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Klartext zu Euro, Zinsen und Inflation

08.11.2015  |  Manfred Gburek
Wenn ein Harvard-Professor vom Schlage Martin Feldstein, wie neulich in der Frankfurter Goethe-Uni, eine gepfefferte Rede hält, lohnt es sich, ihm zu lauschen. Und tatsächlich, er ließ am Euro kein gutes Haar. Aus amerikanischer Sicht verständlich, denn die beiden Währungssysteme unterscheiden sich voneinander doch gewaltig: hüben eine unvollendete Wirtschafts- und Währungsunion mit den beiden - offiziell als Freunde bezeichneten - großen Streithähnen Frankreich und Deutschland, drüben die Weltwährung schlechthin, nicht zuletzt gestützt auf die Hegemonialmacht USA, die uns mittelbar zumindest einen Teil vom Flüchtlings-Kladderadatsch aufgezwungen hat.

Feldstein spricht vielfach nur das aus, was wir in Europa längst wissen, nämlich dass der Euro eine Fehlkonstruktion und damit für die europäische Wirtschaft, insgesamt gesehen, schädlich ist. Der Professor rügt zu Recht die verkorkste Entwicklung am Euro-Kapitalmarkt mit kurz laufenden Staatsanleihen von Ländern, deren Bonität äußerst fragwürdig ist. Real, also nach Abzug der Inflationsrate, werfen solche Anleihen längst nur noch negative "Renditen" ab; jetzt geht es auch nominal kräftig ins Minus.

Dazu braucht man nicht mal nach Griechenland zu schauen, denn Frankreich und Italien als große Euroländer lassen längst von ihren noch höheren Schuldenbergen grüßen. Die extrem niedrigen Zinsen verführen sie und weitere Länder immer wieder zu noch höheren Schulden. Derweil platzen die Staatshaushalte auf der Ausgabenseite aus den Nähten.

Neueren Berechnungen zufolge "rentieren" Bundesanleihen mit zwei Jahren Laufzeit zu minus 0,3 Prozent. Trotzdem werden sie von Vermögensverwaltern gegenüber fünf- bis zehnjährigen Anleihen bevorzugt, weil die Geldprofis bei Anleihen mit mittleren Laufzeiten für den Fall einer Zinswende nach oben zu Recht katastrophale Kursverluste erwarten. Und da Unternehmensanleihen von brauchbarer Qualität mittlerweile nur noch mit geringfügigen Renditevorteilen im Vergleich zu Staatsanleihen zu haben sind, beginnen manche Vermögensverwalter Risiken einzugehen, indem sie auch Anleihen von minderer Qualität in die Portfolios ihrer Kunden einbuchen lassen.

Interessant sind die Ergebnisse einer Studie der Deutschen Bank, wonach die Zinseinnahmen aus europäischen Staatsanleihen in den vergangenen 15 Jahren um sage und schreibe 72 Prozent gesunken sind. Das muss man sich mal vorstellen: Inhaber von Spar- und Festgeldkonten, Anleihen, Rentenfonds und Kapitallebensversicherungen haben in nur eineinhalb Jahrzehnten fast drei Viertel ihrer Zinseinnahmen eingebüßt. Mit der Wende nach oben ist offenbar nicht so schnell zu rechnen, denn die EZB will sie noch nicht zulassen. Und falls die Wende eines Tages doch kommt, dann - siehe oben - wird sie durch Kursverluste Geld vernichten.

Insofern empfehle ich Ihnen, auch auf die Entwicklung der Inflationsrate zu achten. Sie wurde zuletzt durch den gefallenen Ölpreis und einige Sonderfaktoren nach unten gedrückt. Damit ist jetzt weitgehend Schluss. Doch es gibt deflationäre Kräfte, die bis auf Weiteres nicht zulassen, dass die Inflationsrate im Euroraum plötzlich steigt; eher ist ein nur allmählicher Anstieg zu erwarten. Zu solchen Kräften gehören Verschuldungsgrenzen, faule Schulden, Fehlinvestitionen, Überkapazitäten und Pleiten. Dazu machen sich wiederum Gegenkräfte breit, denn Kredite nehmen seit einiger Zeit zu. Man braucht ja nur zu beobachten, wie schnell Banken, Sparkassen und sonstige Kreditgeber bereit sind, Immobilien hoch zu beleihen.

