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Hinter den Kulissen des Papiergeld-Kartells

20.09.2015  |  Manfred Gburek
Wer da keinen Verdacht schöpft, ist selbst schuld: Ich meine die Zinsentscheidung der amerikanischen Notenbank Fed vom vergangenen Donnerstag, eigentlich eine Nicht-Entscheidung. Warum? Weil Fed-Chefin Janet Yellen durchblicken ließ, dass es nichts zu entscheiden gibt. Der Verdacht, der sich damit bestätigt: Die führende Notenbank der Welt stieß mit ihrem zuerst im November 2008 eingesetzten geldpolitischen Instrumentarium, genannt Quantitative Easing oder kurz QE (Aufkauf von Anleihen), bereits in den vergangenen Jahren an entscheidende Grenzen und verabschiedete sich von ihm im Oktober 2014.

In dieser ganzen Zeit und darüber hinaus bis heute verharrt der amerikanische Leitzins, der bis September 2007 noch über 5 Prozent lag, bei 0,00 bis 0,25 Prozent. Der Clou: Auch die EZB betreibt QE, auch sie ist de facto beim Null-Leitzins angelangt, auch sie stößt also an Grenzen - und stimmt ihre Geldpolitik mit der Fed viel enger ab, als dies der Öffentlichkeit bekannt ist.

Ich habe mal einen dazu passenden Spruch von Thomas Mayer in einem seiner FAZ-Kommentare vom vergangenen März gefunden (Mayer repräsentiert eine Art Denkfabrik in der Vermögensverwaltung Flossbach von Storch: "Das Ende unserer Papierwährungen ist nur noch eine Finanzkrise entfernt." Soll heißen: Papierwährungen, zuvorderst dominiert von QE und Nullzinsen, können uns nicht mehr lange vor dem Zerfall des jetzigen Währungssystems retten. Nochmals Mayer: "Als Versicherung gegen den allgemeinen Verfall der Papierwährungen empfiehlt es sich deshalb, einen gewissen Anteil seiner Ersparnisse in Gold zu halten."

Auch schon im März war ich auf einen Artikel in der New York Times gestoßen, der nachträglich das ganze Drama um die Fed-Zinspolitik offenbart. Überschrift: "Fed Signals It May Increase Interest Rates by Midyear". Also die Fed signalisiert, sie könnte die Zinsen Mitte des Jahres anheben. Wir haben die Jahresmitte längst hinter uns gelassen, aber die Zinsen liegen immer noch am Boden.

Was folgen wird, ist leicht zu erraten: ein einziges geldpolitisches Gewürge, mal vonseiten der Fed, mal vonseiten der EZB, mal vonseiten anderer großer Notenbanken, und das alles miteinander abgestimmt - eine Art Kartell. Aus der Vergangenheit wissen wir, dass Industriekartelle immer irgendwann auffliegen. Warum nicht auch Finanzkartelle, zumal auf höchster Ebene, beim Verbund der Notenbanken? Ich möchte nicht darauf wetten, dass dieser Verbund noch jahrelang funktioniert. Erste Stimmen zu seiner mangelnden Standfestigkeit sind ja bereits aus der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich zu vernehmen, also aus der Dachorganisation der Notenbanken.

Lassen wir noch einen weiteren kritischen Zeitgenossen zu Wort kommen: Daniel Stelter, der seine eigene Denkfabrik zwar auf Englisch "Beyond the Obvious" nennt, aber seine Internetseite zum Großteil auf Deutsch bestückt. Er schrieb erst kürzlich in der Wirtschaftswoche: "Die Welt ächzt unter 200 Billionen US-Dollar Schulden, alleine seit 2007 ist der Berg um 50 Billionen gewachsen. Ein Großteil dieser Schulden ist nicht verwendet worden zur Finanzierung von produktiven Investitionen, sondern zum Ankauf weiterer Assets." Stellvertretend für Assets nennt Stelter Aktien, Anleihen, Immobilien und Kunst.

