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Auf dem Weg zu einem gigantischen Geld-Experiment

13.03.2016  |  Manfred Gburek
Am vergangenen Donnerstag hat der EZB-Rat eine folgenschwere Entscheidung getroffen, die - auf Umwegen - Deutschland sehr viel Geld kosten wird. Wer das verstehen will, darf nicht allein die Geldpolitik unter die Lupe nehmen, sondern muss gerade jetzt verstärkt auch die Politik der europäischen Regierungen berücksichtigen, speziell die der Bundesregierung. Denn der Druck auf Deutschland nimmt von allen Seiten zu. Nicht zuletzt sogar von EZB-Präsident Mario Draghi, der es sich am Donnerstag nicht verkneifen konnte, schon mal in die deutsche Sprache zu wechseln und den Deutschen vorzuwerfen, sie würden zu allem nein sagen.

Zunächst die wichtigsten Fakten zur EZB-Entscheidung: Leitzins zum ersten Mal in der Geschichte auf null Prozent gesetzt, Strafzins für Einlagen der Geschäftsbanken bei der EZB von minus 0,3 auf minus 0,4 Prozent nochmals heruntergeschraubt, das Kaufprogramm für Anleihen nicht nur kräftig von 60 auf 80 Milliarden Euro pro Monat erhöht, sondern verstärkt auch auf Unternehmensanleihen ausgedehnt, und das Ganze vom EZB-Präsidenden salbungsvoll als Programm zur Belebung der Konjunktur verkauft.

Draghi hat im EZB-Rat eine Schar von Abnickern um sich versammelt. Das erleichtert Entscheidungen, und seien sie noch so wenig zielführend.

Wie zum Beispiel die Absenkung des Strafzinses auf minus 0,4 Prozent (genaugenommen müsste es Erhöhung heißen). Glaubt denn wirklich jemand im Ernst, dadurch würde es den Geschäftsbanken mehr als bisher gelingen, Unternehmen mit Krediten zu versorgen? So dumm kann doch niemand sein. Trotzdem lässt die Draghi-Fraktion in der EZB sich nicht davon abbringen, am Strafzins herumzufummeln, als sei er auf dem Umweg über mehr Unternehmenskredite ein entscheidender Turbo für die Konjunktur. In Wahrheit ist er ein Bremspedal, weil er zunächst Geschäftsbanken schädigt, ohne dass Unternehmen mehr Kredite aufnehmen.

Zwischenfazit: Die Geldpolitik der EZB ist an ihre Grenzen gestoßen. Schlimmer noch, auch die anderen Zentralbanken sind mit ihrem monetären Latein am Ende. Derweil bahnt sich das viele Geld seinen Weg dorthin, wo es scheinbar noch etwas zu holen gibt: zu Hedgefonds, Immobilien, zeitweise zu Aktien, deren Kurse dann umso heftiger schwanken, und sogar - immer noch - zu Staatsanleihen.

Was Letztere betrifft, sieht die Rechnung so aus: Zehnjährige Bundesanleihen rentieren aktuell zu 0,2 Prozent, dreißigjährige zu 1,0 Prozent. Das heißt, im Verhältnis zum neuen Strafzins von minus 0,4 Prozent bieten sie einen Vorteil von 0,6 bzw. 1,4 Prozentpunkten. Über die daraus entstandene und weiter entstehende Blase, die einen horrenden Anstieg der Anleihenkurse mit sich gebracht hat, wird seltsamerweise weniger diskutiert als über die allmählich beginnende Immobilienblase.

Dabei sind ausgerechnet Millionen von deutschen Kleinsparern - zum größten Teil indirekt - in Anleihen aller Art engagiert: über Lebensversicherungen, Pensionskassen, Renten- und Mischfonds. Darüber hinaus verfügen sie über hohe Bestände an Sparkonten und -briefen, Tages- und Festgeld. Alles zusammen heißt in der Finanzsprache Papiergeld, und das tendiert aufgrund jahrhundertelanger Erfahrungen langfristig immer gegen den Wert null.

Von hier an wird es politisch. An sich hätten die Kleinsparer längst eine Revolution anzetteln müssen. Doch so etwas hat in Deutschland keine Tradition. Sogar die Berliner Mauer fiel ja friedlich. Statt der Revolution ist wegen der gigantischen Papiergeld-Schieflage eine Entwicklung zu erwarten, die man am besten so beschreiben kann: Immer breitere Bevölkerungsschichten fallen wegen der fehlgeleiteten Ersparnisse der Altersarmut anheim.

