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Die gelackmeierten Sparer: Von Draghi vertröstet, von Merkel verstoßen

08.06.2014  |  Manfred Gburek
Heute gehe ich zum dritten Mal in nur vier Tagen, nach Internetbeiträgen bei wiwo.de und gburek.eu, auf die Entscheidung des EZB-Rats vom vergangenen Donnerstag ein. Warum? Beginnen wir mit einer einfachen Erklärung: Weil EZB-Chef Mario Draghi einen Traum hat. Der spiegelt sich in seinen Worten wider. Gefragt, ob denn die extrem niedrigen Zinsen mitsamt der ganzen Geldschwemme nicht die Enteignung der Sparer nach sich zögen, antwortete er: "Unser Maßnahmenpaket ist genau das Gegenteil davon."

Wie ist das nun schon wieder zu verstehen? Nach Draghis Traum offenbar so: Die EZB verschafft der europäischen Wirtschaft das erforderliche Wachstum. Wenn das dann mal so richtig in Fahrt gekommen sein sollte, könnten die Zinsen steigen, und die Sparer hätten das, was sie wollten. Das sind wirklich interessante Aussagen. Sie bedeuten offenkundig:

Das Mandat der EZB erstreckt sich über die Geldpolitik hinaus wohl auch auf die Konjunkturpolitik. Der Zinsanstieg kommt zwar nicht von heute auf morgen, aber in absehbarer Zeit, sodass die jetzt mit Minizinsen abgespeisten Sparer später noch etwas von ihm haben (falls sie bis dahin nicht gestorben sind). Und die Marktteilnehmer, auf die es ankommt - Banken, Großanleger, Staaten als Schuldner -, sind bereit, nach Draghis Pfeife zu tanzen.

Geht man den Dingen auf den Grund, ist zunächst festzuhalten, dass die EZB mit ihren Maßnahmen vom vergangenen Donnerstag Neuland beschritten hat: nochmalige Geldschwemme in Höhe von 400 Milliarden Euro (weitere Blasenbildung an den Finanzmärkten möglich) plus Leitzinssenkung von 0,25 auf 0,15 Prozent (was die Finanzminister der Eurozone freut und deren Regierungen zum Schlendrian bei den Reformen werden lässt) plus kleiner Strafzins für Banken (den sie aber locker wegbügeln können, indem sie ihn den Kunden aufs Auge drücken) plus Versprechen noch drastischerer Maßnahmen (einschließlich ABS = Asset Backed Securities = verbriefte Forderungen, also das Teufelszeug, das uns 2007 ff. die Finanzkrise mit eingebrockt hat).

Auf der Suche nach passenden Zitaten zur Neuausrichtung der EZB-Geldpolitik haben mir zwei besonders gefallen: „Der weitgehend auf unerprobtem Gelände stattfindende geldpolitische Rundumschlag der EZB dürfte in die Geschichtsbücher eingehen – falls das dahinterstehende Kalkül aufgeht. Und daran bestehen begründete Zweifel... Das Bankenwohl steht an erster Stelle - und der Politik wird ein Freifahrtschein ausgestellt. Sie kann nun alle Reformanstrengungen fahren lassen." Das schreibt die Börsen-Zeitung, Leib- und Magenblatt der Finanzwelt.

Der jenseits der Mainstream-Medien erfolgreiche Internetdienst Deutsche Wirtschafts Nachrichten geht noch weiter: "Die meisten deuten die massive Geldschwemme als ein Zeichen, dass die Lage in der Eurozone weitaus kritischer ist als bisher bekannt... Angela Merkel gibt der politischen Stabilität der Eurozone Priorität über den Schutz der deutschen Sparer... Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ist einer der Gewinner der EZB-Zinssenkung: Über Nacht ist das Milliardenloch im Bundeshaushalt verschwunden. Den Preis für die Budget-Entlastung zahlen die Sparer.... Der Bundestags-Haushaltsausschuss billigte in der Nacht zum Freitag nach Angaben von Teilnehmern neue Kredite des Bundes von maximal 6,5 Milliarden Euro in diesem Jahr.“

