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Die unbekannten Seiten der Inflation

06.09.2015  |  Manfred Gburek
Vorab der Hinweis auf ein erfreuliches Urteil des Bundesfinanzhofs (Aktenzeichen VIII R 4/15 und VIII R 35/14): Gewinne mit der Inhaberschuldverschreibung Xetra-Gold sind nach einem Jahr Haltedauer steuerfrei. Das heißt, Xetra-Gold kann dann ohne Abzug der Abgeltungsteuer und damit der Kapitalertragsteuer verkauft werden. Details finden Sie auf der Internetseite bundesfinanzhof.de und bei mir (gburek.eu), wo ich noch auf die eine oder andere Spitzfindigkeit eingehe.

Gold hat eine scheinbar langweilige Woche hinter sich. Über die vergangenen zwei bis drei Monate betrachtet, krabbelt sein Preis eher leicht nach oben - und das mit relativ vielen Unterbrechungen -, als dass er Anstalten machen würde, schon bald den nächsten Aufwärtssprung machen. Doch gemach, wie wichtig die Geduld hier ist, habe ich zuletzt immer wieder betont. Wohlgemerkt: Geduld monate-, nicht jahrelang.

Am Donnerstag hat ja kein Geringerer als EZB-Chef Mario Draghi zum wiederholten Mal bestätigt, wie wichtig es ihm ist, die Börsen mit Geld zu verwöhnen (und damit die Lunte für dessen Entwertung zu legen). Dass davon zunächst Aktien statt Gold profitiert haben, liegt vor allem daran, dass kaum ein Vermögensverwalter oder Fondsmanager derzeit wagt, sich in größerem Umfang vom Aktien-Mainstream zu verabschieden.

Dabei haben wir im August erlebt, wohin das führen kann: Als in China nicht der sprichwörtliche Sack Reis umkippte, sondern der während der ersten Jahreshälfte hochgeschossene Aktienindex, waren die Börsianer auf einmal schockiert, und zwar weltweit. Zu Recht, denn die chinesische Zentralbank ließ rigoros durchblicken, sie werde im Zweifel den bisherigen Abwertungen ihrer Währung Yuan/Renminbi weitere folgen lassen. Was dies bedeutet, ist ja kein Geheimnis: Chinesische Unternehmen profitieren von der Yuan-Abwertung zulasten ihrer Konkurrenten in Europa, speziell Deutschland, und in den USA.

Die EZB und ihre amerikanische Schwester Fed sind mit der expansiven Geldpolitik eigentlich schon seit Monaten am Ende. Denn was, außer den Geldhahn weiter aufzudrehen, bleibt ihnen übrig? Die Leitzinsen haben längst Null-Niveau erreicht. Die Wirkung des Geldhahns ist indes nur noch marginal. Nehmen wir realistischerweise an, China werde alles unternehmen, um die eigene Wirtschaft mit weiteren Yuan-Abwertungen anzukurbeln. Das dürfte sich dann relativ schnell negativ auf die Gewinnentwicklung der stark vom Export abhängigen deutschen Konzerne auswirken.

Die EZB könnte nicht mehr gegensteuern, weil sie längst für Nullzinsen gesorgt hat, und das gute alte Deficit Spending, also die Staatsverschuldung als Anschub für die Konjunktur, kann in Anbetracht der ohnehin schon riesigen öffentlichen Schuldenberge ebenfalls nur marginale Effekte erzielen.

Ökonomisch betrachtet, betreten wir also Neuland. Man könnte auch sagen: Niemandsland. Denn wer hat noch den Durchblick, wenn es darum geht, die Geldpolitik der Zentralbanken der Logik folgend einzuordnen? Dazu nur ein kleines Beispiel, aufgehängt an der Inflation, die nach dem Wunsch der obersten Zentralbanker in der Eurozone auf knapp 2 Prozent steigen soll. Im August lag sie bei 0,2 Prozent.

