Gbureks Geldgeflüster: Chamäleon Inflation
04.04.2021 | Manfred Gburek
Schier unermesslich steigende Staatsschulden, Rohstoffpreise auf breiter Front im Aufwärtstrend, unterbrochene Lieferketten, zwischenzeitliche Sperre im Suezkanal - und täglich grüßt die Corona-Krise. Noch mehr an Vorboten einer Inflation, das ist kaum möglich. Dennoch kann man beim Verfolgen der Medien leicht den Eindruck gewinnen, als sei sie noch kein Thema.
Es wird also höchste Zeit, ein paar Fehldeutungen in Sachen Inflation gerade zu rücken. Zum Beispiel machen Volkswirte derzeit gern diese Rechnung auf: Stiege die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen von aktuell 1,67 Prozent auf 2 Prozent, spreche die Differenz von 0,33 Prozentpunkten für solche Anleihen. Dass der Anstieg der Rendite, finanzmathematisch vorgegeben, dann zwangsläufig mit dem Kursverlust der Anleihen einherginge, wird gern ausgeblendet. Ebenso die reale Rendite, also die nominale abzüglich Inflationsrate.
Volkswirte vergleichen gern auch Renditen von Anleihen mit Dividendenrenditen von Aktien und sogar mit der Preisentwicklung von zinslosem Gold - ungeachtet der Tatsache, dass für den Kauf von Gold andere Kriterien gelten als für die Anlage in Anleihen oder Aktien, langfristig etwa die Streuung des Vermögens und der Schutz vor Inflation.
Aber vor welcher Inflation?
Im Angebot sind: Die offizielle, die zuletzt in Deutschland auf 1,7 Prozent gestiegen ist. Ferner die seit Jahren als Ziel für den Euroraum vorgegebene, jedoch immer noch nicht erreichte von etwas unter 2 Prozent. Die erwartete, die auf der Entwicklung von Immobilienpreisen und Wertpapierkursen basierende, genannt Asset Inflation - und sogar die gefühlte, um nur all die zu nennen, über die am meisten diskutiert wird.
Letztere reflektiert, ohne eine präzise Zahl wiederzugeben, vor allem die Preise von Gütern und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs; sie ist also auch ohne Präzision nahe an der Realität, während etwa das Inflationsziel bloß ein nicht zu Ende gedachtes theoretisches Konstrukt darstellt.
Alles in allem: Es gibt einfach keine allgemein gültige, auf alle Menschen und alle Sachverhalte zutreffende Inflation. Im Übrigen ist zu unterscheiden zwischen den hier genannten Varianten und den Folgen, die je nach Preisentwicklung entweder als trabend oder als galoppierend bezeichnet werden. Und immer handelt es sich um einen dynamischen Prozess.
Das Trügerische an der Inflation besteht nicht nur darin, dass sie wie ein Chamäleon daherkommt, sondern auch in ihren nicht vorhersehbaren Auswirkungen im Einzelnen. Dazu nur dieses Beispiel aus dem vergangenen Jahr: Während die Franzosen nach Ausbruch der Pandemie in großem Umfang Wein horteten, bevorzugten die Deutschen Toilettenpapier. Wie ist wo etwas zu erklären? Bestenfalls psychologisch, falls überhaupt.
Erst recht ins Reich der Psychologie gehören die großen Schwankungen der Inflationsraten. Auch hierzu ein Beispiel: Unter der amerikanischen Regierung von Präsident Ronald Reagan in den 80er Jahren schien die Inflation unaufhaltsam zu sein. Doch dann kam ihm Paul Volcker zu Hilfe, der damalige Chef der Notenbank US-Notenbank Fed, indem er zur Bekämpfung der Inflation den Leitzins in zweistellige Höhen schießen ließ.
Das saß, denn daraufhin gingen die Inflationsraten unter Schwankungen sogar weltweit zurück - bis sie zuletzt sogar ins Negative abrutschten. Psychologisch betrachtet: Das große Vertrauen in der amerikanischen Bevölkerung, das Reagan seinerzeit genoß, übertrug sich auf Volcker und damit auf dessen rigide Zinspolitik.
Und heute? Da weit und breit weder ein zweiter Reagan noch ein zweiter Volcker auszumachen ist, müssen wir wohl damit rechnen, dass uns die Inflation eines nicht mehr fernen Tages ohne vorherige Warnung erwischen und dann nicht mehr aufzuhalten sein wird.
Insofern ist die viel verwendete Metapher von der Ketchupflasche, deren Inhalt nach dem Öffnen zunächst drin bleibt, bis er anschließend in einem großen Schwall auf ein Mal herausfließt, gar nicht so verkehrt. Denn sie besagt im übertragenen Sinn: Das viele in den globalen Wirtschaftskreislauf gepumpte Geld wird eines nicht allzu fernen Tages eine nicht mehr aufzuhaltende Inflation auslösen.
