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Europa unbeirrt auf Stabilitätspfad ...

09.12.2011  |  Folker Hellmeyer
Europa unbeirrt auf Stabilitätspfad - Märkte in London und NY wenig erbaut, "quick fix" und Kosmetik die Lösungen unserer Freunde in London und NY …

Der Euro eröffnet heute (07.38 Uhr) bei 1.3325, nachdem im Verlauf der letzten 24 Handelsstunden Tiefstkurse im US-Handel bei 1.3289 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 77.60. In der Folge notiert EUR-JPY bei 103.35, während EUR-CHF bei 1.2350 oszilliert.

Europa befindet sich unbeirrt auf dem Stabilitätspfad. Hier wird Strukturpolitik gemacht. Hier werden Geschäftsmodelle geändert. Hier entsteht Zukunftsfähigkeit. Der Unterschied zu den USA ist grotesk groß.

Die von den Finanzplätzen NY und London dominierten Finanzmärkte goutieren die Politik Europas bisher nicht. Sie blenden die Reformerfolge erfolgreich aus. Sie fokussieren sich auf einige wenige Reformverfehlungen.

Für den Finanzmarkt zählt nur das Motto der USA. Schnelle Lösungen kosmetischer Art sind gefragt. Werden diese Maßnahmen nicht geliefert, werden die betreffenden Märkte abgestraft. Damit wird die Krise verschärft. Die verantwortlichen Politiker der Eurozone werden vor sich hergetrieben.

Dabei wird auch auf fragwürdige und nach Finanzmarktregeln kriminelle Mittel zurückgegriffen. Unfundierte Gerüchte (u.a. Anfang August gegen französische Banken und Frankreich als Ausgangspunkt der Krisenverschärfung in der Eurozone) sind ein Paradebeispiel. Damit wurden/werden Märkte gegen die Interessen der Eurozone gedreht. Märkte schaffen damit eigene Realitäten, die hinsichtlich der kurzfristigen Bilanzierungsregeln zu Dominoeffekten führen. Hält diese irrationale Bewertung dauerhaft an, kommt es in der Folge zu realwirtschaftlichen Entwicklungen, die destabilisierende Qualitäten in sich bergen.

Damit werden Volkswirtschaften und Gesellschaften in unverdienter Manier ins Risiko getrieben. So etwas darf man als eine Form des Wirtschaftskriegs begreifen. Das gilt insbesondere bezüglich der Aufstellung der Akteure. Der Blick auf die Eigentümerstruktur der NY Federal Reserve, der Ratingagenturen und andererseits der "Player" an den derivativen Märkte liefert eine sehr komplementäre Gruppe, dessen Machtvolumen massiv ist. "Food for thought!"

Wir verweisen auf die Rubrik "Letzte Nachrichten" hinsichtlich der Kriterien der zukünftigen Stabilitätsunion. 17 Eurostaaten und mindestens sechs der EU-Länder werden an dieser Stabilitätsunion teilhaben. Tschechien und Schweden müssen ihre Parlamente noch befragen. Ungarn befindet sich im Meinungsbildungsprozess.

Nur Großbritannien lehnt sakrosankt ab. Wir haben gestern an dieser Stelle geschrieben, dass der Ärmelkanal doch sehr breit ist. Fakt ist, dass Großbritannien sich in den letzten Jahrzehnten wirklicher Solidarität in der EU entzogen hat. Thatchers Ausspruch "I want my money back!" hallt immer noch nach. Gestern ist der Ärmelkanal im übertragenen Sinn politisch deutlich breiter geworden.

Die EU und Europa müssen sich fragen, ob ein latenter Verweigerer der Integration in der EU Platz hat. Für das Vereinigte Königreich mag eine präferierte Partnerschaft zur EU besser passen als der aktuelle Status!

Wenden wir uns der EZB zu. Auch hier konnten unsere "Freunde" aus London und New York nicht befriedigt werden. Die EZB ist nicht bereit, als Seifenspender nach Belieben der Märkte oder der Politik zu agieren. Auch hier besticht die Ausrichtung hin zur Stabilitätspolitik. Die Unterschiede zu Federal Reserve, Bank of Japan und Bank of England sind massiv und nehmen in der Tendenz zu.

Alles, was im Rahmen des Stabilitätsauftrags der EZB machbar ist, wird von der EZB geliefert. Es sind fraglos unorthodoxe Maßnahmen. Die sind in Krisen dieser Art jedoch auch gefordert. Die EZB betont, dass die Maßnahmen temporär begrenzt sind. Das ist richtig, das ist gut. Herr Draghi hat gestern belegt, dass er die Statur hat, die seine Vorgänger aufwiesen. Die Charaktermerkmale der Politik der Deutschen Bundesbank sind klar erkennbar.


Werfen wir einen Blick auf die Maßnahmen der EZB:
  • 1. Zinssenkung von 1,25% auf 1,00%, Einlagenfazilität von 0,50% auf 0,25%, Spitzenrefi: von 2,0% auf 1,75% (ab 14.12.) = Kostenentspannung und psychologisches Signal Kommentar: Zinssenkung war im EZB Rat nicht einstimmig

  • 2. zwei Euro Tender mit 36 Monatiger Laufzeit, Volumen unlimitiert, Option nach einem Jahr das Geld zurückzuzahlen, Zinssatz am Leitzins indiziert! = Problem einer potentiellen Kreditklemme adressiert

  • 3. Collateralanforderungen für Refinanzierungsgeschäfte werden gelockert = Entgegenwirken der Spekulation, die die Qualität unsachlich untergräbt

  • 4. Mindestreservequote wird von 2% auf 1% halbiert (ab 18.01.12)--> es steht den Banken noch mehr Liquidität zur Verfügung = Liquidität darf kein Problem sein

  • 5. Stabprojektionen: Inflation 2011 2,6%-2,8% vs 2,5%-2,7%, 2012: 1,5%-2,5% vs 1,2%-2,2%

  • 6. Stabprojektionen: BIP 2011 1,5%-1,7% vs. 1,4%-1,8%, 2012: -0,4% -1,0% vs. 0,4%-2,2%, 2013: 0,3%-2,3%

  • 7. Schnelltender am Ende einer jeden Mindestreserveperiode werden ausgesetzt mit der Folge weiterer Liquiditätserhöhung.

  • 8. Draghi: wirtschaftlicher Ausblick bleibt sehr unsicher, Maßnahmen zielen auf Refiprobleme der Banken hin, lange Tender sollen Sicherheit und Vertrauen geben

Die EZB agiert in ihrem Umfang, um damit das Paradepferd der Stabilität in der Neuverschuldung (2012 laut OECD 2,9% Eurozone!), der Gesamtverschuldung und der Reformpolitik in ihren Grenzen zu unterstützen. Danke!


Wir verzichten heute aus zeitlichen Gründen auf eine nachhaltige Kommentierung der Wirtschaftsdaten:
  • Die US-Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe sanken in der Berichtswoche per 3.12.2011 von 404.000 (revidiert von 402.000) auf 381.000. die Prognose lag bei 395.000.

  • Die US-Großhandelslagerbestände nahmen per Oktober deutlich um 1,6% zu. Der Absatz erhöhte sich stark um 0,9% im Monatsvergleich.

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das eine neutrale Haltung in der Parität EUR-USD favorisiert. Ein nachhaltiger Ausbruch aus der Bandbreite 1.3150 - 1.3710 eröffnet neue Potentiale.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank



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