"Manchmal glauben wir offenbar, mehr über den Inflationsprozess zu wissen, als es tatsächlich der Fall ist. Wir verstehen nicht vollständig, was die Inflation beeinflusst." Dieses niederschmetternde Urteil fällte neulich in einem Interview der Börsen-Zeitung kein Geringerer als Claudio Borio, Leiter der Währungs- und Wirtschaftsabteilung in der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), also der Bank der Zentralbanken.

Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Da peilt die EZB als durchaus potenter Bestandteil der BIZ ein pseudo-genaues Inflationsziel an, und die BIZ gibt zu, nicht ganz genau zu wissen, was die Inflation beeinflusst. Das ist Zahlenzauber kontra bessere Einsicht. Möge es viele Borios geben, die uns reinen Wein einschenken! Was lernen wir aus dieser Geschichte? Ganz einfach: Ein Mal mehr, dass ebenso, wie das Inflationsziel pseudo-genau ist, die Wirtschafts- und speziell die Geldpolitik auf einer Pseudo-Wissenschaft beruht, die man Volkswirtschaftslehre nennt.

Da wir bei der Inflation sind: Sie wird in Prozentzahlen gemessen, nur beziehen diese sich auf einen um Dienstleistungen erweiterten Warenkorb, dessen Zusammensetzung alle paar Jahre ein wenig verändert wird. Wie repräsentativ er ist, darüber kann man streiten. Ob der Geldwert in der Eurozone, gemessen an der Kaufkraft, im August - adäquat zur Inflationsrate auf Jahresbasis - tatsächlich um 0,2 Prozent abgenommen hat, ist jedenfalls eher für Statistiker als für Konsumenten, Produzenten oder Geldanleger relevant. Wobei noch betont werden muss, dass es sich bei der Inflation nicht um eine statische Angelegenheit, sondern um einen dynamischen Prozess handelt. Denn die Inflationsrate schürt Erwartungen: Fällt sie, wird erwartet, dass sie weiter fällt; steigt sie, steigen auch die Inflationserwartungen.

Die Beziehung zwischen der üblichen, in Prozent gemessenen Inflation und der sogenannten Asset Inflation (Anstieg der Aktien- und Anleihenkurse, Immobilienpreise, Preise für Kunstwerke, Oldtimer usw.) ist eine große Unbekannte. Das gilt erst recht, wenn man Anlagen hinzunimmt, deren Preise im Gegensatz zu denen der gerade genannten stagnieren oder fallen, wie zurzeit die der Edelmetalle und Industrierohstoffe. Diese Zusammenhänge bleiben bis auf Weiteres unerforscht.

Nicht zu vergessen: Die Inflation enthält neben der dynamischen auch eine emotionale Komponente. Vermögensverwalter und Fondsmanager, die – eher emotional als rational - dem Mainstream folgen, habe ich bereits eingangs erwähnt. Beim Immobilienkauf ist die Emotionalität besonders ausgeprägt, bei Kunstwerken und Oldtimern nicht minder. Nur was ist mit Gold und Silber? Soweit es sich um Sammlerstücke handelt, kommen wieder Emotionen stark ins Spiel. Bei Anlagemünzen und Barren allem Anschein nach zwar weniger, aber Vorsicht: Falls jemand Gold und Silber in dieser Form erwirbt, weil er/sie Angst vor einer finanziellen Katastrophe hat, können Emotion doch eine große Rolle spielen.

Wenn Sie die beiden Edelmetalle jetzt (nach)kaufen, handeln Sie wahrscheinlich rational, weil ihre Preise niedrig sind. Dagegen dürfte der emotionale Kick fürs Erste geringer sein. Das kann sich allerdings schnell ändern, sobald der Mainstream wieder in Richtung Edelmetalle geht. Lange kann es bis dahin nicht dauern, denn die ganze Welt steckt in einer Schuldeninflation. Gold und Silber dürften vor ihr am besten schützen.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu

Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: Außer diversen Börsenbüchern schrieb er: "Das Goldbuch", das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z", "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" und zuletzt das Ebook "Ach du liebes Geld!".



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