Warum nicht auch Gold, zu dem er sich an anderer Stelle positiv äußert? Ganz einfach: Weil der Goldpreis im Gegensatz zu Aktienkursen und Immobilienpreisen - Kunst ist ein Sonderfall - während der vergangenen vier Jahre nicht aufgeblasen wurde. Solange Aktien oder Immobilien auch nur zu 2 oder 3 Prozent rentierten, konnten sie auf Kredit zu 1 Prozent Zins (oder sogar darunter) von Banken und anderen Großanlegern gekauft und mit hohen Gewinnen wieder verkauft werden; die Hebelwirkung war enorm. Dagegen hatte das zinslose Gold in dieser Rechnung keinen Platz.

Darüber wurde seine wichtige Funktion als Gegengewicht zum wachsenden Papierschuldenberg und als Versicherung gegen diesen Berg total vernachlässigt. Doch die Zeiten ändern sich allmählich, unter anderem daran erkennbar, dass der Goldpreis nicht mehr weiter fällt, sondern zu steigen beginnt. Der weitere Anstieg dürfte nicht abrupt, sondern eher in Schüben erfolgen.

Für einen weiter steigenden Goldpreis spricht auch, dass es bei konkurrierenden Anlagen zu Kettenreaktionen kommen dürfte, die viele Anleger veranlassen werden, ihr Heil in dem Edelmetall zu suchen. Auslöser einer solchen Reaktion kann zum Beispiel ein Ereignis sein, das maßgebende Großanleger überrascht. Eine gewisse Grundnervosität unter diesen Anlegern ist ja schon spürbar. Sie schlägt sich, für alle sichtbar, in immer hektischer werdenden Kursbewegungen an den Aktienmärkten nieder. Aber das sorgt erst für den kleineren Teil der Nervosität.

Der viel größere geht - Sie haben es bestimmt gewusst oder wenigstens vermutet - von den voluminöseren Anleihemärkten aus, also von den durch sie repräsentierten hohen Schulden, die nie und nimmer ganz zurückgezahlt werden.

Welches konkrete Ereignis könnte eine Kettenreaktion auslösen? Nachdem weder die Ukraine-Krise noch das Griechenland-Debakel, weder die umstrittene europäische noch die an die Grenzen ihrer Möglichkeiten stoßende amerikanische Geldpolitik, ja nicht einmal das enttäuschende chinesische Wirtschaftswachstum eine Kettenreaktion nach sich gezogen haben, muss man zunächst konstatieren: Aktien und Anleihen können viel vertragen, ohne zu kollabieren. Doch Vorsicht, so kann und wird es nicht weiter gehen! Dafür entscheidend wird sein, dass das Notenbanken-Kartell bei Nullzinsen und bereits weit geöffneten Geldschleusen kaum noch etwas nachzulegen hat. So viel zum globalen Umfeld.

Es gibt indes noch ein spezifisch europäisches und darüber hinaus ein deutsches Problem. Beide sind eng miteinander verknüpft und scheinen sich auf die neue Völkerwanderung zu konzentrieren. Das ist allerdings eher eine spontane Sichtweise. Sie klammert aus, welche Verantwortung die EZB übernommen hat: Da sich Europas Politiker, wie die Flüchtlingsmisere zeigt, in wichtigen Punkt nicht einigen können und weil vor allem das ganze europäische Gebilde auseinander zu brechen droht, muss die EZB zunehmend Aufgaben erledigen, die eigentlich eine Angelegenheit für Brüssel und Berlin sind.

Axel Weber, Verwaltungsrats-Präsident der Großbank UBS, hat diesen Zusammenhang neulich in einem Handelsblatt-Interview klar auf den Punkt gebracht: "In den Hauptstädten Europas konzentriert sich die Diskussion darauf, was die EZB noch alles tun soll. Das zeigt doch, dass wir mittlerweile in einer Phase sind, in der die Politik ihrer Verantwortung nicht mehr nachkommt, sondern diese auf Notenbanker schiebt."

Ich habe heute bewusst drei Zeitzeugen zitiert, um das zu untermauern, was den Goldpreis über Angebot und Nachfrage hinaus zusätzlich nach oben treiben dürfte. Das Sicherheitsbedürfnis der Anleger in unsicheren Zeiten wie jetzt wird ein Übriges dazu beitragen. Ein Preisziel erübrigt sich von selbst, die Skala ist nach oben offen.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu

Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: Außer diversen Börsenbüchern schrieb er: "Das Goldbuch", das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z", "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" und zuletzt das Ebook "Ach du liebes Geld!".



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