Marktanalyse April 2006
16.04.2006 | Claus Vogt
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DaxDas Ausmaß der zyklischen Hausse im Dax hat mich mehr als alle anderen Börsenentwicklungen der vergangenen drei Jahre auf dem falschen Fuß erwischt. Seit geraumer Zeit schon entzieht sich dieser Index, dessen Interpretation mir in der Abwärtsphase der Jahre 2000 bis 2003 sehr gut gelang, meinen Analysemethoden. Dennoch auch diesen Monat wieder mein Versuch einer charttechnischen Prognose. Der Kursverlauf seit Anfang des Jahres trägt viele Zeichen einer am Ende langer Trends typischen Übertreibungsphase. Die Kurssprünge Schwergewichtiger Aktien werden wilder, am Neuemissionsmarkt herrscht ebenso Euphorie wie im Ifo-Geschäftsklimaindex, die Käufe ausländischer Adressen haben ein sehr hohes Niveau erreicht und der Chart zeigt einen außergewöhnlich steilen Kursverlauf. Auch an der deutschen Börse ist ein zunächst harmloser rund 10%-iger Kursrückgang in den Bereich der bei knapp 5.300 Punkten verlaufenden steigenden 200-Tage-Durchschnittlinie überfällig. Sollte diese völlig normale Korrektur tatsächlich stattfinden, ergäbe sich aus charttechnischer Sicht eine schön geformte potenzielle obere Umkehrformation, die bestens zu dem euphorischen Verlauf des Ifo-Geschäftsklimaindex passen würde.
Dow Jones Industrial Average
Top oder große Konsolidierung? Eine Antwort auf diese hier bereits im vergangenen Monat von mir gestellte Frage haben die Märkte auch im letzten Monat noch nicht geliefert. Die charttechnische Hängepartie geht also weiter. Die obere Begrenzung der seit über zwei Jahren bestehenden Seitwärtsbewegung wurde Ende März für einige Tage nach oben durchbrochen. Die Bewegung war aber nicht sehr dynamisch und Anschlussorders blieben aus. Folglich fielen die Kurse schnell wieder unter die Begrenzungslinie in die Formation zurück. Ob es eine Bullenfalle war, der deutlich fallende Kurse folgen werden, oder nur ein erster gescheiterter Versuch vor dem erfolgreichen Ausbruch, ist derzeit noch vollkommen offen. Dies gilt umso mehr, da sich im Bereich von rund 11.300 Punkten massive Widerstände aus den Jahren 2000 und 2001 befinden. Aufgrund unseres klar negativen Gesamtmodells, der negativen technischen Divergenzen, die sowohl kurz- als auch mittelfristig festzustellen sind, der nachlassenden Dynamik der Unternehmensgewinne, der steigenden Zinsen und der flachen Zinsstrukturkurve rechne ich weiterhin mit dem Beginn einer zyklischen Baisse.
Die letzte 10%-Korrektur im Dow liegt rund drei Jahre zurück. Das ist äußerst ungewöhnlich, denn Korrekturen dieser Größenordnung sind an den Aktienmärkten etwas völlig Normales, selbst in ausgeprägten Haussezeiten. Ein Kursrückgang dieser Größenordnung ist also überfällig. Ich halte die Wahrscheinlichkeit für groß, dass der aus technischer Sicht sehr dynamische nach unten weisende Kursverlauf vom 7. April den Startschuss für eben diese Korrektur gegeben hat. Von dem Jahreshoch bei rund 11.350 Punkten aus gerechnet entspricht eine 10%-Korrektur einem Indexstand von 10.200. In diesem Bereich befinden sich übrigens die untere Begrenzungslinie der großen Seitwärtsformation und die Oktober 2005-Tiefs. Ein eigentlich harmloser Kursrückgang von 10% würde die charttechnische Interpretation der Seitwärtsbewegung als obere Umkehrformation wieder eindeutig zu meinem präferierten Szenario machen. Ein Kursrückgang unter den Bereich von 10.000 bis 9.800 Punkten würde das Ende der im Jahr 2003 begonnenen zyklischen Hausse signalisieren.