Es empfiehlt sich also, diesen Gedankengang weiter zu verfolgen und auf Indikatoren zu achten, die rechtzeitig vor der kommenden Inflation warnen. Das ist neben den eingangs erwähnten Rohstoffpreisen seit dem vergangenen Donnerstag auch der wie aus dem Nichts nach oben geschossene Goldpreis - sozusagen erst Ketchup, dann Inflation und mittendrin Gold.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.
Es wird also höchste Zeit, ein paar Fehldeutungen in Sachen Inflation gerade zu rücken. Zum Beispiel machen Volkswirte derzeit gern diese Rechnung auf: Stiege die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen von aktuell 1,67 Prozent auf 2 Prozent, spreche die Differenz von 0,33 Prozentpunkten für solche Anleihen. Dass der Anstieg der Rendite, finanzmathematisch vorgegeben, dann zwangsläufig mit dem Kursverlust der Anleihen einherginge, wird gern ausgeblendet. Ebenso die reale Rendite, also die nominale abzüglich Inflationsrate.
Volkswirte vergleichen gern auch Renditen von Anleihen mit Dividendenrenditen von Aktien und sogar mit der Preisentwicklung von zinslosem Gold - ungeachtet der Tatsache, dass für den Kauf von Gold andere Kriterien gelten als für die Anlage in Anleihen oder Aktien, langfristig etwa die Streuung des Vermögens und der Schutz vor Inflation.
Aber vor welcher Inflation?
Im Angebot sind: Die offizielle, die zuletzt in Deutschland auf 1,7 Prozent gestiegen ist. Ferner die seit Jahren als Ziel für den Euroraum vorgegebene, jedoch immer noch nicht erreichte von etwas unter 2 Prozent. Die erwartete, die auf der Entwicklung von Immobilienpreisen und Wertpapierkursen basierende, genannt Asset Inflation - und sogar die gefühlte, um nur all die zu nennen, über die am meisten diskutiert wird.
Letztere reflektiert, ohne eine präzise Zahl wiederzugeben, vor allem die Preise von Gütern und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs; sie ist also auch ohne Präzision nahe an der Realität, während etwa das Inflationsziel bloß ein nicht zu Ende gedachtes theoretisches Konstrukt darstellt.
Alles in allem: Es gibt einfach keine allgemein gültige, auf alle Menschen und alle Sachverhalte zutreffende Inflation. Im Übrigen ist zu unterscheiden zwischen den hier genannten Varianten und den Folgen, die je nach Preisentwicklung entweder als trabend oder als galoppierend bezeichnet werden. Und immer handelt es sich um einen dynamischen Prozess.
Das Trügerische an der Inflation besteht nicht nur darin, dass sie wie ein Chamäleon daherkommt, sondern auch in ihren nicht vorhersehbaren Auswirkungen im Einzelnen. Dazu nur dieses Beispiel aus dem vergangenen Jahr: Während die Franzosen nach Ausbruch der Pandemie in großem Umfang Wein horteten, bevorzugten die Deutschen Toilettenpapier. Wie ist wo etwas zu erklären? Bestenfalls psychologisch, falls überhaupt.
Erst recht ins Reich der Psychologie gehören die großen Schwankungen der Inflationsraten. Auch hierzu ein Beispiel: Unter der amerikanischen Regierung von Präsident Ronald Reagan in den 80er Jahren schien die Inflation unaufhaltsam zu sein. Doch dann kam ihm Paul Volcker zu Hilfe, der damalige Chef der Notenbank US-Notenbank Fed, indem er zur Bekämpfung der Inflation den Leitzins in zweistellige Höhen schießen ließ.
Das saß, denn daraufhin gingen die Inflationsraten unter Schwankungen sogar weltweit zurück - bis sie zuletzt sogar ins Negative abrutschten. Psychologisch betrachtet: Das große Vertrauen in der amerikanischen Bevölkerung, das Reagan seinerzeit genoß, übertrug sich auf Volcker und damit auf dessen rigide Zinspolitik.
Und heute? Da weit und breit weder ein zweiter Reagan noch ein zweiter Volcker auszumachen ist, müssen wir wohl damit rechnen, dass uns die Inflation eines nicht mehr fernen Tages ohne vorherige Warnung erwischen und dann nicht mehr aufzuhalten sein wird.
Insofern ist die viel verwendete Metapher von der Ketchupflasche, deren Inhalt nach dem Öffnen zunächst drin bleibt, bis er anschließend in einem großen Schwall auf ein Mal herausfließt, gar nicht so verkehrt. Denn sie besagt im übertragenen Sinn: Das viele in den globalen Wirtschaftskreislauf gepumpte Geld wird eines nicht allzu fernen Tages eine nicht mehr aufzuhaltende Inflation auslösen.
Es empfiehlt sich also, diesen Gedankengang weiter zu verfolgen und auf Indikatoren zu achten, die rechtzeitig vor der kommenden Inflation warnen. Das ist neben den eingangs erwähnten Rohstoffpreisen seit dem vergangenen Donnerstag auch der wie aus dem Nichts nach oben geschossene Goldpreis - sozusagen erst Ketchup, dann Inflation und mittendrin Gold.
© Manfred Gburek
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Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.