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Silber: goldene Zeiten

18.12.2005  |  Eugen Weinberg
- Seite 4 -
Futures-Märkte

Beim Kauf eines Silber-Futures im Wert von über 36.000 US-Dollar muss ein Händler an der New Yorker Metallbörse COMEX eine Sicherheit von lediglich 2.000 US-Dollar hinterlegen. Dieser enorme Hebeleffekt führt dazu, dass sich immer mehr größere Anleger am Silbermarkt über Futures engagieren. Zudem sind die Kosten eines solchen Engagements im Vergleich zum physischen Erwerb weitaus geringer, da bei Futures weder Lager- und Versicherungskosten entstehen noch Steuern oder Zölle zu entrichten sind. Aus diesem Grund spielen Terminmärkte bei der Preisgestaltung mittlerweile eine weitaus größere Rolle als physische Geschäfte. Während sich die Jahresminenproduktion auf rund 630 Mio. Unzen beläuft, beträgt allein das an der NYMEX/COMEX gehandelte Volumen rund 20.000 Kontrakte bzw. 100 Mio. Unzen täglich. Neben New York wird Silber außerdem an den Warenterminbörsen in Chicago, London, Delhi und Tokio gehandelt.

Das große Handelsvolumen an den Terminbörsen führt dazu, dass Lieferverpflichtungen, die aus spekulativen Leerverkäufen resultieren, die an den Börsen vorhandenen Lagerbestände oftmals übersteigen. In Phasen, in denen Short-Spekulanten von Futures-Käufern zur Lieferung des Materials zum vereinbarten Verfallstermin aufgefordert werden, können die Lagebestände signifikant schrumpfen. Die dabei entstehende Angebotslücke spiegelt sich am Markt für Silberkredite wider. Die Leerverkäufer müssen in dieser Situation Silber zu einem Zinssatz ausleihen, der bei einer nicht ausreichenden Höhe der Bestände automatisch anzieht.

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Besonders auffällig sind dabei die Zuspitzungen der Jahre 1997-1998 und 2001. Der erste Anstieg erfolgte, als einer der bekanntesten Value-Investoren, Warren Buffet, rund 130 Mio. Unzen physisch gekauft hat und diese ausliefern ließ. Der zweite markante Rückgang überirdischer Bestände folgte auf die Terroranschläge im September 2001 auf das World Trade Center in New York, wo verschiedenen Berichten zufolge ein Teil der US-Silberbestände gelagert wurde. Der jüngste Anstieg der Leihraten in diesem Jahr wurde unserer Auffassung nach vom Markt noch nicht in ausreichendem Maß wahrgenommen. Eine nahezu Verdreifachung der Jahresleihraten von 1% auf 2,5% sollte eine zunehmende Einengung der Versorgungssituation am Markt signalisieren und möglicherweise als Katalysator für die Fortsetzung der Hausse, in der sich Silber seit etwa Ende 2002 befindet, dienen.

Ein weiteres Indiz für eine zunehmende Knappheit des Metalls ist die Entwicklung der Preisrelationen zwischen den Termin- und Kassamarktkursen. Normalerweise herrscht am Markt Contango, d.h. die Futures-Preise notieren über dem Kassakurs, weil Silber relativ einfach verfügbar ist und folglich ausgeliehen werden kann, um eine Zusatzrendite zu erzielen, die dem Satz für Silberleihe entspricht. Allerdings könnte bei einer eintretenden Knappheit der Futures-Preis zeitweise auch unter dem Spotkurs notieren, weil der Markt oft damit rechnet, dass die unzureichende Versorgungssituation sich relativ schnell wieder stabilisiert. Im Moment notieren 6-Monats-Futures rund 2% über den Kassakursen, was historisch unterdurchschnittlich ist und auf eine Verengung des Silberangebotes hindeutet.

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Wie auch bei anderen Rohstoffen können die Marktteilnehmer bei Silber in unterschiedliche Gruppen eingeteilt werden. Während die einen (sog. Commercials) über die Terminmärkte reale Geschäfte absichern und abwickeln, setzen die anderen (sog. Non-Commercials) Futures zu spekulativen Zwecken ein. Dabei ist es interessant zu beobachten, dass sich die Spekulanten überwiegend pro-zyklisch verhalten und die Wendepunkte nicht rechtzeitig erkennen. Man interpretiert die Netto-Größe ausstehender Long-Positionen aus diesem Grund als Kontra-Indikator und insbesondere beim Erreichen von Extremniveaus, ist oft das Einnehmen einer Gegenpositionen sinnvoll. Im Moment haben Spekulanten ihre Positionen weitgehend abgebaut, was in der Zukunft für eine rasche Aufwärtsbewegung sorgen könnte, wenn sich die spekulative Seite wieder mit Futures eindeckt.

