors mit zweifelhaften Nikolauspräsent

06.12.2011  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute (07.45 Uhr) bei 1.3385, nachdem im Verlauf der letzten 24 Handelsstunden Tiefstkurse im asiatischen Handel bei 1.3363 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 77.75. In der Folge notiert EUR-JPY bei 104.05, während EUR-CHF bei 1.2350 oszilliert.


Kanzlerin Merkel und Präsident Sarkozy haben gestern ihre Pläne einer Stabilitätsunion erläutert:
  • Deutschland und Frankreich wollen verhindern, dass sich die Schuldenkrise wiederholt.
  • Automatische Sanktionen bei einem Verstoß gegen das 3% Stabilitätskriterium sollen greifen.
  • Regeln zu ausgeglichenen Haushalten werden in der gesamten Eurozone angestrebt.
  • Es wird zu Änderungen der EU-Verträge kommen. Ziel ist es, die Änderungen für alle 27 EU-Staaten verbindlich zu machen. Im Zweifelsfall werden die Änderungen jedoch nur für die Mitgliedsländer der Eurozone umgesetzt.
  • Änderungen des EU-Vertrags sollen bis Ende März ausgehandelt sein.
  • Der Rat soll am Donnerstag die Verbindlichkeit der Absprachen stärken.
  • Der ESM soll bereits per Ende 2012 einsatzfähig sein.
  • Die EFSF-Gelder sollen in Kombination mit dem IWF eingesetzt werden.
  • Der freiwillige Schuldenschnitt bei Griechenland war Sonderfall.
  • Die Unabhängigkeit der EZB wird nicht angetastet. Man habe volles Vertrauen in die EZB.

Gestern wurde damit deutlich, dass die beiden führenden Wirtschaftsnationen in der Eurozone eine gemeinsame Agenda haben. Die Stabilitätsunion wird umgesetzt. Sie ist wiederum Voraussetzung für eine Fiskalunion.

Diese äußerst positive Entwicklung wird von Standard & Poors bei dem Rundumschlag gegen die Eurozone wie folgt interpretiert: "S&P begründete den Schritt mit einer besorgniserregenden Entwicklung in der von der Schuldenkrise gebeutelten Euro-Zone. In den vergangenen Wochen habe der Druck auf die Kreditwürdigkeit des gesamten Währungsraums zugenommen. Die Agentur bescheinigte der Politik anhaltende Unstimmigkeiten darüber, wie mit der Krise umgegangen werden soll."

Hier liefert Standard & Poors schlicht weg und ergreifend Unwahrheiten. Bis zu der Ankündigung von S&P kam es zu einer deutlichen Reduzierung der Risikoaufschläge bei Frankreich, Italien und Spanien. Die Ankündigung Merkels und Sarkozys konterkariert die Einlassung seitens Standard & Poors bezüglich unterstellter Unstimmigkeiten vollständig.

Fakt ist, dass Standard & Poors als auch die anderen Ratingagenturen in den letzten knapp 2 Jahren latent eine Politik verfolgten, den Reformprozess in der Eurozone zu unterminieren. Zunächst wurden per 4. Quartal 2009 Reformen in den europäischen Defizitländern eingefordert. Das war sachlich richtig und geboten.

Die Reaktionen in den europäischen Defizitländern waren in der Folge in der Reformpolitik nachhaltig und sogar historisch einmalig!
  • Als Konsequenz derartiger Reformen ergibt sich zwingend eine Reduzierung des Wachstums oder sogar Kontraktion der Wirtschaftsleistung, da nicht leistungsfähige Teile der Wirtschaft eliminiert oder angepasst werden. In der Folge steigt immer kurzfristig die Staatsdefizitquote.

  • Gleichzeitig erhöht sich aus der Reform heraus einerseits das mittelfristige fiskalische Gleichgewicht und langfristig das Potentialwachstum mit weiter positiven Effekten auf die Fiskallage, da es zu keiner fortgesetzten Fehlallokation des Produktionsfaktors Kapital kommt.

Aus einem solchen Kontext heraus Länder der Eurozone trotz Aufsetzung des EFSF zur Überbrückung kurzfristiger Liquiditätsengpässe in die Kapitalmarktunfähigkeit abzuschreiben oder jetzt rundum herabzustufen, ist entweder Ausdruck eines Mangels an Basiswissen über die Zusammenhänge zwischen Wirtschaft und Fiskallage oder aber Ausdruck einer politischen Agenda.

