EZB in der Falle - und was Gold damit zu tun hat
06.12.2015 | Manfred Gburek
Heute beginne ich mit einer scheinbaren Kleinigkeit, die in Wahrheit ein großer Sprengsatz ist: Als am vergangenen Donnerstag feststand, dass EZB-Chef Mario Draghi nicht ganz so expansiv wie allgemein erwartet mit frischem Geld um sich werfen würde, schnellte die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen schlagartig von 0,47 auf 0,68 Prozent in die Höhe.
Das ist mehr als nur ein Zahlenspiel, das ist ein zukunftsweisender Indikator. Denn während die meisten Banker und Börsianer sich auf den Dax-Absturz um gut 3,5 Prozent konzentrierten, rechnete die wirkliche Anlegerelite aus, dass der kräftige Renditeanstieg nicht mehr und nicht weniger ein Plus von fast 45 Prozent bedeutete. Das heißt: Hätte der Bund am Donnerstag nach statt vor Draghis Rede eine Anleihe aufgelegt, wäre die Zinslast für ihn um fast 45 Prozent teurer geworden, nämlich um die Renditedifferenz zwischen 0,68 und 0,47 Prozent.
Daraus lassen sich allerhand Schlussfolgerungen ableiten. Beginnen wir mit einer, bei der Gold ins Spiel kommt. Wie das? So: Der Goldpreis stieg während der vergangenen Jahrzehnte dann besonders stark, wenn der Dollar gegenüber anderen Währungen, etwa dem Euro, schwach war. Durch die Schwäche drückte sich üblicherweise das Misstrauen in die Stabilität des Dollars aus. Warum soll man also aus dem donnerstäglichen Euro-Hüpfer nach oben nicht schließen können, dass auch der Goldpreis hüpfen müsste? Was er dann am Freitag auch prompt tat.
Dabei mag es sich um eine kurze Episode handeln, doch es dürfte mehr dahinterstecken: Die Konjunkturdaten aus den USA sind bei Weitem nicht so toll, wie von vielen Volkswirten und Medien behauptet wird. Und weil der Dollar in den vergangenen Monaten ziemlich kräftig gegen den Euro gestiegen ist, stellt sich aufgrund der Datenlage die Frage, ob nicht allmählich eine Trendumkehr kommen müsste. Zumal die Konjunktur in verschiedenen Ländern des Euroraums, wie Spanien und Irland, recht schwungvoll anzieht.
So weit einige Überlegungen aus Sicht eines Querdenkers. Wenden wir uns nun wieder dem spannenden Thema EZB zu. Allein schon die Tatsache, dass deren Chef Draghi nicht den - vorher von ihm geschürten - Erwartungen der Börsianer entspricht, kann, wie die eingangs angestellte Prozentrechnung zeigt, zu einem massiven Renditeanstieg und damit zu viel höheren Kosten für den Staat führen (mittelbar natürlich auch für andere Schuldner).
Daraus wiederum folgt: Die Renditen von Staatsanleihen - nicht allein von deutschen, sondern auch von denen im ganzen Euroraum und darüber hinaus - dürfen nicht steigen. Aber wer kann sie am Anstieg hindern? Am Donnerstag haben wir wieder mal vor Augen geführt bekommen: Niemand, denn Finanzmärkte lassen sich nicht einfach manipulieren.
Dieser Gedanke führt zu hochinteressanten Perspektiven. Angenommen, die EZB setzt ihre extrem lockere Geldpolitik nicht wie am Donnerstag angekündigt bis März 2017, sondern darüber hinaus immer weiter fort.
