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Das bittere Ende des Inflationsbooms

04.01.2025  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
"Der Irrtum wiederholt sich immerfort in der Tat, deswegen muss man das Wahre unermüdlich in Worten wiederholen", so schrieb es einst Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832).

Auf den ersten Blick scheinen Goethes Worte treffend zu sein: Die Zentralbanken sind dabei, die Zinsen wieder abzusenken, das Kredit- und Geldmengenwachstum und damit auch die Inflation anzuheizen - die Zentralbankräte machen also wieder genau das, was regelmäßig und mit einer gewissen Zeitverzögerung zur Krise führt. Doch steckt dahinter wirklich ein Irrtum?

Und ist es ein Irrtum auf Seiten der Investoren, wenn die Aktienmärkte die Rückkehr zur Politik des billigen Geldes mit Kurssteigerungen quittieren, die Indizes von einem Hochstand zu nächsten jagen? Wenn der Marktpreis des Bitcoins, den viele schon als das neue Weltgeld ausrufen, die Marke von 100.000 US-Dollar durchbricht, und auch die Preise für Gold und Silber - die währungsgeschichtlich erprobten Geldarten - außergewöhnlich hohe Zuwächse verzeichnen?

Diese Entwicklungen zeigen zunächst einmal klar und deutlich: Das Fiatgeld hat die Volkswirtschaften fest im Griff. Und zwar mehr als je zuvor. Die weltweite Produktions- und Beschäftigungsstruktur, die im Zuge der Fiatgeldvermehrung entstanden ist, die gewaltigen Schuldenlasten, die im Fiatgeldzeitalter aufgetürmt wurden, die Ersparnisse weiter Teile der Bevölkerung, die dem Fiatgeld anvertraut sind: Alles steht und fällt mit dem Fiatgeldsystem.

Und es bleibt nur dann (be)stehen, wenn die Fiatgeldmenge weiter anschwillt, wenn vor allem die Zinsen durch die Zentralbanken immer weiter künstlich abgesenkt werden. Dann und nur dann bleibt der Scheinaufschwung ("Boom") in Gang, wird verhindert, dass er in einen echten Abschwung („Bust“) umschlägt, bestehende Kapital- und Einkommensstrukturen zerschlagen werden.

Es ist durchaus verständlich, dass nach Jahrzehnten der Fiatgeldvermehrung und der Schuldenaufhäufung Regierende wie auch Regierte davor zurückscheuen, die gewaltigen Kosten, die eine Abkehr vom Fiatgeldsystem hätte, zu tragen. Einen Irrtum hätte man vielleicht noch zu dem Zeitpunkt diagnostizieren können, an dem das Fiatgeld eingeführt wurde - der jedoch schon viele Dekaden zurückliegt, und an den sich die meisten gar nicht mehr erinnern: Gut denkbar ist, dass die Menschen damals nicht wussten oder sich nicht vorstellen konnten, auf welch unheilvollen Pfad sie sich mit dem Fiatgeld begeben würden.

Es ist allerdings ein Irrtum zu glauben, man werde den wahren Kosten des Fiatgeldsystems irgendwie doch noch entkommen können, wenn man sich nur die erforderliche Zeit kauft, das Fiatgeldsystem so lange es eben geht fortführt. Was viele, die dieser Position anhängen, nicht wissen und sehen: Der Erhalt des Fiatgeldes macht es erforderlich, die verbliebenen Reste des freien Wirtschafts- und Gesellschaftssystems auch noch außer Kraft zu setzen.

Etwa indem Staaten verstärkt die gesamtwirtschaftliche Nachfrage steuern, Banken und beschäftigungsintensive Industrien verstaatlichen, internationale Kapitalbewegungen kontrollieren und einschränken. Anders gesagt: Das Fiatgeldsystem setzt politische Kräfte frei, die unvereinbar sind mit einer freien Wirtschaft und Gesellschaft, die sie nach und nach zerstören.

Der "Destruktivismus", der mit der Verwendung des Fiatgeldes verbunden ist, vollzieht sich dabei meist still und heimlich, und es kann auch geraume Zeit in Anspruch nehmen, bis das Fiatgeldsystem bei den Menschen in Misskredit gerät. Solange es für Wirtschaftswachstum sorgt, und die Inflation nicht überhandnimmt, formiert sich kein nennenswerter Widerstand - selbst wenn es dabei immer wieder zu vorübergehenden Finanz- und Wirtschaftskrisen kommt.

Doch wenn unter den Strukturen, die das Fiatgeldsystem hervorbringt und fördert, das Wirtschaftswachstum schwindet, die Inflation für alle Augen offenkundig immer weiter steigt, die Einkommens- und Vermögensverteilung inakzeptable Ausmaße erreicht, ist dann das Ende des Fiatgeldsystems besiegelt? Nein, nicht zwangsläufig. Es kommt dann vielmehr darauf an, dass die Menschen das Fiatgeldsystem tatsächlich als Ursache ihrer Misere erkennen und auch die Kosten des Systemwechsels nicht scheuen.

Bislang ist von all dem in der westlichen Welt aber immer noch recht wenig zu sehen. Die Zerstörungskraft des Fiatgeldsytems, die gegen den Fortbestand der westlichen Zivilisation und ihre Errungenschaften arbeitet, bleibt weitestgehend unerkannt.

Das aber sollte keineswegs davon abhalten, das - wie Goethe es sagte - Wahre unermüdlich auszusprechen, damit sich der Irrtum nicht immerfort wiederholt: Je länger das Fiatgeld fortgeführt wird, desto größer wird die Rechnung, der die Menschen nicht entkommen werden. Zumal das Fiatgeldsystem denjenigen in die Hände spielt, die die Reste der Marktwirtschaft auch noch beerdigen und eine Art Kommandowirtschaft errichten wollen, in der von zentraler Stelle festgelegt wird, wer was wann produziert, und wer was wann und in welcher Menge konsumieren darf.

Das Wahre unermüdlich auszusprechen, ist gerade jetzt wichtig, in einer Zeit, in der sehr wahrscheinlich ein neuer Inflationsboom losgetreten wird. Aber auch er wird - wie schon viele seiner Vorgänger - kein gutes Ende nehmen. Bis es so weit ist, kann man als Investor allerdings noch viel Geld verdienen beziehungsweise sich Verluste ersparen, in dem man beispielsweise anstelle von in Fiatgeld ausgewiesenen Forderungen (in Form von Bargeld, Bankguthaben und Anleihen) auf zum Beispiel Aktien und Gold setzt; solcherart profane Schlussfolgerungen zu ziehen, sollte auch der kritische und tiefsinnige Beobachter des Weltengangs in diesen Zeiten keinesfalls scheuen.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
www.boombustreport.com


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