Suche
 
Folgen Sie uns auf:

Markt blendet Konjunkturdaten aus - Blick richtet sich auf EZB

05.06.2014  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1.3602 (07.43 Uhr), nachdem im europäischen Handel Tiefstkurse der letzten 24 Handelsstunden bei 1.3593 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 102.48. In der Folge notiert EUR-JPY bei 139.45. EUR-CHF oszilliert bei 1.2200.

Auch wir können nicht anders und müssen die EZB heute in den Fokus nehmen. Die einmonatige Wartezeit des Marktes endet heute, die Europäische Zentralbank verkündet ihr weiteres Vorgehen.

Die Märkte blendeten in den vergangenen Tagen sämtliche Konjunktursignale aus, es wurden keine neuen Positionen im Vorfeld der Notenbanksitzung aufgebaut.

Das Enttäuschungspotenzial ist nach den offensiven April-Aussagen Mario Draghis sehr groß. Die letzten Daten aus Europa liefern eigentlich genug Munition um die Politik des billigen Geldes auszuweiten - die EZB stellt die Deflationsgefahren in den Mittelpunkt ihrer Argumentation. Dabei werden flankiert von niedrigeren Energiepreisen die notwendigen Preisanpassungen in der Europeripherie gerade niedrige Inflationsraten (zuletzt 0,5 Prozent) erreicht.

Aufgrund von Preiseffekten sollte diese Thematik auf Sicht nicht virulent bleiben. Das Thema Deflation sehen wir entspannt. Was steckt hinter der Argumentation?

Geldpolitisch bestehen zwar Spielräume für die EZB, aber hinter den Überlegungen steht der Wechselkurs des Euros, der der EZB zu hoch war. Darin sieht sie ein Hemmnis für den Export europäischer Waren. Die gesamtwirtschaftliche Erholung wird durch schwache Exportwerte konterkariert. Die EZB sieht sich dem Druck aus Frankreich und Italien ausgesetzt, die sich besonders bei der Kritik an den Wechselkursen hervorgetan haben.

Billigere Eurokurse würden den Exporten dieser Länder (und natürlich auch derer der anderen Euroländer) unter die Arme greifen. Innenpolitische Fehentwicklungen und ausbleibende Innovationen können so zwar kaschiert werden, aber langfristig nicht überdeckt werden.

An der wirtschaftlichen Erholung hängt maßgeblich auch die Investitionsbereitschaft der Firmen. Im europäischen Wirtschaftsraum besteht die überragende Mehrheit der Firmen aus klein- und mittelständischen Unternehmen. Gerade diese Firmen haben gerade in Südeuropa Probleme an Kredite zu kommen. Dies liegt a) daran, dass die Banken ihre Bilanzen zwangsweise abbauen müssen und b) die Banken sich das Risiko durch relativ große Risikoaufschläge gut bezahlen lassen sowie c) das wirtschaftliche Umfeld noch immer nicht umsichtige Kaufleute zu Investitionen nötigt, also die Kreditnachfrage selber nicht exorbitant groß ist.

Auch administrative Hürden und wenig flexible Arbeitsmarktregelungen behindern die momentanen Entwicklungen dieser kleinen Firmen.

Ob die Kreditzinsen nun nach einer weiteren Zinssenkung um 0,1 Prozent günstiger werden oder nicht, spielt dabei so gut wie keine Rolle. Sonst müssten wir bei den aktuell supergünstigen Konditionen schließlich schon eine förmliche Investitionswelle vor uns sehen. Die Erwartungen an die wirtschaftliche Entwicklung und mögliche Absatzmärkte sind bestimmend, nicht die reinen Kreditkosten.

Wenn der Arbeitsmarkt, der mit einer kurzen Zeitverzögerung auf das Ende der Rezession vor einem Jahr reagiert hat, weiter gesunden soll, sind Investitionen und nominales Wachstum der Firmen ein Schlüssel zum Erfolg. Ebenso müssen die mächtigen Gewerkschaften im Süden den Weg zu Flexibilisierung und Modernität aber auch begleiten. Die junge Generation darf nicht eine verlorene Generation werden.

Ob die EZB diese große Erwartungshaltung - inzwischen geht der vollständige Markt von sinkenden Refizinsen (auf 0,15 oder 0,10 Prozent) und eines Strafzinses für geparkte Liquidität von -0,10 Prozent aus. Dass die Zinsen längere Zeit niedrig bleiben gilt als sicher. Die spannende Frage wird sein, ob man zu diesem Zeitpunkt die Bazooka durchlädt und Wertpapiere (Staatstitel oder verbriefte Kredite) von Banken ankauft.