S&P 500
Im Unterschied zum nur 30 Aktien umfassenden Dow zeigt der aus 500 Werten bestehende S&P 500 Index seit Anfang 2004 keine Seitwärtsbewegung, sondern einen so genannten Keil. Ein Blick auf die in der nebenstehenden Grafik eingezeichneten Trendlinien erklärt den Namen dieser charttechnischen Formation. Keile verlaufen typischerweise gegen den vorherrschenden Trend. Ein aufwärts gerichteter Keil wie der hier zu erkennende läuft als gegen einen übergeordneten Abwärtstrend; im vorliegenden Fall ist das der im Jahr 2000 begonnene langfristige Abwärtstrend. Ein Ausbruch der Kurse nach unten hätte also weit reichende charttechnische Implikationen. Er würde das Ende der 2003 begonnenen zyklischen Hausse ankündigen.
Seit Anfang des Jahres hangeln die Kurse sich an der oberen Begrenzungslinie des Keils entlang. Der Abstand zwischen oberer und unterer Begrenzungslinie beträgt nur noch rund 70 Punkte. Ein Kursrückgang von nur 6% reicht unter diesen Umständen also aus, um ein deutliches Verkaufsignal von zyklischer Bedeutung zu geben. Da eine größere Korrektur überfällig ist, interpretiere ich die aktuelle technische Situation als sehr riskant. Das gilt umso mehr, da die Kurse sich aktuell an einer bedeutenden langfristigen Widerstandslinie befinden. In einem - hier nicht gezeigten - Monatschart des S&P 500 kann man nämlich eine Abwärtstrendlinie einzeichnen, die sich aus der Verbindung des Märzhochs mit dem Septemberhoch des Jahres 2000 ergibt.
Diese Abwärtstrendlinie, die nur wenig Aufmerksamkeit genießt, wurde jetzt erstmals von unten getestet. Ein Überschreiten dieser Linie schon im ersten Anlauf ist aus technischer Sicht sehr unwahrscheinlich. Die fast schon zur Gewohnheit gewordene schwache technische Verfassung, die sich aus steigenden Kursen bei fallenden Umsätzen und rückläufigen Kursen bei zunehmenden Umsätzen ergibt, war auch in den vergangenen vier Wochen zu beobachten. Das letzten Monat bereits angeführte Verkaufsignal des auf Wochenbasis berechneten MACD hat weiterhin Bestand. Und der Smart Money Index steht ebenfalls in einem krassen Widerspruch zu den Kursavancen der vergangenen Monate. Eine Ende der Hausse oder zumindest eine erhebliche Kurskorrektur wird immer wahrscheinlicher.
Nasdaq Composite und Nasdaq 100
Im Unterschied zu Dow und S & P 500 befinden sich die auf die NASDAQ bezogenen Inidzes nicht an ihrer oberen Begrenzungslinie, sondern bereits seit einigen Monaten darüber. Auch in diesem Zusammenhang stellte ich bereits die Frage, ob das eine Bullenfalle ist oder ein ernst zu nehmender charttechnischer Ausbruch. Der Kursverlauf der vergangenen Wochen liefert nun ein Signal, das für die erstgenannte Variante der Bullenfalle spricht. Schaut man sich nämlich die beiden Indizes NASDAQ Composite und NASDAQ 100 an, dann erkennt man eine technische Divergenz: Während im NASDAQ Composite Ende März neue Jahreshochs zu verzeichnen waren, gelang das im NASDAQ 100, der nur die 100 größten NASDAQ-Aktien enthält, nicht. Das Verkaufsignal des auf Wochenbasis ermittelten MACD hat weiterhin Bestand, und zwar in beiden Indizes. Ein nur gut 4%-iger Kursrückgang des NASDAQ Composite unter die bei 2.250 Punkten verlaufende Trendlinie würde die hier dargestellte bearishe Interpretation bestätigen. Eine 10%-Korrektur würde dazu führen, dass die Kurse die in der Grafik des NASDAQ Composite Index eingezeichnete Aufwärtstrendlinie verletzen und ein Verkaufsignal erzeugen.
Nikkei
Die Korrektur des japanischen Aktienindex setzte sich nicht weiter fort, sondern kam bereits im Bereich der steigenden 100-Tage-Durchschnittlinie zum Stillstand. Bei sehr dynamischen Aufwärtstrends ist das nicht ungewöhnlich. Den nächsten charttechnischen Widerstand sehe ich bei 18.000 Punkten, also nur 3% über dem aktuellen Niveau, danach bei 20.000. Anzeichen für ein Ende dieser im Unterschied zum deutschen Markt von mir prognostizierten Hausse kann ich derzeit nicht ausmachen.
© Claus Vogt
Leiter Research der Berliner Effektenbank