Da sie ein attraktives Wählerpotenzial bilden, werden sie für alle Parteien, die ihnen das Blaue vom Himmel versprechen, immer interessanter. Dann dürften die Parteien mit den größten Versprechen die Regierung bilden. Und weil das Einlösen der Versprechen viel Geld kosten wird, rückt ein ausgeglichener Staatshaushalt in immer weitere Ferne. Das wird die derzeit noch stark aufgeblähten Anleihenkurse in den Keller befördern, sodass Kleinanleger ein zweites Mal hohe Verluste erleiden müssen.

Politisch brisant wird es auch in anderer Beziehung: Der von Draghi angeführte EZB-Rat hat eine Studie in Auftrag gegeben, die aufzeigen soll, was geschieht, wenn die 500-Euro-Scheine abgeschafft würden. Die Diskussion darüber hat ja bereits hohe Wellen geschlagen, wobei es vordergründig um Geldwäsche, Schwarzgeld und Terrorfinanzierung ging. Weitaus diskussionswürdiger ist indes der Zusammenhang zwischen der denkbaren Abschaffung der 500-Euro-Scheine und dem bereits erwähnten Strafzins: Käme es zu dieser Abschaffung, könnte das der Startschuss für das Abschaffen auch der anderen großen Scheine sein, also 200 und 100 Euro.

Im Extremfall müsste das ganze Bargeld daran glauben. Dann könnte die EZB den Strafzins beliebig ausufern lassen, von jetzt minus 0,4 womöglich auf 4,0 Prozent oder noch schlimmer. Bevor es so weit käme, würden Anleger ihr Geld allerdings massenweise in Gold, wahrscheinlich auch in Silber sowie in Platin und Palladium investieren.

Alles nur Theorie? Von wegen! Der Goldpreis hat nicht von ungefähr um die Jahreswende zu steigen begonnen - aufgrund massiver Käufe von Insidern, die einen kurzen Draht zu Regierungen haben, ergänzt um nicht weniger voluminöse offizielle Käufe Russlands und Chinas. Kurz darauf sind die Preise wichtiger Industriemetalle gestiegen, begleitet von einer Entwicklung, die zuvor fast niemand auf der Rechnung hatte: steigende Kurse von Aktien aus rohstoffreichen Ländern, wie Chile, Brasilien, Indonesien und nicht zuletzt auch Russland.

Mehr als nur ein Verdacht: Wer jetzt Edel- und Industriemetalle sowie Aktien aus solchen Ländern kauft, handelt antizyklisch nicht etwa nur deshalb, weil die Preise bzw. Kurse aktuell niedrig sind, sondern auch, weil sie in nächster Zeit zu steigen versprechen. Die Käufer sind nicht etwa Spieler, die ihr Geld mal hier, mal da einsetzen, sondern Profis. Man kann die hier beschriebene Entwicklung auch aus einer anderen Perspektive deuten: Das Vertrauen in die Währungen ist wegen der Niedrig- bis Null- und Negativzins-Politik der Zentralbanken derart erschüttert, dass die Flucht in Sachwerte sich geradezu aufdrängt.

Wenn die Zentralbanken, wie erwähnt, mit ihrem monetären Latein am Ende zu sein scheinen, fragt man sich unwillkürlich nach den Konsequenzen. Und siehe da, ein Plan macht die Runde, der schon vor einem Jahr in Japan heiße Diskussionen ausgelöst hatte, danach vorübergehend ad acta gelegt wurde und schließlich aufgrund einer britischen Initiative in Zentralbankkreisen immer mehr Fans gewann: die Monetisierung von Staatsschulden.

Das heißt, Zentralbanken sollen diese Schulden aufkaufen und deren Lebensdauer um Jahrzehnte verlängern. Damit würden sie in die Fiskalpolitik eingreifen, was bislang offiziell als verpönt galt (aber trotzdem hier und da de facto schon betrieben wurde). Und sie würden solche Banken retten, bei denen die Staaten hoch verschuldet sind - die am Freitag gestiegenen Kurse der Bankaktien lassen grüßen.

Alles in allem geht es um ein gigantisches Experiment bei ungewissem Ausgang. Zumal in der zerstrittenen Eurozone mit ihren zig gegensätzlichen Interessen. Deutschland als relativ wenig verschuldet - nicht absolut, sondern in Bezug auf die Wirtschaftsleistung - droht in diesem Szenario noch viel mehr als bisher zum Financier von halb Europa zu werden. Warum, liegt auf der Hand: Weil der Großteil der anderen Euroländer vom Stamme nimm ist und die Masse sich durchsetzen wird, wie im EZB-Rat.

Abschließendes Fazit: Als Anleger sollten Sie weiter primär auf Gold und Silber setzen, als spekulativer Anleger auch auf Minenaktien. Derweil laden die erratischen Kursausschläge der gängigen Aktien aus Dax & Co. noch nicht zu Engagements ein. Einstiegschancen dürften sich hier erst wieder ergeben, nachdem das beschriebene Szenario zur Realität geworden ist.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu


Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.



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