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Notenbanken werden Geld aus vollen Rohren schießen, niedrige Inflation ist Geschichte

20.12.2015  |  Manfred Gburek
Vermutlich haben Sie als Anleger in den vergangenen Tagen viel darüber nachgedacht, welche Konsequenzen die kleine Zinserhöhung in den USA vom vergangenen Mittwoch wohl haben mag. Weitere Erhöhungen? Nach der mauen Entwicklung der amerikanischen Konjunktur zu urteilen unwahrscheinlich. Dollar im Vergleich zum Euro noch stärker als in den vergangenen Monaten? Bei schwacher Konjunktur nicht zu erwarten. Sinkender Goldpreis? Kurzfristig möglich, aber für längere Zeit auf keinen Fall.

Aktuell haben wir es mit einem gewissen Herdenverhalten zu tun. Beispiel Dollar: Die Long-Positionen amerikanischer Fondsmanager (Engagements in Erwartung eines weiteren Dollar-Anstiegs) haben sich von November bis Dezember nahezu verdoppelt; weiteres Potenzial nach oben ist fragwürdig. Beispiel Gold: Als dessen Preis am Donnerstag innerhalb kürzester Zeit schlagartig einbrach, was geradezu nach Manipulation roch, fanden sich nicht genug Käufer, um dagegenzuhalten. Dann war der Spuk ebenso schnell vorbei, wie er gekommen war, und am Freitag stieg der Goldpreis wieder.

Derweil träumten viele Fondsmanager von hohen Anleiherenditen, ohne sich darüber im Klaren zu sein, dass sie damit Kursverluste in Kauf nehmen würden. So sind Börsianer nun mal. Und auch so: Seit die Zinsen sich im Keller bewegen, also seit vielen Jahren, spielen dieselben Börsianer lieber mit dem reichlich vorhandenen Geld, als es strategisch einzusetzen. Eine der Folgen: zunehmende Volatilität, also Schwankungsstärke. Eine weitere: Hin und her macht Taschen leer.

Nachdem die amerikanische Zinserhöhung über die Bühne gegangen ist, konzentriert sich das Interesse der international agierenden Anlageprofis wieder mehr auf die Geldpolitik im Euroraum. Aus gutem Grund, denn die gegenläufigen Tendenzen - in den USA Geld-Straffung durch die dortige Notenbank Fed, in Europa Geld-Expansion durch die EZB - führen zur Frage, wie lange eine solche Entwicklung anhalten kann, ohne dass es zu erheblichen Währungsturbulenzen kommt.

Die Antwort: Viel spricht dafür, dass die jetzige amerikanische Zinserhöhung eher symbolisch ist, dass ihr wegen der enttäuschenden US-Konjunktur zunächst keine weitere folgen wird - und sogar, dass die Fed ein neues Programm des Quantitative Easing (Anleihenkäufe) auflegen könnte. Dadurch würde aus gegeneinander laufenden Tendenzen ein Miteinander.

Was spricht noch für diesen Ausblick? Der dramatische Rückgang der Rohstoffpreise und erst recht der Aktienkurse von Rohstoffkonzernen. Sehen Sie sich mal in aller Ruhe die Charts von Rohöl, Kupfer, Nickel und Zink an sowie die Kurse von BP, Rio Tinto, BHP Billiton und Freeport- McMoran - ein Desaster. Gleichzeitig aber auch ein Hinweis darauf, dass es um die Konjunktur weltweit nicht gerade rosig bestellt ist.

Weniger desaströs sehen die Charts von Gold und Silber aus, wohingegen es die Kurse der meisten Gold- und Silberaktien sogar noch schlimmer erwischt hat als die von BP, Rio Tinto & Co. Allerdings ist zu unterscheiden: Gold und in erheblichem Umfang auch Silber gelten weniger als Indikatoren für die Konjunktur, vielmehr werden sie in erster Linie als Edelmetalle wahrgenommen. Dass die Kurse der Aktien von Unternehmen, die sie fördern, so dramatisch abgestürzt sind, liegt vor allem an der Hebelwirkung. Das heißt, 10 Prozent Preisrückgang von Gold oder Silber führt zu 20 oder 30 oder noch mehr Kursrückgang bei den Edelmetallaktien.

