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US-Schulden: Eine tickende Zeitbombe

05.11.2015  |  Adam Hamilton
- Seite 3 -
In den 25 Jahren vor den Finanzkrise lagen die Rendite auf US-Staatsanleihen mit einer Laufzeit von ein und zehn Jahren im Schnitt bei 5,6% bzw. 6,9%. Das war der am freien Markt bestimmte Zinssatz, den die US-Regierung zahlen musste, um an den Anleihenmärkten Kapital zu beschaffen. Man bemühte sich, das Schuldenwachstum zu begrenzen, weil schon die Zinszahlungen für die bereits bestehenden Schulden vergleichsweise hoch ausfielen. In diesen Jahren belief sich die effektive Zinsrate der USA auf 6,4%.

Die starken Manipulationen der Fed nach der Finanzkrise führten jedoch zu einer substantiellen Änderung der Zinssätze an beiden Enden des Rendite-Spektrums. Die angeblich nur vorübergehende Festsetzung des Leitzinses in der Nähe von Null aufgrund der Krise drückte alle kurzfristigen Zinssätze mit nach unten. Die US-Regierung machte sich diesen Umstand zu Nutze, um günstig an Geld zu kommen, indem sie fällig werdende Anleihen verlängerte und in neue Treasuries mit kürzerer Laufzeit umwandelte.

Kurz nach Einführung der Nullzinspolitik begann die Fed gegen Anfang des Jahres 2009 offiziell mit ihren Geldmengenausweitungen. "Quantitative Lockerungen" (Quantitative Easing, QE) ist dabei nur ein schicker Euphemismus für Schuldenmonetarisierung oder die Erschaffung von neuem Geld aus dem Nichts, um damit Anleihen zu kaufen. QE1 wurde ausgeweitet, um auch Käufe von US-Treasuries direkt durch die Notenbank zu ermöglichen und im Rahmen von QE2 und QE3 wurde das in immer größerem Umfang fortgeführt. Immerhin verhielt sich die Fed sehr transparent, indem sie ganz offen zugab, dass sie Staatsanleihen kaufte, um die langfristigen Zinssätze abzusenken.

Wenn die Fed Geld erschafft, um Anleihen zu kaufen, dann treibt diese zusätzliche Nachfrage die Preise für die Anleihen in die Höhe. Und je höher der Preis ist, desto niedriger sind die Rendite. Die QE-Maßnahmen ermöglichten es der Regierung unter Obama, viel größere Mengen an Geld zu viel niedrigeren Zinsen zu leihen, als sie das unter normalen Marktbedingungen je gekonnt hätte. Doch die Zinsen, die die Regierung auf diese Kredite zahlen musste, waren künstlich niedrig, so wie ein zeitlich begrenztes Sonderangebot auf Kreditkarten.

Während die Staatsschulden nach der Finanzkrise in die Höhe schossen, weil die demokratische Regierung viel zu viel ausgab und die Fed sie mit ihrer Geldpolitik dabei unterstützte, sank die Höhe der Zinsen, die auf jeden geliehenen Dollar gezahlt wurde. Den vorläufigen Daten für das gerade geendete Finanzjahr 2015 zufolge beträgt die effektive Zinsrate, die die US-Regierung für die Staatsschulden in Höhe von 18,7 Billionen US-Dollar zahlen muss, weniger als 2,2%. Für die Fed ist das eine tickende Zeitbombe und ein nicht zu vernachlässigender Faktor bei der Entscheidung über eine Zinsanhebung.

Wenn die Notenbank den Leitzins erhöht, wird der gesamte Zinskomplex, einschließlich der Rendite auf US-Treasuries, das widerspiegeln. Für die Regierung, die bis über den Kopf in Schulden steckt, ist das ein kolossales Problem. 2015 mussten die USA Zinszahlungen in Höhe von 402 Milliarden Dollar leisten - und das entspricht einer effektiven Zinsrate von weniger als 2,2%! In den 25 Jahren vor der Nullzinspolitik und den quantitativen Lockerungen war die durchschnittliche effektive Zinsrate etwa dreimal so hoch.