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Gold : Silber Ratio

Zwischen den Preisen für Gold und Silber, die beiden einzigen Edelmetalle mit einer nennenswerten monetären Rolle und ähnlichen Anwendungsbereichen in der Schmuck- und Münzherstellung, besteht historisch eine sehr starke Korrelation. Die Relation zwischen den Preisen für beide Metalle (Ratio) hat sich in einer extrem langfristigen Perspektive oft sprunghaft bewegt. Die Ratio blieb über Jahrhunderte stabil und hat sich infolge der Entdeckungen neuer Vorkommen nach einer kurzen Zeit immer wieder auf einem anderen Niveau stabil eingependelt. Im alten Ägypten war Silber z.B. teilweise sogar wertvoller als Gold. Mit der Öffnung europäischer Minen hat Silber zwar massiv an Akzeptanz gewonnen, jedoch hat der Preis im Vergleich zu Gold stagniert. Die größte Wende kam allerdings erst nach der Entdeckung Amerikas mit der Öffnung der großen Potosi Mine in Bolivien im 16. Jahrhundert. Nach einer anfänglichen Inflation stabilisierte sich der Silberkurs im Vergleich zum Goldpreis und die Ratio bleib fast 400 Jahre lang relativ konstant bei 14 bis 15. Zwar ist über einen Zeitraum von über 2500 Jahren eine deutliche Abwertung von Silber im Vergleich zu Gold zu beobachten. So lag die Ratio in Europa von circa 700 v.Chr. bis zum Jahre 14 etwa bei 10, dann stieg sie im 9. Jahrhundert auf 12 und im Jahre 1700 sogar auf 14. Jedoch sind diese Veränderungen langfristig im Vergleich zur enormen Abwertung von Silber in den letzten 30 Jahren und der heutigen Höhe der Ratio von knapp 60 zu vernachlässigen.

Die langfristige Konstante von rund 15 wurde im 18. Und 19. Jahrhundert in den meisten Ländern sogar gesetzlich festgelegt. So haben die USA im Jahre 1792 durch das Münzwesengesetz (Coinage Act) Silber die Schlüsselrolle im Geldumlauf verliehen und die Ratio per Dekret auf 15 festgesetzt. Aus der Festlegung der Gewichte dieser Metalle in französischen Münzen ging ein Verhältnis von 15,5 hervor. Demgegenüber hat England hat bei seinen Münzen im 18. Jahrhundert die Ratio sogar auf knapp 14 festgelegt.

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Mit der Abschaffung des Bimetallsystems Ende des 19. Jahrhunderts, in dem Silber und Gold gleichberechtigt waren und das Preisverhältnis zwischen den beiden Metallen bei etwa 15 festgelegt wurde, hat Silber im Vergleich zu Gold an Wert verloren. In den 60er Jahren wurde dann Silber auch im Land mit den weltweit größten Silberreserven, den USA, vollständig demonetisiert. Man sollte deshalb vermuten, dass die Bindung zwischen den Metallen endgültig gelöst sein sollte. Allerdings sehen wir andere Gründe als nur die monetäre Rolle für dieses starke historische Verhältnis.

Unserer Meinung nach bildete sich die Ratio zwischen den beiden Metallen im wesentlichen durch die relative Verfügbarkeit der Metalle heraus. War zu einem Zeitpunkt weniger Silber im Vergleich zu Gold im Umlauf als dies die offizielle Ratio in den Münzen implizierte, hortete man Silbermünzen so lange, bis das Verhältnis durch die Anpassung der Metallgewichte bei Münzen angeglichen wurde. Diese Regulierungsmechanismen funktionierten sogar weltweit. Die relative Präferenz für Silber im Vergleich zu Gold war z.B. in Japan und Südostasien traditionell höher als in Europa, weil das helle Schmuckmetall sehr edel auf dunkler asiatischer Haut aussah. Dies hatte enorme Ausfuhren von Silber und gleichzeitige Einfuhren von Gold von Europa nach Asien und eine langfristige Annährung des Preisverhältnisses weltweit zu Folge. Entsprechend mussten die überirdischen Silbereserven an Münzen, Schmuck und Tafelsilber im späten Mittelalter etwa 14 mal so groß gewesen sein wie die Goldreserven, was der aus den Münzen hervorgehenden Ratio entsprach.

