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Die Rede von Dr. Kurt Richebächer anlässlich der Edelmetallmesse in München

20.12.2005  |  Dr. Kurt Richebächer
Dr. Kurt Richebächer war Referent auf der Internationalen Fachmesse für Edelmetalle und Rohstoffe, die am 18. und 19. November 2005 in München stattfand.


Sehr verehrte Damen und Herren,

die erste Reise in die Vereinigten Staaten unternahm ich im Jahre 1962. Ich lebte im Moritz Hotel im South Central Park und das Hotelzimmer kostete 10 Dollar. Ich hatte eine Empfehlung von der Deutschen Zentralbank für den Finanzminister der USA und er fragte mich, als ich zu ihm kam: "Soll ich Ihnen Ihre Termine vereinbaren?" Ich sagte: "Ja, bitte." Und so rief er jemanden an und dann kam ein sehr großer, junger Mann und es stellte sich heraus, dass es Paul Volcker war.

Paul Volcker vereinbarte meine Termine mit anderen Ökonomen. Und seit dieser Zeit sind wir in sehr engem Kontakt. Ebenso lernte ich durch ihn sofort alle führenden Ökonomen kennen. Ich stand 40 Jahre lang in engem Kontakt zu den führenden Ökonomen Amerikas, aber das endete praktisch in den 1980er Jahren. Die Diskussion in den 1990er Jahren wurde so verrückt, dass ich nicht mehr das Bedürfnis verspürte, zu irgendeinem amerikanischen Ökonomen Kontakt zu haben. Es war die ungewöhnliche Zeit des "neuen Wirtschaftsparadigmas".

Aber ich möchte gerne mit einem Zitat von Paul Volcker aus dem Washington Post Letter beginnen, der vor zwei oder drei Monaten erschien. Er schrieb: "Ich weiß nicht, ob eine Veränderung mit einem Knall oder einem Wimmern kommen wird, ob früher oder später. Aber so wie die Dinge stehen, ist es eher wahrscheinlich, dass es eine Finanzkrise, als politische Weitsicht sein wird, welche die Veränderung herbeiführen wird." (Anm.: Kompletter Artikel von Paul Volcker: www.washingtonpost.com)

Ich betrachte die Weltwirtschaft und identifiziere unter den industrialisierten Nationen drei Gruppen. Die erste Gruppe sind die Asiaten unter der Führung von China und eine Gruppe mit einer hohen Spar- und Investitionsrate. China ist das führende Land dieser Gruppe, welches einen großen Haushaltsüberschuss zu Amerika hat, aber auch ein großes Haushaltsdefizit zu den anderen asiatischen Ländern. Damit ist China also die wirtschaftliche und finanzielle Führungsmacht Asiens.

Viel interessanter für mich ist jedoch der Unterschied der beiden anderen Gruppen. Die eine Gruppe sind die angelsächsischen Länder, insbesondere die USA und die andere Gruppe die europäischen Länder. Während der letzten Jahre haben wir viel über die angelsächsische Seite gelesen, die mit ihrem überlegenen Wachstum und ihrer überlegenen Effizienz und überlegenen Flexibilität prahlt im Vergleich zu den unflexiblen, dummen Europäern. Deutschland sei hier an erster Stelle genannt.

Ich habe eine sehr starke Abneigung gegen diese Aussage. Ich würde sagen, dass die unflexibelsten Länder der Welt die angelsächsischen Länder sind. Ich würde nicht sagen, dass die Europäer sehr flexibel sind, aber sie sind in meinen Augen flexibler als die Angelsachsen.

Was ist die Besonderheit der angelsächsischen Länder? Sie befinden sich alle in Asset Bubbles. Ich denke, dass das Wirtschaftswachstum der angelsächsischen Länder während der letzten Jahre ohne Ausnahme durch Asset Bubbles getrieben wurde. Zuerst gab es die Immobilienblase und diese wandelte sich in eine Kreditblase, die wiederum zu einer Blase bei der Eigenheimrefinanzierung und zur Kapitalausweitung führte. Die auffälligsten Symptome dieses Wirtschaftswachstums sind große Außenhandelsbilanzdefizite. Alle angelsächsischen Länder, mit Ausnahme von Kanada, haben riesige Handelsbilanzdefizite und zusammenbrechende Sparraten. Diese Länder boomen mit Hilfe des Konsums. Es handelt sich um einen puren Konsum-Boom.