Dann wird dies Politiker aller Couleur verführen (vor allem solche aus Ländern rund ums Mittelmeer), sich so hoch wie möglich zu verschulden - im Zweifel bis zum Staatsbankrott. Dann werden Spekulanten Aktien- und Immobilienpreise in die Höhe treiben, bis es zum großen Knall kommt. Dann werden viele Bank- und Sparkassenkunden noch mehr als bisher sparen, um so einen gewissen Ausgleich für ihre Minizinsen zu erhalten - mit der möglichen Folge, dass weniger konsumiert wird und die Konjunktur dadurch einen Dämpfer erhält. Dann werden Kunden von Lebensversicherern zusehen müssen, wie ihr für die Altersvorsorge gedachtes Geld dahinschmilzt. Und dann werden Betriebsrenten ebenso minimiert wie die unter immer höheren Pensionsrückstellungen (Fremdkapital) leidenden Eigenkapitalanteile in den Bilanzen von Unternehmen.
Diese Perspektiven zeigen eines deutlich: Die EZB läuft Gefahr, in eine Falle zu geraten - oder sie ist schon mittendrin. Und die Alternative? Eine weniger lockere Geldpolitik. Oder um die Bildersprache zu bemühen: Fuß runter vom Vollgaspedal und nach einiger Bedenkzeit rauf auf die Bremse. Mit der Folge, dass die Renditen anfangs ziemlich rasant steigen würden. Im Zuge dieser Entwicklung dürften die Finanzmärkte total durcheinander geschüttelt werden. Ich wage die Prognose, dass die Kurse der im Dax, MDax, Euro Stoxx usw. enthaltenen Aktien dann um 50 Prozent oder sogar noch mehr fallen und dass die Immobilienpreise ihnen zeitverzögert folgen dürften.
Bekanntlich hat die EZB am Donnerstag auch den sogenannten Einlagenzinssatz (Strafzins auf Bankeinlagen) von minus 0,2 auf minus 0,3 Prozent gesenkt. Dadurch sollen Banken gedrängt werden, mehr Kredite zu vergeben, um die Konjunktur auf breiter Front in Schwung zu bringen - eine Fehlkalkulation, weil die Rentabilität von Investitionen in der realen Wirtschaft primär von Gewinnerwartungen der Unternehmen und erst sekundär von sonstigen Faktoren abhängt.
Bei allen Überlegungen zur Geldpolitik der EZB spielt der Zeitfaktor eine sehr große Rolle. Prekär wird es, wenn man sich dieses Szenario vorstellt: Draghi spielt auf Zeit, aber je länger die Zinsen unten bleiben, desto schlimmer sieht es für Sparer, speziell für Kunden der Lebensversicherer, für viele Banken, für Unternehmen mit hohen Pensionsrückstellungen u.a. aus. Oder das folgende Szenario: Es kommt wie am Donnerstag zum Anleihencrash, aber über eine längere Zeit. Dann droht den Finanzmärkten ein Desaster.
Und noch ein Szenario: Die Inflationsrate, die nach dem Herausrechnen des Effekts niedriger Erdölpreise um etwa 1 Prozent schwankt, erreicht zunächst das von der EZB angepeilte Ziel (leicht unter 2 Prozent) und steigt dann bei womöglich anziehenden Erdölpreisen weiter. In diesem Fall würde an den Finanzmärkten der Teufel los sein.
Diese und weitere Szenarien sprechen für Gold. Mal, weil über längere Zeit niedrige Zinsen das Edelmetall attraktiv machen, vor allem, wenn die Zinsen unter der Inflationsrate liegen. Mal, weil ein Anleihencrash, also die Entwertung von Papiergeld, erfahrungsgemäß zur Flucht in Gold führt, weil es nicht Papier, sondern Substanz verkörpert.
Der Zeitfaktor spielt natürlich auch hier eine große Rolle. Das bekamen besonders die leidgeprüften Goldanleger zu spüren, die seit Herbst 2011 länger als vier Jahre warten mussten, bis der Goldpreis zuletzt eine Art Boden bildete. Doch wenn man von der Erfahrung ausgeht, dass er sich nach einer Baisse immer wieder zu neuen Höhen aufschwingt, und wenn Preisrücksetzer zur Aufstockung des Bestands genutzt werden, hält sich das Leid in Grenzen. Und nicht zu vergessen: Gold hat unter anderem die Funktion einer Versicherung. Wenn an den Finanzmärkten alles drunter und drüber geht, steigt sein Preis. Oder anders formuliert: Es behält seine Kaufkraft.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: Außer diversen Börsenbüchern schrieb er: "Das Goldbuch", das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z", "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" und zuletzt das Ebook "Ach du liebes Geld!".
