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Ein Blick auf 2015

19.01.2015  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Licht und Schatten

Der Rohölpreis ist Anfang 2015 von etwa 107 USD/Fass (West Texas Intermediate) auf etwa 45 USD/Fass gefallen. Der Preisrückgang wirkt wie ein Konjunkturprogramm für die ölimportierenden Länder: Die verfügbare Kaufkraft von Bürgern und Unternehmen steigt. Dem steht gegenüber, dass die ölexportierenden Länder (soweit sie keine größere Ölmenge absetzen) nun weniger Einnahmen haben und folglich ihre Nachfrage nach Auslandsgütern einschränken müssen.

Der resultierende weltweite Netto-Effekt des gesunkenen Ölpreises ist zwar nicht eindeutig - zumal in der kurzen Frist Anpassungskosten entstehen, etwa in der US-amerikanischen Fracking-Industrie, wenn Investitionsprojekte sich nicht mehr rechnen und eingestellt werden müssen. Insgesamt gesehen sollten jedoch der Verfall des Ölpreises und die damit verbundene Dämpfung nahezu aller anderen Güterpreise die Weltwirtschaft tendenziell unterstützen.

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Quelle: Bloomberg, eigene Berechungen.


Mittlerweile geben jedoch nicht nur die Rohöl- beziehungsweise Energiepreise stark nach, sondern die Rohstoffpreise sinken in der Breite. Dies kann ein Indiz dafür sein, dass sich die Weltwirtschaft bereits merklich verlangsamt hat; und es kann auch - quasi als vorausschauender Indikator - eingetrübte Wachstumsaussichten anzeigen. In der Tat zeigt sich eine Reihe von konjunkturbelastenden Entwicklungen. Zu nennen ist beispielsweise das nachlassende Wachstum in China, das die Expansionsaussichten des asiatischen Raumes trübt. Japan scheint der Stagnation nicht entkommen zu können.

Wachsendes Risikobewusstsein der Investoren und die Aussicht auf Leitzinserhöhungen in den Vereinigten Staaten von Amerika bringen zudem viele ‚aufstrebende Volkswirtschaften‘ in Bedrängnis, weil die Finanzierung der heimischen Expansion durch Auslandskapital erschwert beziehungsweise unmöglich wird.

Im Euroraum bleiben die Wachstumsaussichten verhalten, werden belastet durch mangelnde Reformfortschritte in beispielsweise Frankreich und Italien. Aber auch die neuerliche Krisenverschärfung in Griechenland - verbunden mit einem Schuldenschnitt oder einem möglichen Austritt des Landes aus der Euro-Währungsunion - sowie anhaltende Aufspaltungsbestrebungen innerhalb Spaniens dürften bei Investoren sicherlich Unsicherheit wecken über die weitere Entwicklung und den Bestand der Währungsunion.

Die Folge: Investitionen bleiben aus. Die anhaltende Massenarbeitslosigkeit - insbesondere die hohe Jugendarbeitslosigkeit - im Euroraum bringt zusätzliche wirtschaftliche und politische Belastungen. Nicht zuletzt birgt die anhaltende Russland- und Ukraine-Krise Eskalationsgefahren für den alten Kontinent, die das Vertrauen in seine Stabilität und seine wirtschaftlichen Aussichten nachhaltig eintrüben können.

Während die Investitionstätigkeit der Unternehmen in den Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritannien seit dem jüngsten Krisentief wieder merklich zugelegt hat, ist eine derartige Erholung in Japan und im Euroraum ausgeblieben. In diesem Zusammenhang ist die Investitionstätigkeit vielmehr auf ein Niveau zurückgefallen, das zuletzt gegen Ende 1999 zu beobachten war.

In Japan haben die Unternehmensinvestitionen seit Ende 2009 zwar wieder zugenommen, sie liegen aber immer noch etwa zehn Prozent unter dem Niveau von Ende 1999. Geringe Investitionen bedeuten nicht nur, dass die laufende Nachfrage und damit die Konjunktur leiden, sondern sie besagen auch, dass der volkswirtschaftliche Kapitalstock kaum mehr wächst (durch Neu- und Erweiterungsinvestitionen). Das wiederum deutet auf geringe Produktivitäts- und reale Einkommenszuwächse in der Zukunft hin.


Der geplatzte Kreditboom

Die großen Volkswirtschaften der Welt haben nach wie vor mit den Folgen eines geplatzten Kreditbooms zu kämpfen, deren Schäden (Fehlinvestitionen) noch nicht vollends bereinigt worden sind. Das liegt vor allem an den Geldpolitiken: Mit Zinssenkungen und einem Ausweiten der (Basis-)Geldmenge konnte zwar die drohende Zahlungsfähigkeit von Banken und Staaten abgewehrt und der Kreditfluss in Gang gehalten werden, doch diese Geldpolitik ist genau diejenige, die letztlich zu den krisenhaften Erschütterungen in den Volkswirtschaften geführt hat. Sie verursacht nun erneut Verzerrungen im Preisgefüge der Wirtschaft und legt damit die Saat für neuerliche Schwierigkeiten.

Beispielsweise blähen die Tiefzinsen die Finanzmarktpreise auf und verleiten Investoren zu Entscheidungen, die sie bei "normalen" Zinsen nicht treffen würden. Die Volkswirtschaften werden zudem zusehends abhängig von der Fortführung der Politik der tiefen Zinsen. Schließlich werden nicht nur neue Kredite zu tiefen Zinsen aufgenommen, es werden auch fällige Kredite zu Tiefstzinsen erneuert.

Das erleichtert zwar die Zinsrechnung der Schuldner, eine Abkehr von der Politik der tiefen Zinsen würde die Schuldner jedoch absehbar in arge Probleme bringen. Zudem würden auch die Investitionen, die der tiefe Zins in Gang gesetzt hat, unprofitabel werden, und das würde die Wirtschaftsaktivität mitunter schwer belasten. Deshalb ist es höchst unwahrscheinlich, dass die Politik des billigen Geldes in den großen Währungsräumen beendet wird.

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Quelle: Bloomberg, eigene Berechungen.



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