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Der Deflations-Popanz

07.03.2016  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Nicht nur das: Ein Negativzins eröffnet sogar neuerliche Spielräume, um die laufenden Defizite auszuweiten. Es liegt daher auf der Hand, dass eine solche Politik von den Regierungen als besonders attraktiv angesehen wird.

Dem Gewinn der Schuldner entspricht natürlich der Verlust, den Sparer und Anleger erleiden: Der Negativzins schmälert ihre Ersparnisse, sie werden entsprechend ärmer.

Es stellt sich natürlich die Frage, ob die Sparer und Anleger sich das gefallen ließen - oder ob sie nicht doch früher oder später aus Anlagen mit einem Negativzins "fliehen" würden.

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Quelle: Eigene Berechnungen. Zu Erläuterung siehe die Tabelle auf der vorangegangenen Seite


Das erklärt die Vehemenz, mit der Regierungen daran arbeiten, die Bargeldverwendung einzuschränken beziehungsweise das Bargeld zu verbieten, denn nur so kann mit der Negativzinspolitik wirklich "ernst" gemacht werden.


Inflationsversuch

Ein anderer Ansatzpunkt, um die Schuldenlasten zu reduzieren (auf Kosten der Sparer und Anleger), ist das Erhöhen der Inflation. Dazu ist ein kräftiges Ausweiten der Geldmenge erforderlich.

Die vermeintliche "Deflationsbekämpfung" bietet dafür eine ausgezeichnete Steilvorlage: Die Zentralbank weitet die Geldmenge "vorsorglich" aus, um einen Preisverfall zu verhindern.

Die Geldmengenausweitung lässt dann aber nachfolgend - nach und nach - die Preise auf breiter Front anziehen und die Kaufkraft des Geldes und die in Geld fixierten Zahlungsansprüche schwinden.

Die Versuchung, eine solche "Überraschungsinflation" zu verursachen, ist derzeit besonders groß. Denn das Vertrauen in die Zentralbanken, dass sie die Inflation niedrig halten, ist nach wie vor sehr ausgeprägt.

Und folglich lassen sich geldpolitische Maßnahmen auf den Weg bringen, die nicht unmittelbar Inflationssorgen und damit einen ungewünschten Zinsauftrieb auslösen werden.

Wenngleich auch ein Inflationieren von vielen Marktbeobachtern derzeit nicht erwartet oder überhaupt als möglich erachtet wird - es wurde in der Vergangenheit von den Staaten immer wieder zur "Schuldenreduktion" eingesetzt.

Und im heutigen ungedeckten Papiergeldsystem ist das Schaffen von Inflation, wenn es denn gewollt ist, im Grunde jederzeit möglich. Das sollte für Sparer kein Trost, sondern Anlass zur Sorge sein. Dass es zu einer Deflation kommt, ist dagegen höchst unwahrscheinlich.

"Die Erkenntnis, daß eine schwere Inflation immer und überall ein monetäres Phänomen ist, stellt lediglich den Beginn des Verständnisses von Ursache und Therapie der Inflation dar. Die grundlegenderen Fragen lauten: Warum steigern die Regierungen die Geldmenge zu rasch? Warum führen sie Inflation herbei, obgleich sie wissen, wieviele Sachen sie anrichten können?" - Milton Friedman, Geld regiert die Welt, 1992, S. 198


Inflation und Deflation sind monetäre Phänomene

Steigt die Geldmenge in der Volkswirtschaft, so steigen auch die Preise: Sie fallen höher aus im Vergleich zu einer Situation, in der die Geldmenge nicht ausgeweitet worden wäre. Das heißt, eine Geldmengenausweitung kann entweder zu einem Preisanstieg der Güter führen; oder sie sorgt dafür, dass die Preise unverändert bleiben (die Preise wären nämlich gefallen, hätte es keine Ausweitung der Geldmenge gegeben).

In beiden Fällen lässt sich also ein Geldmengenausweiten mit Inflation gleichsetzen. Im Falle eines folgenden Preisanstiegs ist die Inflation sichtbar, im Falle unveränderter Preise ist sie quasi unsichtbar. Mit den gleichen Überlegungen lässt sich auch die Deflation erklären: Schrumpft die Geldmenge, so fallen auch die Preise - beziehungsweise die Preise fallen niedriger aus im Vergleich zu einer Situation in der die Geldmenge nicht abgenommen hätte.

Im heutigen ungedeckten Papiergeldsystem haben die Zentralbanken die Kontrolle über die Geldproduktion. Die Zentralbank kann im Prinzip die Geldmenge jederzeit in jeder beliebigen Menge ausweiten. Wenn ihr die Geschäftsbanken dabei nicht helfen, lässt sich das Ausweiten der Geldmenge auch auf anderen Wegen durchführen.

Die Zentralbank kann beispielsweise Anleihen am Kapitalmarkt kaufen und die Käufe mit neu geschaffenem Geld bezahlen. Sie kann natürlich auch Devisen erwerben - die Europäische Zentralbank (EZB) kann beispielsweise US-Dollar kaufen und im Gegenzug die Euro-Geldmenge damit ausweiten. Auch der Kauf von Aktien wäre prinzipiell möglich (und wird ja zuweilen auch schon praktiziert wie zum Beispiel von der Schweizer Nationalbank).

Wenn eine Zentralbank die Geldmenge mehr oder weniger perfekt kontrollieren kann, trägt sie auch die Verantwortung, ob es zu Inflation oder Deflation kommt. Weil aber Deflation (aus einer Reihe von Gründen) weitaus stärker als Inflation gefürchtet wird ist es nicht verwunderlich, dass es zu Inflation und nicht zu Deflation kommt. Denn die Zentralbank wird eher geneigt sein, eine zu inflationäre Geldpolitik zu verfolgen als eine deflationäre Entwicklung zuzulassen.

Die Neigung der Zentralbanken zur Inflation (und ihre Abneigung gegen Deflation) kommt aktuell wieder einmal deutlich zum Ausdruck: Die aktuell niedrige Konsumentenpreisinflation wird zum Anlass genommen, um Politiken auf den Weg zu bringen, die die Inflation in die Höhe treiben sollen. Und das wird auch gelingen.

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Abbildung links: Quelle: Bloomberg
Abbildung Mitte: Quelle: Bloomberg. *Inflations-Swaprate
Abbildung rechts: Quelle: Thomson Financial; eigene Berechnungen


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH



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