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Tokio erhöht den Einsatz

03.02.2016  |  John Mauldin
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Das Chaos, das die Bank of Japan bisher angerichtet hat, hat der Mehrheit der Vorstandsmitglieder offenbar noch nicht gereicht, also sind sie jetzt zum Negativzins übergegangen.

Wenden wir uns den USA zu. Ben Bernanke, der ehemalige Vorsitzende der Notenbank sagte vergangene Woche in einem Interview, dass die Federal Reserve negative Zinssätze in Erwägung ziehen sollte, um dem nächsten Wirtschaftsabschwung zu begegnen. "Ich denke, negative Zinsen sind etwas, das die Fed wahrscheinlich in Betracht ziehen wird und auch sollte, wenn die Situation es erfordert", so Bernanke.

Der gleiche Artikel von MarketWatch erwähnt auch, dass der frühere Vizevorsitzende der Fed, Alan Blinder, für die täglich fälligen Einlagen der Geschäftsbanken bei der Zentralbank bereits einen Negativzins vorgeschlagen hatte. Und Janet Yellen, die 2013, nachdem der Kongress für sie gestimmt hatte, während ihrer Ansprache das signifikante Störpotential eines negativen Zinssatzes betonte, sagt jetzt, die Fed würde auch diese Option überdenken.

Wenn wir über Investoren sprechen, nehmen wir oft Bezug auf die Herdenmentalität. Wirtschaftswissenschaftler und Zentralbanker sind für dieses Verhalten genauso anfällig, wie alle anderen. Ihre Herde bewegt sich sehr langsam vorwärts, soviel ist sicher, aber sie wirbelt währenddessen viel Staub auf.

Einen der größten Aha-Momente meines Lebens hatte ich, als ich dem ehemaligen Gouverneur der Bank of England, David Blanchflower, (der die Zentralbank während der Finanzkrise im letzten Jahrzehnt leitete) vor einigen Jahren bei einer Debatte in Camp Kotok zuhörte. Bei der Diskussion ging es um die Frage, ob die Entscheidung der Bank of England und der Fed für die quantitativen Lockerungen richtig war.

Blanchflower lieferte eine ziemlich schaurige Darstellung der damaligen Ereignisse und erklärte, dass die Banken in den USA zwar große Probleme hatten, die Situation im Vereinigten Königreich aber womöglich noch ernster war. Die britischen Banken waren buchstäblich nur Tage vom völligen Zusammenbruch entfernt. Es musste dringend Liquidität zur Verfügung gestellt werden - und das ist der einzig wahre und erstrebenswerte Zweck von Zentralbanken (doch dann verdoppeln sie ihre Bemühungen). Blanchflower argumentierte, dass es unmöglich war, den Sitzungen der Bank of England beizuwohnen, zu sehen, wie aussichtslos die Lage war, und sich dann für das Nichtstun zu entscheiden. Man musste einfach handeln.

In einer solchen Zwangslage verlässt man sich auf seinen Instinkt, seine Ausbildung und Erfahrung, und dann handelt man und hofft, dass man mit seinen Entscheidungen mehr Gutes als Schlechtes bewirkt.

Springen wir direkt von der Vergangenheit in die Zukunft und kommen wir zur nächsten Rezession in den USA, die wahrscheinlich der Kern eines globalen Konjunkturrückgangs sein wird. Bedeutende Zentralbanken werden überall auf der Welt den Zinssatz senken, die Geldmenge weiter erhöhen und die Zinsen in einigen Fällen sogar noch weiter in den Minusbereich absenken.

Sie sitzen im Offenmarktausschuss der Federal Reserve. Fast alle anderen, die mit Ihnen im Raum sind, sind überzeugte Keynesianer. Auch Ihre Ausbildung und Ihre Erfahrung stützen sich größtenteils auf diese Wirtschaftstheorie und alle sind Ihrer Meinung. Sie werden Maßnahmen ergreifen, die mit Ihrem theoretischen Verständnis von der Funktionsweise der Welt übereinstimmen.

