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Warum Draghi es bis zum Äußersten treibt

25.10.2015  |  Manfred Gburek
Vergleiche hinken immer. Auch dieser: Dass die aktuelle Überhitzung der Börsen mit der Aktienrally um die Jahrtausendwende vergleichbar sei. Dagegen mag man alles Mögliche einwenden, von der jetzt im Vergleich zum Jahr 2000 weniger hohen Aktienbewertung bis hin zum Märchen von der Alternativlosigkeit der Aktien. Und dennoch, eines ist heute wie damals: Es war im Jahr 2000 und ist aktuell vor allem das viele Geld, das die Kurse trieb bzw. treibt. Dazu werden von Fall zu Fall unglaubliche Geschichten erfunden, die das hohe Kursniveau zu rechtfertigen versuchen.

Wie diese von David Lipton, einer Führungskraft des Internationalen Währungsfonds, gemünzt auf den endlos scheinenden Flüchtlingsstrom nach Deutschland, der sich als "demografische Dividende" auszahlen könnte, wie Lipton meint. Und: "Deutschland kann profitieren." Das Ganze veröffentlicht im Handelsblatt. Es erinnert mich an das viele Gerede von der angeblichen Bereicherung durch all die Leute, die in unser Land strömen. Das mag in Einzellfällen stimmen. Die Mehrheit der bisher nach Deutschland Gekommenen ist allerdings in Parallelgesellschaften abgetaucht.

Was die Flüchtlinge, die bis zur Hilflosigkeit gehende Gereiztheit der Politiker und die Eskalation der Gewalt angeht, empfehle ich Ihnen, Augen und Ohren offen zu halten, wie ich es auch zu tun pflege, und möglichst viele verschiedene Informationsquellen zu nutzen. Letztere auch wegen der allseitigen Propaganda. Dazu nur noch drei Anmerkungen: Erstens ist das Flüchtlingsproblem bis auf Weiteres unlösbar, zweitens ist mit immer mehr Eskalation zu rechnen, und drittens wird EZB-Präsident Mario Draghi den Geldhahn derart weit aufdrehen, dass letztendlich an der mittelbaren Staatsfinanzierung durch die EZB kein Weg vorbei führt.

Dieser Zusammenhang ist erklärungsbedürftig. Er stützt sich auf die These, dass es Draghi. indem er den Geldhahn weit aufdreht, weniger um mehr Wachstum und Inflation als um die Rettung überschuldeter Euroländer vor dem Staatsbankrott geht. Diese These bekam am vergangenen Donnerstag viel neue Nahrung, als Draghi unmissverständlich klar machte, dass er es mit seiner Geldpolitik bis zum Äußersten treiben will. Dadurch löste er in den Schuldenländern Erleichterung aus, nämlich darüber, dass sie sich mit den sogenannten Strukturreformen noch viel Zeit lassen können - im Zweifel bis zum Sankt-Nimmerleinstag.

Ganz nebenbei haben Draghis Worte den Euro im Verhältnis zum Dollar fallen lassen. Jetzt kann man rätseln, ob der EZB-Chef mit seiner Wortwahl Wirtschafts- und Währungspolitik im Sinn hatte oder ob es sich um einen mit Janet Yellen, der Vorsitzenden der US-Notenbank Fed, abgestimmten Coup handelte.

Für die erste Alternative spricht, dass der Exportwirtschaft der schwachen Euroländer mit einem niedrigen Euro geholfen wäre. Für die zweite spricht, dass Yellen ein Argument mehr hätte, um die seit langer Zeit anhaltende Diskussion über eine mögliche amerikanische Zinserhöhung mit einem Paukenschlag zu beenden: Indem sie den Leitzins dort belässt, wo er gerade ist, also einen kleinen Tick über null.