In der Tat hätten die Einstufungen der Bonität der Defizitländer unter sachlichen Gesichtspunkten unwesentlich herabgestuft oder beibehalten werden sollen. Das hätte verdiente Kapitalzuflüsse mit sich gebracht, da die Zukunftsfähigkeit der Geschäftsmodelle durch die Reformen der Länder erhöht wurde. Damit wäre der Reformprozess unterstützt worden. Die konjunkturelle Traktion der Reformen wäre deutlich spürbar geworden.
  • Fakt ist, dass Großbritannien trotz Verfehlung der Wachstums- und Defizitziele nicht auf der Abschussliste steht.

  • Fakt ist, dass die USA ohne jedwede Reformfähigkeit bei Staatsdefiziten zwischen 8% - 10% des BIP aggressiv geschont werden.

  • Fakt ist, dass die OECD per 2012 in der Eurozone ein öffentliches Defizit von 2,9% des BIP erwartet.

  • Fakt ist, dass die Eurozone Paradepferd der Stabilität in Neuverschuldung, Gesamtverschuldung und Reformpolitik ist.

  • Fakt ist, dass Europa zur Stabilitätsunion umgebaut wird, einem Charaktermerkmal, das in dieser Form historisch einmalig ist.

Fakt ist aber auch, dass eine sachliche Politik der Ratingagenturen ohne aggressive Herabstufungen der europäischen Defizitländer für die USA sehr belastend ausgefallen wäre.

Wären Kapitalmarktzuflüsse in die Eurozone dank der Reformen geflossen, hätten die Reformen damit kurzfristige Traktion erzielt. Was wäre dann mit den reformunfähigen USA passiert? Wären genügend Kapitalmarktzuflüsse in die USA gewährleistet gewesen?

Wer sich um diesen Fragenkomplex kümmert, erhält einen voraussichtlich sachlicheren Hintergrund, um die gegenwärtigen Schritte der Ratingagenturen nachvollziehen zu können. Wir haben uns aus diesem Grunde dazu entschlossen, dem heutigen Report einen Artikel zu dem Thema „Wirtschaftskrieg“ als Anlage beizufügen.

Im Hinblick auf die Dominanz der Krise verzichten wir heute auf eine eingehende Kommentierung der gestern veröffentlichen Wirtschaftsdaten:
  • Der Einkaufsmanagerindex der Eurozone für den Dienstleistungssektor sank per November von zuvor 47,8 auf 47,5 Punkte.

  • Die Einzelhandelsumsätze der Eurozone nahmen per Oktober im Monatsvergleich um 0,4% zu. Im Jahresvergleich ergab sich ein Rückgang um -0,4% nach -1,4%.

  • Der ISM-Dienstleistungsindex sank unerwartet per November 52,9 auf 52 Punkte (Prognose 53,5)

  • Der Auftragseingang sank in den USA im Monatsvergleich per Oktober um 0,4% (Prognose -0,3%).

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das eine neutrale Haltung in der Parität EUR-USD favorisiert. Ein nachhaltiger Ausbruch aus der Bandbreite 1.3150 - 1.3710 eröffnet neue Potentiale.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank

Aus aktuellem Anlass bezüglich des Themas Wirtschaftskrieg erlauben wir uns, den Artikel "Pentagon prepares for economic warfare" aus dem Politmagazin "Politico" aus dem Jahre 2009 als Anlage beizufügen. Um den Hintergrund "Politicos" darzustellen ist eine Beschreibung von Wikipedia beigefügt. Die Gedanken sind sehr frei …



Hinweis: Meinungen oder Empfehlungen geben die Einschätzung des jeweiligen Verfassers wieder und stellen nicht notwendigerweise die Meinung der Bremer Landesbank oder deren assoziierter Unternehmen dar. Sie können sich jederzeit ohne vorherige Ankündigung ändern. Die hier enthaltenen Aussagen sind nicht als Angebot oder Empfehlung bestimmter Anlageprodukte zu verstehen. Dies gilt auch dann, wenn einzelne Emittenten oder Wertpapiere erwähnt werden. Hier enthaltene Informationen können auf die individuellen Verhältnisse des Anlegers abgestellte, kundenspezifische und objektorientierte Beratung nicht ersetzen. Bitte setzen Sie sich deshalb mit Ihrem bei der Bremer Landesbank zuständigen Berater in Verbindung.



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