Da nun schon so viel von den gelackmeierten Sparern die Rede ist, wird es höchste Zeit, sich diese Spezies mal etwas näher anzusehen. Auf Anhieb denkt man wohl an Menschen, die ihr Geld früher einem Sparbuch anvertraut haben und es heute auf einem Tagesgeldkonto haben. Richtig gedacht, die Einlagen bei Banken und Sparkassen machen mehr als 40 Prozent des deutschen Geldvermögens aus. Dahinter folgen in gehörigem Abstand Anlagen bei Versicherern, deren Investitionen überwiegend aus diversen festverzinslichen Schuldtiteln bestehen. Beide Positionen zusammen bilden rund drei Viertel des Geldvermögens. Abgeschlagen landen Fonds mit knapp 10 Prozent und erst recht Aktien mit 5 Prozent.

Das sieht so aus, als sei für deutsche Sparer die Sicherheit besonders wichtig - keine absolute Sicherheit, sondern eine Scheinsicherheit nach dem Motto: bloß keine Wertveränderungen, geschweige denn Kursschwankungen, Hauptsache, die Zinsen stimmen. Doch genau das ist zu kurz gesprungen. Denn bei mittlerweile unter Null angekommenen Realzinsen, also Nominalzinsen abzüglich Inflationsrate, schwindet die falsch verstandene Sicherheit allmählich dahin.

Diesen Umstand haben sich in den vergangenen Jahren zunehmend die Emittenten von Unternehmensanleihen und Firmen vom sogenannten grauen Kapitalmarkt wie Prokon zunutze gemacht, indem sie feste Zinsen versprochen haben. Prokon ist inzwischen insolvent. Und was geschieht mit Unternehmensanleihen? Hierbei handelt es sich um einen ziemlich undurchsichtigen Markt:

Anlagelaien können nicht verstehen, warum ein Unternehmen 4 oder 5 Prozent Zinsen zahlt, ein anderes aber 7 oder 8 Prozent, wenn in Emissionsprospekten keine entsprechenden Hinweise zu finden sind. Derweil müssen sich Ratingagenturen erst noch etablieren und wenigstens halbwegs vergleichbare Bewertungskriterien entwickeln, bevor ihre Urteile von Anlegern ohne Wenn und Aber anerkannt werden können.

Was bleibt den Sparern übrig? Die wenigsten schwören wohl noch auf Kapitallebensversicherungen wegen sehr langer Laufzeiten und immer schlechterer Ergebnisse. Damit und mit den uninteressant gewordenen Einlagen bei Banken und Sparkassen kommen folglich rund drei Viertel des deutschen Geldvermögens für eine Anlage, die diese Bezeichnung verdient, nicht mehr in Betracht. Fonds? Wegen des undurchsichtigen Fondsdschungels kann man nur sagen: Viel Glück, der nachhaltige Anlageerfolg steht in den Sternen! Immobilien? Nach dem Preisanstieg und durch die Mietpreisbremse nur noch etwas für kundige Spezialisten.

Was bleibt, sind Aktien (zurzeit allerdings überbewertet) und Edelmetalle (immer wieder mal künstlich im Preis gedrückt). Beide fordern Anlegern einiges ab: Viel mehr Wissen, als für Zinsanlagen erforderlich ist, hoher Zeitaufwand, ständiges Beobachten der Finanzmärkte, Gespür für Kursveränderungen und Timing, starke Nerven, Umgang mit Anlagefehlern und einiges mehr.

Machen wir uns nichts vor: Nachdem Draghi deutsche Sparer auf den Sankt-Nimmerleins-Tag vertröstet und Merkel sie geradezu verstoßen hat, führt an den hier genannten Erfordernissen kein Weg vorbei. Die Entscheidung liegt bei den Sparern: Legen sie ihr Geld wie bisher an, wird es im Lauf der Zeit immer weniger wert. Schwenken sie bei passender Gelegenheit - aber bitte nur dann - zu Aktien oder Edelmetallen um, kann ihr Geld zwar vorübergehend, aber nicht auf Dauer weniger wert sein. Wenn nicht alles täuscht, sind demnächst wieder Gold und Silber an der Reihe, im Wert zuzulegen.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu



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