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"Die Unterscheidung zwischen einem Bullenmarkt und einer Bubble fällt vielen Marktteilnehmern schwer"

05.01.2012  |  Benjamin Summa
Der Unternehmenssprecher von pro aurum, Benjamin Summa, hat zwei Edelmetallexperten zum Markt befragt: Fünf Fragen an Ronald Stöferle von der Erste Group in Wien und Thorsten Proettel von der LBBW in Stuttgart.  


Benjamin Summa: Wir sehen gerade eine Zuspitzung der Staatsschuldenkrise in der Eurozone, zudem eine expansive Geldpolitik in den USA. Welche Faktoren sprechen jetzt für eine Anlage in Gold, welche dagegen?

Ronald Stöferle, Rohstoffexperte der Erste Group Wien: Sowohl der "Fear-Trade" als auch der "Love-Trade" sind die treibenden Faktoren für diesen Bullenmarkt. Die Angst-Komponente wird von den negativen Realzinsen, der überbordenden Staatsverschuldung und der steigenden Angst vor einem Systemkollaps getrieben. Diese Komponente wird derzeit als einziger Grund für den Goldbullenmarkt genannt. Es wird jedoch häufig vergessen, dass China und Indien die treibenden Faktoren auf der Nachfrageseite sind. Die hohe traditionelle Goldaffinität und der steigende Wohlstand werden die Nachfrage langfristig unterstützen. 2020 werden 50 Prozent des Welt-BIP’s von Emerging Markets erwirtschaftet, im Jahr 2000 betrug der Anteil noch knapp 19 Prozent. Ein Großteil der Schwellenländer weist ein deutlich größeres Faible für Gold auf als die Industrienationen. 

Als negative Einflussfaktoren will ich folgende nennen: Gold wird oft als eiserne Reserve und Geld letzter Instanz gehalten und somit in finanziellen Extremsituationen liquidiert. Griechenland, Portugal und Italien weisen zudem relative hohe Goldbestände auf und könnten ihre Bestände veräußern (müssen). Des Weiteren würde sich ein Wachstumseinbruch in China definitiv negativ auf den Goldpreis auswirken.

Thorsten Proettel, Rohstoffexperte der Landesbank Baden-Württemberg: Die Europäische Zentralbank reagiert auf die Schuldenkrise mit großen Liquiditätsspritzen und Anleihekäufen. Ihr neuer Chef, Mario Draghi, erhöhte gleich zu Beginn seiner Amtszeit das Tempo beim Kauf der Staatsanleihen und zudem senkte er den Leitzins auf nur noch 1,25 Prozent. Beide Maßnahmen helfen, in der Krise Zeit zu gewinnen. Gleichzeitig drücken sie aber die Rendite für Geldmarktanleger, die angesichts einer Inflationsrate von 3 Prozent real gesehen ohnehin schon negativ ist. In den USA sieht es ähnlich aus. Für Gold sprechen deshalb die fehlenden Alternativen und natürlich auch die immer größer werdende Gefahr von Verwerfungen am Finanzmarkt in Folge unkontrollierter Staatspleiten. Geriete beispielsweise Italien ins Taumeln, dann erscheint die Lehman-Pleite im Jahre 2008 im Rückblick nur wie ein müdes Vorspiel. Gold ist allerdings kein Schnäppchen mehr und angesichts des hohen Engagements spekulativ orientierter Marktteilnehmer drohen jederzeit größere Rückschläge.


Benjamin Summa: Das erste Jahrzehnt kann man als das Jahrzehnt der Edelmetalle beschreiben. Eine Verachtfachung beim Gold in der Spitze spricht für sich. Welche Investments werden das zweite Jahrzehnt bestimmen?

Ronald Stöferle, Rohstoffexperte der Erste Group Wien: Ich denke, dass sich der Goldbullenmarkt noch fortsetzen wird. Der Aufwärtstrend ist auf allen Zeitebenen und in praktisch allen (Fiat)-Währungen intakt, jedoch hat noch keine Trendbeschleunigung stattgefunden. Am Ende jeder Trendphase steht eine parabolische Beschleunigung, eine Euphoriephase, die auch als „blow-off-top“ bezeichnet wird. Ich gehe davon aus, dass im Zuge dessen mein  Kursziel von 2.300 US-Dollar problemlos erreicht wird. Analog dazu rechne ich damit, dass Silber in der letzten Phase des Trends Gold klar outperformen wird und das Gold/Silber-Ratio wieder in den Bereich von 15 fallen könnte.

Zudem sehe ich bei Öl (aber auch langfristig bei Gas) derzeit deutliches Potenzial, insbesondere nachdem das Energiethema derzeit scheinbar von den Märkten negiert wird. Im Sinne der Asset-Rotation werden wohl auch Aktien in Zukunft extrem attraktive Bewertungen aufweisen. Davor müsste man aber vermutlich noch eine Trendbeschleunigung nach unten sehen.

Thorsten Proettel, Rohstoffexperte der Landesbank Baden-Württemberg: Die Explosion des Goldpreises weckt bei vielen Anlegern ähnlich hohe Erwartungen auf zukünftige Gewinnmöglichkeiten wie vor zwölf Jahren die Hausse der New-Economy-Aktien. Nur die wenigsten Investoren dachten übrigens damals, dass nicht Aktien, sondern Gold am Ende des Jahrzehnts der strahlende Gewinner sein würde. Insofern maße ich mir heute keine Prognose für 10 Jahre an. Das Ergebnis wird vor allem vom Ausgang der Schuldenkrise abhängen. Ich bin allerdings der festen Meinung, dass auf absehbare Zeit nicht die Jagd auf die größten Renditen im Vordergrund der Anlageentscheidungen stehen sollte, sondern der Vermögenserhalt. Eine gute Streuung auf verschiedene Assetklassen und die Vermeidung von schlechten Chance-Risiko-Verhältnissen wie bei einigen Staatsanleihen dürften hierbei hilfreich sein.


Benjamin Summa: Denken Sie, dass Gold ein Volksinvestment in den kommenden Jahren wird? Bisher sind trotz des Booms erst relativ wenige Privatpersonen und institutionelle Anleger investiert.

Ronald Stöferle, Rohstoffexperte der Erste Group Wien: Richtig, laut einer lesenswerten Studie der Steinbeis-Hochschule halten die Deutschen im Schnitt lediglich 2,8 Prozent ihres Gesamtvermögens in Gold. Jeder Deutsche besitzt 52 Gramm Goldschmuck, 58 Gramm Goldmünzen- und Barren sowie 20 Gramm im übertragenen Sinn in Goldfonds, ETF’s Minenaktien etc. Bei Silber liegt der Privatbesitz übrigens bei knapp 153 Gramm Anlagesilber, 127 Gramm Schmuck sowie 144 Gramm Tafelsilber. Damit ist Deutschland jedoch noch deutlich goldaffiner als die meisten anderen europäischen Nationen.




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