Das ist mehr als nur ein Zahlenspiel, das ist ein zukunftsweisender Indikator. Denn während die meisten Banker und Börsianer sich auf den Dax-Absturz um gut 3,5 Prozent konzentrierten, rechnete die wirkliche Anlegerelite aus, dass der kräftige Renditeanstieg nicht mehr und nicht weniger ein Plus von fast 45 Prozent bedeutete. Das heißt: Hätte der Bund am Donnerstag nach statt vor Draghis Rede eine Anleihe aufgelegt, wäre die Zinslast für ihn um fast 45 Prozent teurer geworden, nämlich um die Renditedifferenz zwischen 0,68 und 0,47 Prozent.
Daraus lassen sich allerhand Schlussfolgerungen ableiten. Beginnen wir mit einer, bei der Gold ins Spiel kommt. Wie das? So: Der Goldpreis stieg während der vergangenen Jahrzehnte dann besonders stark, wenn der Dollar gegenüber anderen Währungen, etwa dem Euro, schwach war. Durch die Schwäche drückte sich üblicherweise das Misstrauen in die Stabilität des Dollars aus. Warum soll man also aus dem donnerstäglichen Euro-Hüpfer nach oben nicht schließen können, dass auch der Goldpreis hüpfen müsste? Was er dann am Freitag auch prompt tat.
Dabei mag es sich um eine kurze Episode handeln, doch es dürfte mehr dahinterstecken: Die Konjunkturdaten aus den USA sind bei Weitem nicht so toll, wie von vielen Volkswirten und Medien behauptet wird. Und weil der Dollar in den vergangenen Monaten ziemlich kräftig gegen den Euro gestiegen ist, stellt sich aufgrund der Datenlage die Frage, ob nicht allmählich eine Trendumkehr kommen müsste. Zumal die Konjunktur in verschiedenen Ländern des Euroraums, wie Spanien und Irland, recht schwungvoll anzieht.
So weit einige Überlegungen aus Sicht eines Querdenkers. Wenden wir uns nun wieder dem spannenden Thema EZB zu. Allein schon die Tatsache, dass deren Chef Draghi nicht den - vorher von ihm geschürten - Erwartungen der Börsianer entspricht, kann, wie die eingangs angestellte Prozentrechnung zeigt, zu einem massiven Renditeanstieg und damit zu viel höheren Kosten für den Staat führen (mittelbar natürlich auch für andere Schuldner).
Daraus wiederum folgt: Die Renditen von Staatsanleihen - nicht allein von deutschen, sondern auch von denen im ganzen Euroraum und darüber hinaus - dürfen nicht steigen. Aber wer kann sie am Anstieg hindern? Am Donnerstag haben wir wieder mal vor Augen geführt bekommen: Niemand, denn Finanzmärkte lassen sich nicht einfach manipulieren.
Dieser Gedanke führt zu hochinteressanten Perspektiven. Angenommen, die EZB setzt ihre extrem lockere Geldpolitik nicht wie am Donnerstag angekündigt bis März 2017, sondern darüber hinaus immer weiter fort.
Dann wird dies Politiker aller Couleur verführen (vor allem solche aus Ländern rund ums Mittelmeer), sich so hoch wie möglich zu verschulden - im Zweifel bis zum Staatsbankrott. Dann werden Spekulanten Aktien- und Immobilienpreise in die Höhe treiben, bis es zum großen Knall kommt. Dann werden viele Bank- und Sparkassenkunden noch mehr als bisher sparen, um so einen gewissen Ausgleich für ihre Minizinsen zu erhalten - mit der möglichen Folge, dass weniger konsumiert wird und die Konjunktur dadurch einen Dämpfer erhält. Dann werden Kunden von Lebensversicherern zusehen müssen, wie ihr für die Altersvorsorge gedachtes Geld dahinschmilzt. Und dann werden Betriebsrenten ebenso minimiert wie die unter immer höheren Pensionsrückstellungen (Fremdkapital) leidenden Eigenkapitalanteile in den Bilanzen von Unternehmen.