Die im Vergleich zu Rohstoffen andere Wahrnehmung der Edelmetalle liegt an deren Funktionen: Sie sind - Gold mehr als Silber - internationale Liquidität und als solche wahres, nicht beliebig vermehrbares Geld (im Gegensatz zu Papiergeld, das sich auf Knopfdruck endlos vermehren lässt). Sie sind eine Art Währung, gleichzeitig auch Versicherung gegen einen möglichen Währungskrieg, und sie bieten Schutz vor Inflation. Das alles nicht von heute auf morgen, sondern im langfristigen Trend.

Diese Konstellation muss man beachten, wenn es darum geht, Gold und Silber in das konjunkturelle Szenario einzuordnen. Daraus folgt, bezogen auf die in Zukunft zu erwartende, dann miteinander statt gegeneinander laufende Geldpolitik von Fed und EZB: Sobald es zum Miteinander kommt, werden beide Notenbanken Geld aus vollen Rohren schießen. Ob die Konjunktur davon profitieren wird, bleibt bis auf Weiteres offen. Dass aber die Preise von Gold und Silber bereits vorher positiv reagieren dürften, liegt auf der Hand: Wenn ein beliebig vermehrbares Gut (in diesem Fall Papiergeld), auf nicht beliebig vermehrbare Güter wie Gold und Silber trifft, werden diese, gemessen in Papiergeld-Einheiten, aufgewertet. So etwas nehmen Börsianer üblicherweise um etwa ein halbes Jahr vorweg.

Das Stichwort Inflation ist schon gefallen. Gemeint ist die Papiergeld-Inflation. Da sie derzeit am Boden liegt, aber wegen der Geldpolitik der Notenbanken nicht mehr lange dort verharren wird, sei hier ein bekanntes Gleichnis zitiert: Stellen Sie sich eine offene Ketchupflasche vor, die Sie hin und her schütteln, ohne dass zunächst Ketchup aus ihr herauskommt - bis sich auf einmal ein ganzer Schwall über Ihren Teller ergießt (hoffentlich nicht auf Ihre Kleidung). So kann es auch mit der Inflation kommen.

Glauben Sie nicht? Dann lassen Sie sich von Jens Weidmann eines Besseren belehren, immerhin Bundesbank-Präsident und EZB-Ratsmitglied, außerdem seit November zusätzlich Vorsitzender der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich: "Die anhaltend niedrige Inflation der vergangenen Monate ist Geschichte." Das sagte er am 9. Dezember in einem Interview mit der Berliner Zeitung. Wer sich in führender Position derart aus dem Fenster lehnt, muss wissen, was er sagt. Und auch wenn EZB-Präsident Mario Draghi einen Feldzug gegen die Deflation zu führen scheint, also das Gegenteil von Inflation, steht überhaupt nicht fest, dass es in Europa Deflation gibt.

In der EZB knistert es mächtig. Aber nicht nur, weil Weidmann und Draghi unterschiedlicher Meinung zu wichtigen Punkten sind, sondern auch wegen der Disziplinlosigkeit von Spitzenpolitikern Frankreichs und Italiens. So verbitten sich der französische Premierminister Manuel Valls und der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi unisono jegliche Brüsseler Einmischung in ihre Angelegenheiten, obwohl die belgische Hauptstadt so etwas wie ein Katalysator für die gemeinsame Europa-Politik ist. Dazu hat sich Weidmann neulich in einer Rede vor handverlesenem Publikum wie folgt kritisch geäußert: "Die Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspaktes wurden seit Bestehen der Währungsunion von manchen Ländern, wie etwa Frankreich und Italien, sogar häufiger verletzt, als sie eingehalten wurden."

Das ist skandalös. Aber wer schert sich darum? Niemand wirklich. Die europäischen Politiker sind viel zu sehr mit der Flüchtlingsproblematik beschäftigt, als dass sie von Franzosen, Italienern und anderen Währungssündern Disziplin einfordern könnten. Und die Geldpolitiker unternehmen alles, um ihre Inflationsziele zu erreichen. Die Kaufkraft bzw. der Wert ihrer Währungen ist ihnen derzeit eher schnuppe, in Europa wie auch in den USA und anderswo. Wer Gold und Silber besitzt, ist vor den Folgen geschützt.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu

Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: Außer diversen Börsenbüchern schrieb er: "Das Goldbuch", das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z", "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" und zuletzt das Ebook "Ach du liebes Geld!".



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