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Der Zins und die "Great-Reset-Blase"

24.12.2023  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auch wenn es viele bestreiten, nicht wahrhaben wollen, es gibt ihn doch: den "Great Reset". Gemeint ist damit ein Ideenkonvolut, das von "Stakeholder Capitalism" über "Woke-Sein" und "Vierte Industrielle Revolution ("4-IR")" bis hin zu "Transhumanismus" reicht, und das vor allem vom WEF (World Economic Forum) wirkungsmächtig popularisiert wird. Die Virus-Seuchen-Bekämpfung und insbesondere die politisch angetriebene Abkehr von fossilen Brennstoffen zur Rettung des "Weltklimas" sind die wohl sichtbarsten Fußabdrücke der Great-Reset-Agenda.

Dass der mit ihr geplante Umbau des Weltwirtschafts- und -gesellschaftssystems im Zuge der extremen Niedrigzinspolitik ganz besonders an Fahrt gewinnen konnte, ist alles andere als verwunderlich, wenn man nur um die Wirkungen heruntermanipulierter Zinsen weiss. Zur Erinnerung:

In der Folge der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 hatten die Zentralbanken die Zinsen in den großen Volkswirtschaften extrem abgesenkt. In den USA verharrten die Leitzinsen bis fast Ende 2015 auf der Nulllinie, stiegen bis Ende 2018 auf nur 2,50 Prozent und gingen dann ab Sommer 2019 wieder auf Talfahrt, und sie blieben bis März 2022 auf der Nullinie.

In diesem Umfeld extrem heruntergedrückter Zinsen konnten sich gewaltige Fehlentwicklungen nahezu geräuschlos aufbauen. So verringerten die Tiefzinsen den Sparanreiz und spornten den Konsum an. Gleichzeitig wurden Investitionen attraktiv(er), die ohne die künstlich gesenkten Zinsen nicht angegangen worden wären. Die Volkswirtschaften schwenkten dadurch auf einen Scheinaufschwung ein.

Vor allem wurde das Schuldenmachen attraktiv(er), und die damit verbundene Liquiditätsschwemme inflationierte die Preise der Vermögensgüter, allen voran Aktien- und Häuserpreise. Eine "Reichtumsillusion" stellte sich ein, die über die wahren Knappheitsverhältnisse hinwegtäuschte, und die die gewaltigen Kosten, die der Great-Reset den Volkswirtschaften abverlangt, wie eine Kleinigkeit aussehen ließ. Denn ein de facto Nullzins macht die Bedürfnisse der Gegenwart noch dringlicher, als sie ohnehin schon sind, entwertet ökonomisch gesehen die Zukunft zu Gunsten des Hier und Heute.

Das augenblickliche Bedürfnis, das Klima zu retten, wurde so noch dringlicher gemacht in den Augen der Menschen im Vergleich zu ihrem berechtigten Wunsche, die Güterversorgung in der Zukunft reichlich(er) zu decken.

Vor allem erlaubt der künstlich gesenkte Zins es auch den Staaten, marktwirtschaftsfeindliche Politiken nahezu ungestraft in die Tat umzusetzen – etwa in Form politisch diktierter Lockdowns in 2020/2021, als die Staaten ihr Unwesen in der Zeit des Corona-Virus trieben. Die wahren volkswirtschaftlichen Kosten dieser Massnahmen blieben weitestgehend vor den Augen der Bevölkerung verborgen – weil die Staaten die Konjunkturen durch gewaltige schuldenfinanzierte Ausgabenpakete und enormes Geldmengenvermehren künstlich in Gang hielten.

Alles schien also im Sinne der Great-Reseter zu verlaufen: Das System der freien Märkte, die freie Gesellschaft wurden immer weiter zurückgedrängt, der Weg in die staatliche Befehls- und Lenkungswirtschaft wurde vorangetrieben. Bis dann die Ausweitung der Geldmenge ihre unerwünschte Wirkung zeigte: Die Inflation der Güterpreise begann in 2020 anzuziehen, und sie wollte gar nicht mehr aufhören zu steigen. Die Zentralbanken sahen sich angesichts der von ihr erzeugten Hochinflation gezwungen, die Zinsen anzuheben, um den Vertrauenskollaps in ihr Fiatgeld abzuwenden.