Mit der Inflationsrate hat es noch etwas Besonderes auf sich. Sie soll bekanntlich auf etwas unter 2 Prozent steigen und dann Halt machen - ein irrsinniges Ziel, weil niemand sie zum Halten zwingen kann, wenn es so weit mit ihr gekommen ist. Markus C. Kerber, Professor an der TU Berlin, holt in seinem hervorragenden Buch "Wehrt euch, Bürger!" zunächst weit aus, indem er grundsätzliche Fragen stellt. Hier sind ein paar Beispiele:

"Unbeantwortet bleibt die Frage, wie man Preisstabilität sichern kann. Handelt es sich um die Stabilität der Konsumentenpreise oder müssen Vermögenspreise miteinbezogen werden? Welches Inflationsziel gibt man sich vor und welcher Zeitraum ist hierfür maßgeblich, ein mittelfristiger oder ein langfristiger? Umgekehrt stellt sich die Frage, wann die EZB Deflation, also einen allgemeinen Preisrückgang, annimmt. Offen ist auch, ob die Messung und der gegebenenfalls eingetretene Preisrückgang als Durchschnitt gewichtet für die gesamte Eurozone berechnet wird oder ob bestimmte Volkswirtschaften dabei eine besondere Rolle spielen."

Ob sich wohl jemand in der EZB wirklich Gedanken darüber gemacht hat, wie wenig die offizielle Inflationsrate mit der Realität zu tun hat? Ich nehme an: Ja, nur kann diese(r) Jemand nichts dagegen ausrichten, dass EZB-Chef Mario Draghi zusammen mit seinen getreuen Anhängern beim Inflationsziel von 2 Prozent minus etwas bleibt. Falls der eine oder andere Insider doch aufmucken sollte, dürfte das als Majestätsbeleidigung gewertet werden, und die Karriere wäre mit einem Schlag beendet. Das sollte uns indes nicht davon abhalten, den Dingen mithilfe des Berliner Professors weiter auf den Grund zu gehen, wenn er der Gelddruckmaschine im Frankfurter Ostend im Folgenden ein geradezu vernichtendes Zeugnis ausstellt:

„Die Europäische Zentralbank hat sich trotz hervorragender wissenschaftlicher Dienste mit dieser Fragestellung (s. oben) nie auseinandergesetzt, sondern setzt wie ein deus ex machina sowohl für Inflation als auch für Deflation nach ihrem Gutdünken die Kriterien im Sinne der Wahrnehmung ihres Mandats fest. Sie hält daran fest, dass Preisstabilität gleichzusetzen sei mit einer Steigerung der Verbraucherpreise von mittelfristig +/- 2 Prozent. Eine theoretische Herleitung dieses Stabilitätsziels such man in den Berichten der EZB genauso vergeblich wie in den vielen wissenschaftlichen Veröffentlichungen auf der EZB-Website.“

Zugegeben, ich selbst motze in verschiedenen Veröffentlichungen schon seit Jahren über das Inflationsziel der EZB, aber ein derart vernichtendes Urteil habe ich mir bisher noch nicht zugetraut. Deshalb hier nur noch so viel: Kerber hat recht. Und was lernen wir daraus für die Geldanlage? Zunächst, dass man - Inflation hin oder her - mit Anlagen in Schuldtiteln aller Art noch vorsichtiger umgehen sollte als bisher. Um Liquidität für den Notfall zu horten, bedarf es im Prinzip nur eines Tagesgeldkontos (oder bei höheren Beträgen mehrerer davon) unter Beachtung der Obergrenze von 100.000 Euro je Kunde und Bank, geschützt durch die gesetzliche Einlagensicherung.

Wenn Sie in puncto Tagesgeldzinsen auf dem Laufenden bleiben wollen, brauchen Sie nur die eine oder andere Internetseite anzuklicken, wie finanzen.net oder fmh.de.

Je länger die EZB und die anderen großen Notenbaken sich durch die Niedrigzinsphase wursteln, desto interessanter werden Gold und Silber als zinslose Anlagen. Denn null Zinsen auf die beiden Edelmetalle sind allemal besser als reale oder sogar nominale Minuszinsen. Und je mehr sich dieser Gedanke international verbreitet, desto wahrscheinlicher werden die Preise von Gold und Silber steigen.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu

Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: Außer diversen Börsenbüchern schrieb er: "Das Goldbuch", das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z", "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" und zuletzt das Ebook "Ach du liebes Geld!".



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