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Der etwas andere Blick aufs Gold

07.03.2021  |  Manfred Gburek
Ein Ereignis, das uns alle betrifft - und trotzdem hüllen sich die meisten Medien darüber in Schweigen: die Flucht der Amerikaner vor einer klaren Zinsentscheidung. Oder im Finanzsprech formuliert:

Die amerikanische Zentralbank Fed in Person ihres Chefs Jerome Powell hat sich am vergangenen Donnerstag vor einer klaren Aussage zu so wichtigen Themen wie Anleihenrenditen und Inflation gedrückt. Stattdessen: bestenfalls eine Art Aufruf zum Spiel der freien Kräfte. Das wird Konsequenzen haben: zum einen in stärker werdenden Schwankungen der Aktien- und Anleihenkurse (zu verfolgen anhand von Indizes wie VIX und VDax), zum anderen in der Verunsicherung der Anleger. Kurzum: Uns stehen turbulente Börsen bevor.

Was bietet Schutz vor ihnen? Auf einen Nenner gebracht: neben den üblichen Tugenden, wie zum Beispiel Streuung und Timing, vor allem auch das laufende Verfolgen so wichtiger Indikatoren wie Anleihenrenditen (besonders die der zehnjährigen amerikanischen), Inflationsraten und Goldpreis in Dollar. Diese Indikatoren sind miteinander verknüpft. Dazu kursieren in Börsenkreisen beispielsweise so gängige Faustregeln wie diese: Je höher Anleihen rentieren, desto negativer wirken sie sich auf den Goldpreis aus. Und je höher die Inflationsrate steige, desto günstiger wirke sie sich auf den Goldpreis aus.

Doch diese Betrachtungsweise vernachlässigt einen wichtigen Faktor: Dynamik. Und damit zusammenhängend: Erwartungen. Jerome Powell hatte am vergangenen Donnerstag genug Zeit, um sich dazu konkret zu äußern. Stattdessen beließ er es bei Andeutungen. Das wird sich zunächst rächen und wahrscheinlich dazu beitragen, dass Aktien- wie auch Anleihenkurse erst mal in den Keller gehen, weil Börsianer Andeutungen jeder Art statt Fakten erfahrungsgemäß überhaupt nicht mögen.

Und der Goldpreis? Legt man bei der folgenden Betrachtung die zehnjährige reale Anleihenrendite Amerikas zugrunde, also die nominale (aktuell etwas über 1,6 Prozent) abzüglich Inflationsrate (1,4 Prozent), müsste der Goldpreis rein rechnerisch etwas fallen. Das ist allerdings nicht die ganze Wahrheit. Denn zum einen ist die Zusammensetzung der amerikanischen - wie auch der deutschen und der europäischen - Inflationsrate äußerst umstritten. Zum anderen sind Inflationserwartungen statt der rechnerischen, auf vergangenen Daten basierenden Inflationsrate die realistischere Alternative - leider verbunden mit dem Handicap, dass Erwartungen immer spekulativ sind.

Zugegeben, die ganze Thematik rund um Renditen und Inflationserwartungen ist derart komplex, dass es noch niemandem gelang, daraus eine allseits stichhaltige Prognose abzuleiten. Denn entweder die Daten geben nicht genug her und müssen demzufolge relativiert werden. Oder man greift auf die Erfahrungen aus der Vergangenheit zurück und kommt dann wenigstens zu gewissen Wahrscheinlichkeiten – vorausgesetzt, in der Wirtschaft, an den Finanzmärkten und im Verhalten der Anleger hat sich nichts Grundlegendes verändert.

Solche Einschränkungen werfen die Frage auf, ob es nicht sinnvoller erscheint, sich in puncto Gold von vornherein lieber auf ausgesuchte Kennzahlen, wie Gold-Dow-Jones- oder Gold-Silber-Verhältnis und auf Chartformationen zu konzentrieren. Dies auch noch aus einem anderen Grund: An der Börse wird bekanntlich nicht nur die Zukunft gehandelt, sondern besonders auch die Gier, wenn die Kurse steigen, und die Angst, wenn sie fallen.

Übertragen auf den in der vergangenen Woche vorübergehend unter 1700 Dollar je Unze gerutschten Goldpreis stellt man sich also sinnvollerweise die Frage: Ist das bereits ein Preis zum antizyklischen Kaufen oder noch zum prozyklischen Verkaufen? Zur Beantwortung dürften sich die vom World Gold Council laufend veröffentlichten Daten als besonders hilfreich erweisen, weil sie belegen, welche Investorenkreise gerade Gold kaufen und welche es verkaufen. Diese Daten deuten aktuell darauf in, dass die Welle der Verkäufe aus dem vergangenen Jahr im neuen Jahr abgeebbt ist.

Dementsprechend hat der Goldpreis während der letzten Tage nach dem kurzfristigen Rücksetzer unter 1700 Dollar konsolidiert. Jetzt braucht nur noch der Realzins im Zuge steigender Inflationserwartungen nachhaltig ins Negative zu drehen, und schon würden viele Investoren antizyklisch auf Gold setzen.

Im Übrigen sollte ein weiterer Aspekt nicht in Vergessenheit geraten: Mögen die eingangs erwähnten Beispiele noch so sehr für Vergleiche zwischen Anleihen und Goldpreisen sprechen - unterm Strich kommt bei der ganzen Rechnerei mit und ohne Renditen etwas heraus, was sich nur bedingt in eine erfolgreiche Anlagestrategie umsetzen lässt. Hätte es dafür noch eines Beweises bedurft - führende amerikanische Großbanken haben ihn zuletzt erbracht: Sie lagen mit ihren Preiszielen voll daneben. Für Häme bleibt hier jedoch kein Platz.

So sehr es Volkswirte und Finanzanalysten in den Fingern juckt, wenn es darum geht, alles rund um die Geldanlage in Gold zu quantifizieren und daraus Preisziele abzuleiten - wie die Schieflagen der Großbanken zeigen, ist ein solcher Ansatz offensichtlich zum Scheitern verurteilt. Da erscheint die folgende Methode schon sinnvoller: Ausgehend von der Tatsache, dass Gold nie pleite machen kann, kauft man einige Barren oder Münzen. Steigt der Preis, freut man sich über den Gewinn, fällt er, kauft man nach.

Solche ehernen Prinzipien werden in turbulenten Zeiten, wie wir sie gerade erleben, allzu leicht vergessen. Die aktuelle Passivität von Fed-Chef Jerome Powell tut ein Übriges dazu, dass viele amerikanische Börsianer sich derzeit lieber Gedanken über Bruchteile von Anleihenrenditen hinter dem Komma machen, als grundsätzliche Überlegungen zur Anlagepolitik anzustellen. Doch so sind sie nun mal, diese an der Wall Street rund um die Uhr mit dem Thema Geld beschäftigten Amerikaner. Nur sollte man sich von ihnen, auf die Finanzen bezogen, nicht anstecken lassen.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu



Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.

Neu bei www.gburek.eu: Das gefährliche Spiel mit Anleihen und Aktien


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