Die Höhe verfügbarer überirdischer Reserven bleibt nur sehr schwer einzuschätzen. Wir vermuten aber, dass die Relation zwischen der Produktionshöhe beider Metalle, die schon seit längerem dokumentiert werden, auch den Schlüssel zur Höhe der Reserven liefert. Da Gold und Silber in der Vergangenheit ausschließlich zur Schmuck- und Münzenherstellung gebraucht wurden, war die gesamte Fördermenge jederzeit wiederverwendbar und verfügbar. Deswegen würde nach einem längeren Zeitraum die Relation zwischen der Produktionshöhe beider Metalle auch der relativen Höhe ihrer Reserven entsprechen. Die überlieferten Daten des US-amerikanischen Geologiebüros (USGS) von Anfang des 20. Jahrhunderts bestätigen diese These und zeigen ein Verhältnis von circa 14 zu 1 zwischen der Silber- und Goldproduktion.

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Die Relation zwischen der Gold- und Silberproduktion hat sich im letzten Jahrhundert zunehmend zu Gunsten von Silber entwickelt. War die Silberproduktion Anfang der 30er Jahre noch 14 mal höher als die Goldproduktion, so wurde sie im 20. Jahrhundert unterproportional erweitert und beträgt zurzeit lediglich das Achtfache der Goldproduktion. Die Situation bei überirdischen Beständen beider Metalle sieht jetzt noch dramatischer aus. Da schätzungsweise über 98% des jemals produzierten Goldes immer noch im Umlauf sind, können die verfügbaren überirdischen Bestände die Nachfrage momentan für circa 50 Jahre befriedigen. Dagegen reichen die derzeitigen Bestände bei Silber vermutlich lediglich zur Befriedigung einer Jahresnachfrage aus, weil ein großer Teil der historischen Silberproduktion "verloren" ging. Dies war bedingt durch den relativ kleinen Anteil von Silber in den meisten Anwendungen, was seine Wiedergewinnung bei niedrigen Preisen unrentabel machte.

Diese Erkenntnisse lieferten vermutlich auch den Brüdern Hunt die Argumentationsgrundlage zur Annahme, dass der Silberpreis im Verhältnis zu Gold unterbewertet sei und, dass eine Ratio unter zehn angemessen wäre. Sie versuchten diese These Ende der 70er Jahre mit einer ausführlichen Analyse der fundamentalen Situation beider Metalle zu verifizieren. Als Kursziel für ihre spekulativen Käufe haben sie nämlich nicht eine absolute Preishöhe angesetzt, sondern dieses von den Bewegungen des Goldpreises abhängig gemacht und versucht, die Ratio auf einen Wert von fünf zu bringen. Wegen eines starken Widerstandes seitens der US-Finanzkreise und der Regierung scheiterten sie allerdings sogar schon an der magischen Marke von 15.

Nicht nur ihre historische Bedeutung, sondern auch die große Aufmerksamkeit, die der Markt den Veränderungen der Ratio schenkt, macht ihre Beobachtung zu einem essentiellen Bestandteil einer Marktanalyse und ist aus unserer Sicht einer der wichtigsten preistreibenden Faktoren, weil viele Marktteilnehmer ihre Handelaktivitäten daran ausrichten. Die Kraft einer sog. selbsterfüllenden Prophezeiung solcher Faktoren am Markt ist entsprechend groß. Dies sollte aus unserer Sicht für eine weitere Annährung zwischen dem Gold- und Silberpreis sorgen und diese auch fundamental gerechtfertigte Bewegung beschleunigen.

Wir glauben, dass die Ratio in den kommenden Monaten den durchschnittlichen Wert der letzten 50 Jahre von knapp 50 erreicht. Bei unserem mittelfristigen Kursziel von 500 US-Dollar pro Unze für den Goldpreis ergäbe sich somit für den Silberpreis ein Kursziel von zehn US-Dollar pro Unze in den nächsten 6-12 Monaten. Allerdings erwarten wir, dass sich bei einer anhaltenden Edelmetall-Hausse der Silberpreis vergleichsweise besser entwickelt als der Goldpreis und sehr für diesen Fall sogar Potenzial von über 20 USD-Dollar pro Unze, welches sich aus historischen Entwicklungen ableiten lässt. Dies entspräche einer Ratio von 30 bei einem von uns erwarteten langfristigen Goldpreis von 600 US-Dollar, was wir aufgrund fehlender Reserven und überirdischer Bestände und weiteren für den Preisanstieg sprechenden Faktoren als wahrscheinlich erachten. Dieses Kursziel scheint außerdem langfristig wenig ambitioniert zu sein, da Silber von seinem historischen Höchststand so weit entfernt ist wie kein anderes Metall. Während Kupfer, Nickel und andere Industriemetalle sowie Platin historische Höchststände markieren, notiert Silber weiterhin fast 85% unter dem historischen Hoch von knapp 50 US-Dollar, das im Jahre 1980 erreicht wurde. Seitdem hat sich außerdem die fundamentale Angebot-Nachfrage Situation für Silber sogar noch verbessert.




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