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20 Jahre nach Maastricht - Zurück auf Los?

09.12.2011  |  Eugen Weinberg
Beim heutigen EU-Gipfel in Brüssel werden die Erinnerungen an einen anderen Gipfel wach, der genau vor 20 Jahren im niederländischen Maastricht stattgefunden hat. Damals wurden die Grundlagen und Prinzipien einer einheitlichen europäischen Währung ausgehandelt. Jetzt, zwei Jahrzehnte später, stehen diese Prinzipien auf dem Prüfstand. Die jetzigen Spannungen in der Eurozone halten alle Märkte in Atem und eine baldige Lösung ist nicht absehbar.


Energie

Die Ölpreise sind gestern den zweiten Tag in Folge unter Druck geraten. Brent notiert am Morgen unterhalb von 108 USD je Barrel und damit am unteren Ende der seit Oktober gültigen Handelsspanne, WTI bei weniger als 98 USD je Barrel. Die EZB senkte zwar wie erwartet die Zinsen und verkündete darüber hinaus weitere liquiditätserhöhende Maßnahmen. Die Hoffnungen auf eine deutliche Aufstockung der Anleihekäufe wurden aber enttäuscht.

Der Börsenbetreiber CME Group erwägt unterdessen die Einführung eines Rohöl-Terminkontrakts für US-Leichtöl an der US-Golfküste. Aufgrund der mangelhaften Transport- und Arbitragemöglichkeiten in Cushing ist es bei WTI immer wieder zu Preisverzerrungen gekommen. Zeitweise notierte der WTI-Preis in diesem Jahr mehr als 20 USD je Barrel niedriger als vergleichbare seewärtig gehandelte Ölsorten wie Brent oder Light Louisiana Sweet.

Aufgrund dieser Verzerrungen hat WTI in den vergangenen Monaten im Vergleich zu Brent als globale Ölbenchmark an Akzeptanz verloren. Dies lässt sich unter anderem am Handelsvolumen und der Zahl der offenen Terminkontrakte erkennen, wo Brent deutlich aufholen konnte.

Die geplante Einführung eines Terminkontraktes für die US-Golfküste dürfte daher ein Versuch der CME sein, diesen Trend zu stoppen. Der Zeitpunkt der Bekanntgabe kommt dennoch überraschend. Denn mit der Umkehrung der Seaway-Pipeline dürfte sich das Infrastrukturproblem in Cushing verringern, weil es ab 1. April 2012 möglich sein wird, Rohöl von Cushing an die US-Golfküste zu leiten. Ab dann macht es eigentlich keinen großen Unterschied mehr, ob man Rohöl in Cushing oder an der US-Golfküste ausgeliefert bekommt. Von daher bleibt abzuwarten, ob die Einführung eines Terminkontrakts für die US-Golfküste erfolgreicher ist als vorherige Projekte wie Light Louisiana Sweet oder Argus Sour Crude.

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Edelmetalle

Vom schwindenden Vertrauen in das Papiergeld konnte Gold zuletzt kaum profitieren, hält sich zurzeit aber noch über 1700 USD je Unze. Die jüngste relative Schwäche dürfte die Anleger, die zuletzt positiv zu Gold gestimmt waren, zum weiteren Abbau ihrer Positionen bewegen. Ein möglicher Preisrutsch unter 1700 USD kann somit einen weiteren Rückgang beschleunigen.

Trotz dieser kurzfristigen Tendenzen sehen wir den langfristigen Aufwärtstrend bei Gold als ungefährdet an. Fundamental spricht die gestrige Senkung der Leitzinsen durch die EZB auf das historische Tief von 1% langfristig für inflationäre Tendenzen. Dazu zählt auch die Senkung des Mindestreservesatzes auf 1%, die weitere Aufweichung der Sicherheitsanforderungen und die quasi unbegrenzte Bereitstellung von Liquidität durch die EZB.


Industriemetalle

Die chinesische Inflation hat sich im November weiter abgeschwächt und lag mit 4,2% im Jahresvergleich auf dem niedrigsten Stand seit Oktober 2010. Auch hat sich der Anstieg der Industriepoduktion im Vorjahresvergleich auf "lediglich" 12,4% verlangsamt, immerhin der schwächste Wert seit August 2009. Da dies der Zentralbank und der Regierung den Raum bietet, mit einer Lockerung der Geld- und Fiskalpolitik auf die Abschwächung des Wirtschaftstempos zu reagieren, sollte sich die Stimmung an den Finanzmäkten eigentlich aufhellen.

Dennoch sind die chinesischen Aktien gemessen an Shanghai A Shares oder CSI 300 heute auf den tiefsten Stand seit Frühjahr 2009 gefallen. Das globale Makroumfeld bleibt also weiterhin bestimmend. Damit ist ein weiterer Preisrutsch an den Metallmärkten möglich, zumal sich der Markt mit den Beschlüssen des EU-Gipfels und der ablehnenden Haltung der EZB zu weiteren Staatsanleihekäufen offensichtlich nicht zufrieden gibt.

In den letzten Tagen zeigte der Nickelpreis eine beachtliche relative Stärke zu den restlichen Industriemetallen und konnte sogar gegen den allgemeinen Abwärtstrend zulegen. Einen Grund dafür sehen wir in einer hohen Konzentration am LME-Nickelmarkt: Ein Teilnehmer hält jetzt über 50% der LME-Warrants. Auch hat das Interesse an Nickel-Futures zuletzt stark zugenommen: Die gesamte Anzahl offener Positionen auf Nickel (also sowohl die der LME-Mitglieder als auch die ihrer Kunden) befindet sich mit rund 160 Tsd. Kontrakten nur 0,3% vom Allzeithoch entfernt. Damit ist der Markt zurzeit für nicht fundamentale Verwerfungen anfällig.


Agrarrohstoffe

Thailand dürfte im laufenden Erntejahr 2011/12 laut eines hochrangigen Vertreters der thailändischen Zuckervereinigung eine Rekord-Zuckerproduktion von 10 Mio. Tonnen erzielen. Im vergangenen Erntejahr waren es bereits 9,6 Mio. Tonnen. Davon werden 2,4 Mio. Tonnen für den Eigenbedarf zurückbehalten. Der Rest geht in den Export. Dazu ist zuletzt auch Indien wieder als Anbieter auf den Zuckermarkt zurückgekehrt. Das zusätzliche Angebot hat die Knappheit an Zucker beseitigt, welche durch eine enttäuschende Ernte in Brasilien entstanden war.

Die Terminkurve von Rohzucker hat sich im Zuge dessen deutlich abgeflacht. Der nächstfällige Terminkontrakt handelt mittlerweile kaum noch über den Kontrakten mit späterer Fälligkeit. Vor drei Monaten noch bestand eine Knappheitsprämie von 5 US-Cents je Pfund. Es lässt sich zudem feststellen, dass die Kontrakte am hinteren Ende der Terminkurve kaum gesunken sind. Der Markt geht also davon aus, dass sich der Zuckerpreis langfristig über der Marke von 20 US-Cents je Pfund etablieren wird.

Ein derartiges Preisniveau war vor 2009 nur in Ausnahmefällen und für kurze Zeit denkbar. Offensichtlich hat es bei Zucker eine strukturelle Veränderung gegeben, welche das Preisniveau nach oben verschoben hat. Dazu zählt u.a. die steigende Ethanolproduktion in Brasilien und der wachsende Zuckerkonsum in den Schwellenländern wie China.


Terminkurven ausgewählter Rohstoffe: aktuell, vor einer Woche und vor einem Monat

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© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst

Quelle: Commerzbank AG, Corporates Markets





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