Wenn die Fed die Zinsen wieder auf ein normales Niveau anhebt, steht die Zahlungsfähigkeit der USA in Frage - und die Anleihenmärkte werden eine solche Normalisierung möglicherweise erzwingen, ungeachtet dessen ob der Fed das passt oder nicht. Bei der durchschnittlichen effektiven Zinsrate von 6,4%, die vor der Einführung des Nullzinses üblich war, würden die Kapitalkosten für die Staatsschulden von 18,7 Billionen USD auf 1.200 Milliarden Dollar im Jahr anwachsen. Das wäre wahrscheinlich ein unüberwindliches Hindernis für die US-Regierung.

Die Staatsausgaben lassen sich in zwei Gruppen unterteilen: die verbindlichen Ausgaben und die, die nach freiem Ermessen getätigt werden können. Mehr als 60% aller Ausgaben zählen zu ersten Gruppe und erfolgen automatisch. Dazu gehören auch gigantische Sozialleistungsprogramme wie die gesetzliche Krankenversicherung (Medicare) und Sozialhilfe. Diese Transferzahlungen können nicht gesenkt werden, ohne eine heftige Gegenreaktion bei den Wählern hervorzurufen, die davon abhängig sind, und die Demokraten würden die Staatsausgaben um nichts in der Welt kürzen.

Der kleinere Teil der Ausgaben zählt zu denen, über deren Höhe frei verfügt werden kann und beinhaltet alle weiteren Posten und Programme der Regierung, einschließlich der Militärausgaben. 2015 entfielen rund 1,1 Billionen USD von insgesamt 3,4 Billionen USD auf diesen Teil. Wenn die Fed den Zinssatz wieder auf ein normales Niveau anheben würde, entstünden der Regierung jährlich Mehrausgaben in Höhe von 800 Milliarden Dollar allein für die Zinszahlungen. Diese würden bereits fast 3/4 der restlichen, nicht zuvor festgelegten Staatsausgaben ausmachen!

Für die US-Regierung, einschließlich der Notenbank Federal Reserve, ist das der reinste Alptraum. Ein derartiger Anstieg der Zinskosten würde katastrophale Einschnitte bei allen variablen Staatsausgaben mit sich bringen, einschließlich der Militärausgaben, die 54% dieser Kategorie ausmachen. Die einzige Alternative wäre die "Finanzierung" der Zinszahlungen durch das Ausgeben neuer Schuldverschreibungen. Aber das ist so, als würde man mit der Kreditkarte Geld leihen, um die Dispozinsen zu bezahlen - die Schuldenspirale dreht sich nur umso schneller.

Selbst wenn der kommende Zinserhöhungszyklus der Fed außergewöhnlich lang sein sollte und in winzigen Schritten voranschreitet, und wenn die globalen Märkte die Fed nicht zur schnelleren Anhebung der Zinsen zwingen, wird das dennoch schwerwiegende Folgen für die US-Regierung haben. Auch wenn die neue effektive Zinsrate nur auf halbem Wege zwischen dem aktuellen, extrem niedrigen Niveau und dem Durchschnitt der 25 Jahre vor Beginn der Nullzinspolitik liegen sollte (also bei 4,3%), würde das die jährlichen Zinszahlungen der Regierung verdoppeln!

Ein Anstieg der Zinskosten um 400 Milliarden Dollar ist bei einem frei verfügbaren Etat von 1.100 Milliarden Dollar fast genauso katastrophal wie ein Anstieg um 800 Milliarden Dollar. Die Konsequenz dessen wären entweder radikale Kürzungen der Ausgaben für Gehälter und staatliche Leistungen oder ein sprunghafter Anstieg des Haushaltsdefizits. Höhere Defizite sind allerdings extrem riskant, da sie die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass die Märkte die Zinsen viel schneller nach oben treiben, als der Fed das lieb ist.


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