Börsianer reagierten auf Draghis Worte natürlich positiv, sogar in den USA. Das spricht für eine weitere These: Dass Draghi und Yellen bewusst und abgestimmt mal die eine, mal die andere Währung abwärts befördern. Also nicht, wie es verschiedene Länder in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts mit Abwertungen gegeneinander getrieben haben, sondern miteinander. Das Ergebnis, das dabei herauskommt, ist am Ende allerdings dasselbe: Geld - sei es als Euro, sei es als Dollar oder als sonst für eine Währung - verliert an Kaufkraft.

Wer es nicht glauben mag, braucht weder an die häufigen Fahrpreiserhöhungen der Bahn oder an die verkleinerten Portionen der Ritter-Schokolade noch an die nächste Erhöhung der Strompreise oder des Briefportos zu denken. Schon ein Blick auf die in den vergangenen Jahren gestiegenen Aktienkurse und Immobilienpreise genügt, um festzustellen, dass wir seit längerer Zeit eine Inflation durchlaufen, nur dass sie sich weniger auf Konsumgüter oder Dienstleistungen des täglichen Bedarfs als auf Sachwerte konzentriert.

Gold, Silber und die anderen Edelmetalle, außerdem Rohstoffe aller Art, spielen in diesem Szenario eine bedeutende Rolle. Gold, weil sein Preis in starkem Maß Inflationserwartungen widerspiegelt. Silber, sofern es mehr als Edel- und weniger als Industriemetall wahrgenommen wird, ebenfalls. Platin und Palldium nehmen wegen des VW-Abgasskandals aktuell jeweils für sich eine Sonderstellung ein. Erdöl erholt sich vom mehrmonatigen Preisrückgang, sodass sein deflationärer Effekt nachlässt.

Als Energieträger ist es ein Verbrauchsgut; wird es weiterverarbeitet, gerät es zu einem Vorprodukt wie fast alle Industriemetalle. Die sogenannten weichen Rohstoffe, von Weizen und Sojabohnen bis Kaffee und Zucker, führen überwiegend ein Eigenleben.

Würde man für alle Edelmetalle und Rohstoffe zusammen einen mehrjährigen Durchschnittspreis bilden, ergäbe sich eine Preiskurve, die nach längerem Rückgang leicht nach oben zeigt. Börsianer nennen so etwas Turnaround. Jetzt suchen sie zunehmend nach Kaufkandidaten außerhalb von Aktien und Immobilien, halten jedoch einstweilen noch an diesen fest.

Ein Turnaround vom Negativen zum Positiven schließt normalerweise mit einem Preisausbruch nach oben ab, dem später weitere Preissteigerungen folgen. Am Ende dieser Entwicklung kommt es oft zu einem Spike aufwärts. Ein solcher war beispielsweise zu bestaunen, als der Dax im Frühjahr dieses Jahre kurzfristig über 12.000 Punkte nach oben schoss.

Gesetzmäßigkeiten, wie ich sie hier beschreibe, gelten für das normale Auf und Ab an Börsen, wenn also keine exorbitanten Sonder- oder Störfaktoren hinzukommen. Die von der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers ausgehende Krise 2008/09 war ein Störfaktor sondergleichen. Kann es schon bald einen weiteren geben?

Ja, nur weiß niemand, um welchen es sich konkret handeln wird. Ich vermute, dass er im Umfeld der Geldpolitik von Draghi und Yellen zu suchen ist. Ebenso kann man sich indes vorstellen, dass der schier endlos scheinende Flüchtlingsstrom nach Deutschland nicht zu bewältigen ist und letztlich ganz Europa ins Chaos stürzt. Im Übrigen sollten Ihrer Phantasie diesbezüglich keine Grenzen gesetzt sein. Und ganz nebenbei: der Phantasie beim weiteren Anstieg des Goldpreises ebenfalls nicht.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu

Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: Außer diversen Börsenbüchern schrieb er: "Das Goldbuch", das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z", "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" und zuletzt das Ebook "Ach du liebes Geld!".



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