Das Gegenteil ist in Europa zu sehen. Die angelsächsischen Länder hatten ein größeres Wachstum als diejenigen in Europa, aber die Qualität des Wachstums ist ungesund. Ich werde später darauf noch eingehen. Zunächst möchte ich eine Anmerkung zur Flexibilität machen. Die allgemeine Erklärung ist, dass Europa total flexibel ist. Wir sind flexibel und darum haben wir höheres Wachstum und sie haben niedrigeres Wachstum. Aber das hat nichts mit Flexibilität zu tun.

Zuallererst möchte ich Flexibilität eines Landes wie folgt definieren: die Fähigkeit, Ungleichgewichte zu bewältigen, indem man diese verbessert. Wenn Sie auf die angelsächsischen Länder sehen, erkennen Sie keine Flexibilität im Sinne der Anpassung, Sie sehen nur Ungleichgewichte, die ständig größer werden. Ich glaube, dass diese Länder völlig unfähig sind, um auch nur die kleinste Anpassung vorzunehmen. Alle diese Länder. Und Amerika ist sicherlich unter den schlechtesten Ländern, da sie dies zudem verherrlichen.

Aber was ist das Problem Europas? Das Problem ist die hohe Sparquote. Amerika und die Angelsachsen haben eine zusammenbrechende Sparquote. Die Quote in Deutschland liegt bei 11 Prozent, die von Frankreich und Italien in gleicher Kategorie, wir haben sehr große Sparraten. Und diese Sparraten sind trotz einer sich abschwächenden Wirtschaft groß geblieben.

Was ist tatsächlich passiert? Wir haben ein starkes Abfallen der Investmentquote in den industrialisierten Ländern dieser Gruppe. Aber die Investmentquote in Europa ist größer, als diejenige in den angelsächsischen Ländern, aber noch immer zu niedrig im Vergleich zu dem hohen Grad der Sparrate. Deshalb bin ich erschüttert, dass die Europäer dies nie erklären. Die europäische Sparquote ist der Hauptgrund für das niedrige Wachstum.

In der Weltwirtschaft hatte Amerika natürlich die führende Rolle. Es hatte die führende Rolle wegen seines laufenden Handelsbilanzdefizits, welches seit dem Jahr 2000 von 400 Mrd. auf nun 800 Mrd. Dollar anwuchs. 800 Mrd. ist ein riesiger Betrag, selbst für eine Wirtschaft wie die der Vereinigten Staaten. Der Hauptnutznießer des amerikanischen Ausgaben- und Konsumbooms ist China. China hat einen Überschuss von ca. 180 Mrd. Dollar - mehr als die Hälfte verliert China wiederum an die anderen asiatischen Länder.

Aber der Schlüsselfaktor ist, dass China mit seinem festen Wechselkurs einen Exportüberschuss hat. Das Problem - oder die Schlüsselfrage ist: was passiert durch diesen Handelsüberschuss? Wie Sie wissen, haben wir in Deutschland auch unsere eigenen Erfahrungen mit dem Exportüberschuss gemacht. Der Exportüberschuss macht das Bankensystem liquide. Wir hatten boomende Investitionen und die boomenden Investitionen erhöhten wiederum den Handelsüberschuss. Das war die allgemeine Entwicklung.

Und ich sehe nun die gleiche Entwicklung in China. China hat sich gewendet und wird in meinen Augen Erfolg haben. China hat den Exportüberschuss in eine Kreditblase verwandelt. Indem sie Dollar kauften, haben sie ihr Bankensystem liquide gemacht. Das liquide Bankensystem weitet die Kredite aus und diese Kredite gehen in die Investmentblase und in die Immobilienblase. Das ist die Entwicklung in China. Aber China hat eine riesige Sparrate und eine riesige Investitionsrate. Praktisch geht China genau den Weg, den Japan ging. Was Sie in China sehen, ähnelt sehr stark an das, was in Japan passierte. Beide Länder kauften Dollar, machten das Bankensystem liquide, das Bankensystem ließ die Kreditblase entstehen, welche dann in Investment- und Immobilienblasen strömten. Meine Frage lautet deshalb: wie lange kann das in China noch gut gehen?

Lassen Sie uns wieder zu den Vereinigten Staaten zurückkehren. Die USA haben die schlimmste Kreditblase in der Geschichte. Es ist einfach beispiellos und unglaublich, was dort passiert. Als Greenspan das Amt übernahm, war die Gesamtverschuldung der USA bei 10 Billionen oder 10.000 Mrd. Dollar. Heute beträgt die Gesamtverschuldung ca. 37 Billionen Dollar. Das bedeutet, dass sich die Verschuldung in den USA mehr als verdreifacht hat und die Frage lautet: wohin ging das ganze Geld?

