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Vom Herdentrieb und der Massenpsychologie 2.0

13.10.2014  |  Philip Hopf
- Seite 2 -
Der Artikel "Large Financial Crashes", veröffentlicht 1997 in einer Publikation der European Physical Society, präsentierte eine aufschlussreiche Zusammenfassung des menschlichen Herden-Phänomens innerhalb der Finanzmärkte:

Die Aktienmärkte sind faszinierende Strukturen mit Analogien dazu, was wohl das komplizierteste dynamische System ist, das in den Naturwissenschaften, d. h. im Menschenverstand, gefunden wurde. Statt der üblichen Interpretation der effizienten Markthypothese, in dem Händler durch bewusste Handlungen, durch Kaufen und Verkaufen von Aktien den Marktpreis bestimmen und leiten, schlagen wir vor, dass der Markt als Ganzes ein Herden-Verhalten aufweist, das nicht von den einzelnen Individuen wahrgenommen wird. Ohne es zu wissen, handelt die Masse einvernehmlich durch das, was man als "höheres Kollektivbewusstsein“ bezeichnet.

Dieser Prozess ist in der Biologie zum Beispiel bei Ameisenkolonien oder im Zusammenhang mit dem Erscheinen des kollektiven Bewusstseins zu beobachten. Entdeckt eine Ameise eine Gefahr, oder findet eine neue Futterquelle, reagieren darauf nach kürzester Zeit auch alle anderen Ameisen der Kolonie, obwohl die "Entdeckerameise", von der der Impuls ausging, noch keine Möglichkeit hatte, diese Information aktiv weiterzugeben. Das ist für viele recht esoterisch und unheimlich, jedoch spricht man dabei von einem Kollektivbewusstsein. Auch bei Zugvögeln ist dieses Phänomen oftmals zu beobachten.

Zurück zu den Finanzmärkten: Vergleichen Sie den Markt mit einem Ameisenstrom, in dem alle in eine bestimmte Richtung marschieren. Legt man nun einen Stock über ihren Pfad, so wird es eine kurze Verwirrung und dann eine Reaktion auf den Stimulus geben. Aber nur wenig später geht die ursprüngliche Parade von Ameisen weiter ihren vorbestimmten Weg, und der Stimulus bleibt ohne weitere Wirkung.

Es scheint so, dass der Markt diesem Strom eines Pfades entspricht, der durch eine Massenform des Herden-Verhaltens bestimmt wird und dessen Richtung durch die soziale Stimmung vorgegeben wird. Dies erklärt die oft gestellte Frage, warum Märkte steigen, wenn schlechte Nachrichten bekannt gegeben werden oder umgekehrt.

Es zeigt die Sinnlosigkeit, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, ob das nächste "Nachrichtenereignis" die Märkte positiv oder negativ beeinflussen wird oder nicht. Das ist der Grund, weshalb ich auch nie auf irgendwelche Nachrichtenereignisse verweise, wie es beispielsweise 99% aller Marktanalysten tun. Wenn man Berichterstattungen und ihre angenommene Wirkung auf die Märkte verfolgen will, gibt es hunderte von Autoren, die darauf eingehen werden. Aber genau diese lagen mehrheitlich falsch und wurden gerade in den letzten zwei Jahren von ihren eigenen Prognosen überrollt.

Die natürliche Tendenz, der Gruppe, also der Herde, zu folgen, veranlasst viele, die Meinung und Ansichten der Herde zu übernehmen und damit auch ihre Emotionen. Auf den Markt übertragen heißt das: Da die meisten Marktteilnehmer keine Experten sind, wird ihr wesentlicher Überlebensinstinkt sie dazu verleiten, anderen "angeblichen" Experten im Markt zu folgen. Dieser Wunsch, sie eigenen Ansichten nach der Menge auszurichten, schafft solch ein starkes Gefühl, dass er Logik und Realität überbieten kann.

Weil dieser Instinkt so stark ist, kann ein kleiner Kreis von Individuen in der Herde, Momente der Angst in einer Panik und Habgier in einer Rallye hervorrufen, woraufhin alle restlichen Mitglieder der Masse oder Herde bereitwillig folgen. Gier und Angst stellen in der Herden-Psychologie die zwei entscheidendsten Faktoren des Handelns dar.

Warum folgen sich die Menschen oft in den Untergang oder tun zumindest Dinge, die bar jeglicher Logik sind?

Friedrich Nitzsche schrieb dazu: "Der Irrsinn ist bei einzelnen etwas Seltenes, aber bei Gruppen, Parteien und Völkern die Regel.“

Befindet sich der Markt, wie bei den Metallen seit 2011, in einer korrektiven Phase, ist er viel schwieriger auszurechnen. Es gibt unvorhersehbare Marktbewegungen, der Markt dreht oder fällt oft ohne Vorwarnung und verhält sich nicht linear. Die meisten Variablen aller Marktgeschehen entstehen in der korrektiven Phase des Marktes. Auch hier der Verweis zum Herden-Phänomen.

Beobachtet man Menschen, wie sie in Massen bei einer Demonstration aufmarschieren, so ist oft in der Drangphase eine Organisation zu erkennen: Die Menschen lassen sich führen, sind zuversichtlich in ihrem Tun und davon überzeugt. Ich wähle ganz bewusst diese Worte, weil sie auch für den Markt eine signifikante Rolle spielen. Setze ich diese Gruppe nun einem Stimulus aus, z.B. durch das Auftreten der Polizei, die anfängt Druck auf die Demonstranten auszuüben, so passiert es oft, dass die Gruppe auseinanderbricht.

Es macht sich Panik bemerkbar. Wenn nun eine von Angst geleitete Menschenherde die Flucht antritt, ist dies ein vollkommen unberechenbarer Prozess ohne Richtungsvorgabe und ohne Organisation. Der Verstand der Masse setzt dann oft aus. Im Tierreich, gerade bei Büffelherden, ist Gleiches zu beobachten: Wenn die Herde einer für sie nicht einschätzbaren Gefahr ausgesetzt ist, tritt Panik und Verwirrung auf. Die Herde verfolgt dann kein klares Ziel mehr und die Variablen verändern sich ständig.




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