Diese Perspektiven zeigen eines deutlich: Die EZB läuft Gefahr, in eine Falle zu geraten - oder sie ist schon mittendrin. Und die Alternative? Eine weniger lockere Geldpolitik. Oder um die Bildersprache zu bemühen: Fuß runter vom Vollgaspedal und nach einiger Bedenkzeit rauf auf die Bremse. Mit der Folge, dass die Renditen anfangs ziemlich rasant steigen würden. Im Zuge dieser Entwicklung dürften die Finanzmärkte total durcheinander geschüttelt werden. Ich wage die Prognose, dass die Kurse der im Dax, MDax, Euro Stoxx usw. enthaltenen Aktien dann um 50 Prozent oder sogar noch mehr fallen und dass die Immobilienpreise ihnen zeitverzögert folgen dürften.
Bekanntlich hat die EZB am Donnerstag auch den sogenannten Einlagenzinssatz (Strafzins auf Bankeinlagen) von minus 0,2 auf minus 0,3 Prozent gesenkt. Dadurch sollen Banken gedrängt werden, mehr Kredite zu vergeben, um die Konjunktur auf breiter Front in Schwung zu bringen - eine Fehlkalkulation, weil die Rentabilität von Investitionen in der realen Wirtschaft primär von Gewinnerwartungen der Unternehmen und erst sekundär von sonstigen Faktoren abhängt.
Bei allen Überlegungen zur Geldpolitik der EZB spielt der Zeitfaktor eine sehr große Rolle. Prekär wird es, wenn man sich dieses Szenario vorstellt: Draghi spielt auf Zeit, aber je länger die Zinsen unten bleiben, desto schlimmer sieht es für Sparer, speziell für Kunden der Lebensversicherer, für viele Banken, für Unternehmen mit hohen Pensionsrückstellungen u.a. aus. Oder das folgende Szenario: Es kommt wie am Donnerstag zum Anleihencrash, aber über eine längere Zeit. Dann droht den Finanzmärkten ein Desaster.
Und noch ein Szenario: Die Inflationsrate, die nach dem Herausrechnen des Effekts niedriger Erdölpreise um etwa 1 Prozent schwankt, erreicht zunächst das von der EZB angepeilte Ziel (leicht unter 2 Prozent) und steigt dann bei womöglich anziehenden Erdölpreisen weiter. In diesem Fall würde an den Finanzmärkten der Teufel los sein.
Diese und weitere Szenarien sprechen für Gold. Mal, weil über längere Zeit niedrige Zinsen das Edelmetall attraktiv machen, vor allem, wenn die Zinsen unter der Inflationsrate liegen. Mal, weil ein Anleihencrash, also die Entwertung von Papiergeld, erfahrungsgemäß zur Flucht in Gold führt, weil es nicht Papier, sondern Substanz verkörpert.
Der Zeitfaktor spielt natürlich auch hier eine große Rolle. Das bekamen besonders die leidgeprüften Goldanleger zu spüren, die seit Herbst 2011 länger als vier Jahre warten mussten, bis der Goldpreis zuletzt eine Art Boden bildete. Doch wenn man von der Erfahrung ausgeht, dass er sich nach einer Baisse immer wieder zu neuen Höhen aufschwingt, und wenn Preisrücksetzer zur Aufstockung des Bestands genutzt werden, hält sich das Leid in Grenzen. Und nicht zu vergessen: Gold hat unter anderem die Funktion einer Versicherung. Wenn an den Finanzmärkten alles drunter und drüber geht, steigt sein Preis. Oder anders formuliert: Es behält seine Kaufkraft.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: Außer diversen Börsenbüchern schrieb er: "Das Goldbuch", das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z", "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" und zuletzt das Ebook "Ach du liebes Geld!".