Es ging nicht in die Preisindizes. Die Amerikaner schauen nur wirklich auf den Preisindex. Ein stabiler Preisindex bedeutet Finanzstabilität und dank dieser Stabilität glauben sie an starkes Wachstum. Nun gut, ich sehe mir die Kontrollzahlen genau an. Für mich ist die Kreditexpansion immer ein Schlüsselfaktor für die Betrachtung einer Wirtschaft. Wenn Sie sich die Kreditexpansion in Amerika seit der späten 1970er Jahren ansehen, dann hatte Amerika über diese Jahrzehnte eine Kreditexpansion von 1,4 Dollar zu 1 Dollar zusätzlichem Bruttoinlandsprodukt (BIP). Das Verhältnis lag bei 1,4 zu 1. Kürzlich war das Verhältnis bei 4 zu 1. Für jeden Dollar zusätzliches BIP kamen 4 Dollar zur Gesamtverschuldung hinzu. Das ist die schlechteste Leistung im Hinblick auf die Kreditexpansion in der Geschichte und natürlich im Vergleich zu jedem anderen Land.

Die Frage ist: wie ist das möglich? Nun gut, ein Problem ist, dass man sich fragen muss, wohin der Kredit geht. In der Vergangenheit, bis in die späten 1970er Jahre, erwähnte ich bereits, dass 1,4 Dollar zusätzliche Schuld 1 Dollar zusätzliches Wachstum generierten. Zu dieser Zeit ging die Kreditausweitung direkt in die Ausgaben von Firmen oder Konsumenten. Konsumenten und Firmen liehen praktisch für einen einzigen Zweck, nämlich um in die reale Wirtschaft zu investieren. Das veränderte sich in den 1980er Jahren. Es gab zwei Entwicklungen. Mehr und mehr Kredite gingen in die Finanzmärkte. Das Resultat waren die Aktienmarktblase und die Kapitalblase. Dies entwickelte sich sukzessive. Währenddessen schwächte sich die Verbindung zwischen der Schöpfung von Kredit und Einkommen sowie der Ausgabenseite ab, das Verhältnis wurde unterbrochen.

Es gab eine allmähliche Entwicklung dahingehend, dass mehr und mehr Kreditwachstum in andere Kanäle oder Absatzmärkte lief, als in das BIP. Und dies wurde im Jahr 1998 extrem. Wenn Sie sich erinnern, hatten wir im Jahr 1998 die Asien Krise, die Russland Krise und die LTCM Krise. Es war ein Zeitraum, in dem die Federal Reserve intervenierte, um LTCM zu retten. Und seit 1998 gab es eine Explosion des Finanzkredits. In anderen Worten: mehr und mehr Kredit strömte in den Markt und das Kaufen von Assets ließ die Asset Preise und insbesondere den Aktienmarkt steigen.

Ein weiterer Kanal war das Handelsbilanzdefizit. Das Handelsbilanzdefizit bedeutet eine Kontraktion des innerstaatlichen Einkommens. Was passierte, ist, dass insbesondere die Konsumentenausgaben nicht länger zu den innerstaatlichen Produzenten gingen, die Einkommen schaffen. Es ging zu ausländischen Produzenten und schuf Einkommen in Asien. Das bedeutet den kompletten Verlust des Einkommens. Ein Handelsbilanzdefizit bedeutet Dollar für Dollar einen gleichen Verlust an Ausgaben und Einkommen für das Land mit dem Defizit. Amerika verliert auf diese Art und Weise derzeit jedes Jahr rund 800 Mrd. Dollar an ausländische Produzenten. Und selbstverständlich hat dies einen Effekt.

Die allgemeine Argumentation in Amerika ist: "Ach ja, das Handelsbilanzdefizit spielt keine Rolle, wir haben sogar mit dem Handelsbilanzdefizit ein höheres Wachstum als die Europäer, somit kann es kein Problem sein." Es gibt keine Ebene für Analyse, wie das Handelsbilanzdefizit die eigene Wirtschaft beeinflusst. Was passiert, ist, dass Amerika einen großen Abfluss seiner großen Einkommens- und Ausgabenströme hatte. Das ist das Handelsbilanzdefizit. And das wird die Wirtschaft in die Rezession, wenn nicht sogar in die Depression treiben. Aber um sich vor einem Abschwächen der Wirtschaft zu schützen, braucht man "billiges Geld". Das Handelsbilanzdefizit zwingt die Federal Reserve dazu, alternativen Kredit zu schaffen; alternative Ausgaben, die Einkommen erzeugen. Und das geschieht seitdem die ganze Zeit.




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