Ihre Theorie besagt, dass Sie den Preis des Geldes senken müsse, damit die Menschen mehr leihen und mehr ausgeben. Ihnen ist bewusst, dass Sie damit den Sparern schaden, aber es ist wichtiger, dass die Konjunktur wieder in Schwung kommt.

Wie entscheiden Sie sich? Sie hören von allen Seiten, dass der US-Dollar zu stark sei und den amerikanischen Unternehmen schade. Sie sind besorgt darüber, welche unbeabsichtigten Folgen es haben könnte, wenn die Zinsen der weltweiten Reservewährung negativ werden, aber die beratenden Ökonomen legen Ihnen verschiedene Abhandlungen vor, in denen überzeugend argumentiert wird, dass ein Negativzins die beste Alternative ist. Schließlich werfen Sie das Handtuch.

Das ist in etwa die Situation, in der sich Kuroda-san wiederfand, als er aus Davos zurückkehrte. Seine Wirtschaftswissenschaftler (die eine sehr ähnliche Ausbildung hatten, wie die Ökonomen der Fed) warteten schon auf ihn. Ja, er hat wahrscheinlich auch von den Zentralbankern anderer Länder, die bereits Zinsen im Minusbereich haben, Beteuerungen und Versicherungen gehört. Aber eine solche Entscheidung trifft man nicht auf Grundlage von ein paar Konversationen. Kuroda hatte schon seit Langem über negative Zinsen nachgedacht.

Sie müssen wissen, dass in der absoluten Weltelite der Ökonomen jeder jeden kennt. Viele von ihnen haben die gleiche Schule besucht und sie tauschen sich regelmäßig auf Konferenzen, bei privaten Treffen, bei Telefongesprächen oder per E-Mail aus. Ich kann ihnen garantieren, dass sie auch darüber diskutieren, ob und wann es auch für die Vereinigten Staaten nötig wird, den Weg der Minuszinsen einzuschlagen. Die Entscheidungsträger sind nicht begeistert von dieser Möglichkeit, aber sie werden sie mit Sicherheit besprechen. Wenn sie uns sagen, dass negative Zinsen eine Option darstellen, dann sollten wir das ernst nehmen.

Ich war in einem Raum mit einigen zur Weltelite zählenden Ökonomen (Nobelpreisträgern etc.), die privat den Standpunkt vertraten, die USA solle sich ein Inflationsziel von nicht nur 2%, sondern 4% setzen (das Treffen fiel unter die Chatham-House-Regel, deshalb darf ich nicht veröffentlichen, wann und wo es stattgefunden hat und wer anwesend war). In der Öffentlichkeit hört man derartige Äußerungen nicht von ihnen. Der Ernst unserer aktuellen Wirtschaftslage ist der Elite vollkommen bewusst, doch ihre wissenschaftlichen Theorien sagen ihnen, die Lösung des Dilemmas bestehe in weiteren quantitativen Lockerungen und noch niedrigeren Zinsen.

Viele Wirtschaftswissenschaftler glauben an ihre Theorien, wie andere Menschen an ihre Religion glauben.

Wir müssen die Möglichkeit eines in Zukunft negativen Zinssatzes ernsthaft in Betracht ziehen, in den Sitzungen unseres Investment-Komitees, in den Treffen mit unseren Investitionsberatern etc. darüber sprechen, was das für unser Portfolio bedeuten würde und einen entsprechenden Schlachtplan erstellen. Warten Sie nicht bis zur letzten Minute und versuchen Sie nicht erst dann zu reagieren, wenn der Minuszins bereits beschlossene Sache ist. In den USA werden die negativen Zinsen weder in dieser Woche noch in diesem Monat eingeführt und ich bezweifle stark, dass es noch in diesem Jahr soweit kommen wird. Aber wenn diese Option bereits auf dem Tisch der Federal Reserve ist, sollte auch Sie darüber nachdenken.



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