Die gestiegenen Zinsen lassen die Luft aus der "Great-Reset-Blase": Plötzlich ist die künftige Güterversorgung nicht mehr gar so bedeutungslos für die Menschen, sie wird vielmehr wieder viel wertvoll(er). Die Kosten des geplanten Ausstiegs aus Öl, Kohle und Gas schlagen dadurch um so heftiger zu: Die Produktion nimmt nicht nur aufgrund erhöhter Energiepreise ab, was nun besonders schmerzlich wird für die Menschen, auch die gestiegenen Kredit- und Kapitalkosten machen so manches Unternehmen unprofitabel, entpuppen es als "Zombie", verringern den Güterausstoß.

Die Einkommens- und Wohlfahrtsverluste für die breite Bevölkerung sind gewaltig. Der Great Reset ist auf einmal zu einem extrem teueren Luxusprojekt geworden, und die Menschen beginnen, gegen den mit ihm verbundenen Verarmungseffekt aufzubegehren.

Kann man vielleicht sagen: Der Great Reset benötigt einen künstlich gesenkten Zins, damit man ihn in die Tat umsetzen kann? Rechnen sich "Stakeholder Capitalism" und "Woke-Sein" und die Abkehr von fossilen Brennstoffen nur in einer Tiefstzinswelt? Erfordert die "Neue Weltordnung", auf die der Great Reset abzielt, notwendigerweise extrem abgesenkte Marktzinsen?

Nein, das wäre wohl eine überzogene Aussage. Denn der Marktzins ist schließlich nur eine Variable in der Umsetzung der wahrlich wahnwitzigen Great-Reset-Ideen. Eine Gesellschaft von Menschen, die ideologisch fanatisiert-getrieben ihren Wohlstand im Hier und Heute zu opfern bereit ist, um aus heutiger Sicht Glückszustände in der Zukunft zu erreichen, wird vermutlich auch ohne Zinsdrückerei einem Great-Reset, und damit einem Neosozialismus, entgegenstreben.

Aber ein heruntermanipulierter Zins vereinfacht zweifelslos den Umsturz der bestehenden Eigentums- und Vermögensverhältnisse, wie sie der Great Reset beabsichtigt. Daher ist die Zinspolitik der Zentralbanken in der Tat so etwas wie ein Richtungsmesser: Fortgesetzt erhöhte Zinsen streuen Sand ins Getriebe der Great-Reset-Apologeten, eine Rückkehr zur Politik des Zinsabsenkens hat hingegen das Zeug, die Great-Reset-Blase mit neuer Luft zu füllen.

Könnte es da nicht vielleicht doch sein, dass die Zentralbanken mit ihren Zinserhöhungen, die sie seit etwa Anfang 2022 eingeletet haben, den Great-Resetern das Wasser abgegraben haben?

Vermutlich nicht, für diese Hoffnung besteht leider wenig Anlass. Die Zentralbankräte unterstützen schließlich so gut sie eben können die Wirtschaftspolitiken in der westlichen Welt, einschließlich der Great-Reset-Agenda. Man sollte daher auch nicht die Hoffnung schüren, die jüngsten Zinserhöhungen hätten das Ende der Great-Reset-Agenda eingeläutet. So etwas würde vielmehr die Abwehrkräfte in der Gesellschaft gegen die Übel des Great Reset ungerechtfertigerweise weiter schwächen – mit bösen Folgen.

Passend hierzu die Worte von Friedrich von Schiller (1759–1805): “Ach! vielleicht, indem wir hoffen, Hat uns Unheil schon getroffen.“

Nein, der Great-Reset lässt sich nur aufhalten, indem die Menschen im wahrsten Sinne des Wortes aufwachen. Indem sie beginnen, die Sache zu durchschauen: Dass nämlich die Great-Reset-Agenda darauf abzielt, ein weltweites Kontroll- und Unterdrückungsregime aus der Taufe zu heben. Die Rückkehr der Zentralbanken zur Politik der Zinssenkungen, wie sie sich jetzt leider schon wieder abzeichnet, muss daher auch als Gefahr für Freiheit und Wohlstand der Menschen gewertet werden.

Sie trägt dazu bei, die Great-Reset-Blase vor der Implosion zu bewahren, sie zumindest länger aufgebläht zu lassen, als es allen, denen Freiheit und Wohlstand am Herzen liegt, lieb sein kann.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit


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