Das Enttäuschungspotenzial ist groß. Die großen Kapitalströme sprechen pro Euro. Nur wenn sich die EZB zu einer zweiten FED macht, könnte der Markt überrascht reagieren. Lassen wir uns überraschen…

Konjunkturell zeichnete der Tag gestern ein gemischtes Bild:

Während Deutschland eine starke Zahl der Auftragseingänge präsentierte und UK weiter voll auf Expansion setzt, konnte Europa ein kleines BIP-Wachstum melden. Die USA lieferten schwache Zahlen…

Ein enttäuschendes Szenario lieferte der US-Arbeitsmarkt, denn die Beschäftigtenanzahl im Privatsektor konnte nicht so zulegen wie erwartet. Es sind im April lediglich 179.000 neue Stellen geschaffen worden statt prognostizierter 210.000 Jobs. Der Vormonat wurde um 5.000 Stellen von 220.000 auf 215.000 revidiert. Der offizielle Beschäftigungsindex der Regierung wird Freitag veröffentlicht.

Open in new window

Ein gutes Bild vermittelte der ISM Index für den Bereich außerhalb des verarbeitenden Gewerbes. Der Index konnte um 1,1 Zähler auf 56,3 Punkte zulegen. Damit liegt der Index auf dem höchsten Stand seit August 2013. Auch hier zogen die Neuaufträge an und markierten ein Drei-Jahres-Hoch. Der Subindex "Geschäftstätigkeit" liegt im Berichtsmonat bei 62,1 Punkten und damit auf dem höchsten Stand seit mehr als drei Jahren.

Open in new window

Eine deutliche Zunahme gab es vom Handelsbilanzdefizit zu vermelden. Schon traditionell im Minus, wurde das Defizit im April erneut ausgeweitet. Der Fehlbetrag ist auf 47,2 Milliarden US Dollar gestiegen. Das Defizit war zuletzt vor zwei Jahren so hoch.

Die Handelsbilanz ist ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite signalisiert die Bilanz eine Zunahme an wirtschaftlicher Aktivität, auf der anderen Seite werden die strukturellen Defizite des Landes deutlich.

Open in new window

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das eine neutrale Haltung in der Parität EUR-USD favorisiert. Nachhaltige Trendsignale sind derzeit unausgeprägt.

Viel Erfolg!


© Moritz Westerheide
Bremer Landesbank



Hinweis: Meinungen oder Empfehlungen geben die Einschätzung des jeweiligen Verfassers wieder und stellen nicht notwendigerweise die Meinung der Bremer Landesbank oder deren assoziierter Unternehmen dar. Sie können sich jederzeit ohne vorherige Ankündigung ändern. Die hier enthaltenen Aussagen sind nicht als Angebot oder Empfehlung bestimmter Anlageprodukte zu verstehen. Dies gilt auch dann, wenn einzelne Emittenten oder Wertpapiere erwähnt werden. Hier enthaltene Informationen können auf die individuellen Verhältnisse des Anlegers abgestellte, kundenspezifische und objektorientierte Beratung nicht ersetzen. Bitte setzen Sie sich deshalb mit Ihrem bei der Bremer Landesbank zuständigen Berater in Verbindung.



Bewerten 
A A A
PDF Versenden Drucken

Für den Inhalt des Beitrages ist allein der Autor verantwortlich bzw. die aufgeführte Quelle. Bild- oder Filmrechte liegen beim Autor/Quelle bzw. bei der vom ihm benannten Quelle. Bei Übersetzungen können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Der vertretene Standpunkt eines Autors spiegelt generell nicht die Meinung des Webseiten-Betreibers wieder. Mittels der Veröffentlichung will dieser lediglich ein pluralistisches Meinungsbild darstellen. Direkte oder indirekte Aussagen in einem Beitrag stellen keinerlei Aufforderung zum Kauf-/Verkauf von Wertpapieren dar. Wir wehren uns gegen jede Form von Hass, Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde. Beachten Sie bitte auch unsere AGB/Disclaimer!




Alle Angaben ohne Gewähr! Copyright © by GoldSeiten.de 1999-2024.
Die Reproduktion, Modifikation oder Verwendung der Inhalte ganz oder teilweise ohne schriftliche Genehmigung ist untersagt!

"Wir weisen Sie ausdrücklich auf unser virtuelles Hausrecht hin!"