Weidmann kontra Draghi, ein Geheimpakt und die Folgen
27.03.2016 | Manfred Gburek
Zwischen EZB-Präsident Mario Draghi und EZB-Ratsmitglied Jens Weidmann kracht es ganz gewaltig. Verfolgt man ihre Wortgefechte etwas genauer, wird schnell deutlich, dass die weitere Zuspitzung nicht mehr zu vermeiden ist. Nehmen wir nur mal Draghis süffisantes Kokettieren mit dem Helikoptergeld, das - natürlich nur symbolisch - auf die Erde herunterfällt. Dazu Weidmann in einem Interview mit der Funke Mediengruppe:
"Helikoptergeld ist kein Manna, das vom Himmel fällt, sondern würde riesige Löcher in die Notenbankbilanzen reißen. Letztlich müssten die Eurostaaten und damit die Steuerzahler die Kosten tragen, weil für lange Zeit die Notenbankgewinne ausblieben. Statt immer waghalsigere geldpolitische Experimente ins Spiel zu bringen, wäre es sinnvoll, einmal innezuhalten."
Laut Wirtschaftsbericht der EZB, Ausgabe 2/2016, heißt es in der für sie typischen gestelzten Sprache: "Nach Einschätzung des EZB-Rats bestätigte die Gegenprüfung der Ergebnisse der wirtschaftlichen Analyse anhand der Signale aus der monetären Analyse die Notwendigkeit weiterer geldpolitischer Impulse zur Sicherung einer möglichst baldigen Rückkehr der Inflationsraten auf ein Niveau von unter, aber nahe 2%."
Weidmann hat am vergangenen Mittwoch ein Finanzforum in Liechtenstein ausgesucht, um in seiner dortigen Rede Draghi tüchtig Kontra zu geben: „Die Erwartung, die Geldpolitik könne stets und immer eine Inflationsrate von knapp 2% gewährleisten, würde sie sicher überfordern. Denn gleichzeitig mit dem berechtigten Wunsch, die Inflationsrate wieder Richtung 2%-Marke zu schleusen, muss die Geldpolitik im Auge behalten, dass mit der anhaltenden Niedrigzinspolitik und den unkonventionellen Maßnahmen auch Risiken einhergehen. Und sei es nur, dass sich der EZB-Rat mit immer abwegigeren Forderungen auseinandersetzen muss, Stichwort Helikoptergeld."
Im bereits zitierten, von Draghi zu verantwortenden Wirtschaftsbericht heißt es: "Mit Blick auf die Zukunft geht der EZB-Rat unter Berücksichtigung der aktuellen Aussichten für die Preisstabilität davon aus, dass die Leitzinsen der EZB für längere Zeit und weit über den Zeithorizont des Nettoerwerbs von Vermögenswerten hinaus auf dem aktuellen oder einem niedrigeren Niveau bleiben werden."
Hoppla, da reibt man sich verwundert die Augen: Die Leitzinsen sollen also ungeachtet des Schadens, den sie ohnehin schon angerichtet haben, gegebenenfalls immer tiefer rutschen? Das hätte unter anderem zur Folge, dass auch schwache Euroländer sich zum Nulltarif oder sogar noch günstiger verschulden könnten. Dazu hat Weidmann in seiner Liechtensteiner Rede die folgende Spitze gegen den Italiener Draghi gesetzt: "In einigen Ländern des Euroraums haben Banken in den letzten Jahren kräftig in heimische Staatsanleihen investiert und sich damit noch abhängiger vom Wohl und Wehe der öffentlichen Finanzen ihres Staates gemacht. Italienische Banken haben nahezu ihr gesamtes Eigenkapital in heimische Staatsanleihen investiert."
Für heute soll es genug der Schlacht mit Worten sein. Eines steht fest: Den Worten werden Taten folgen, aber derzeit weiß noch niemand, welche. Denn es kommt darauf an, ob und wie die jetzige ultralockere Geldpolitik der EZB wirken wird, ob und wann der Streit zwischen Draghi und Weidmann die nächste Eskalationsstufe erreicht und was droht, sobald es zur nächsten Eurokrise oder sogar zu einer globalen Finanzkrise wie 2008/09 kommt. In diesem Spannungsfeld herrscht zwangsläufig Nervosität vor, am besten abzulesen an den ständig hin und her schwankenden Aktienkursen, aber auch an Gerüchten zu einem angeblichen Geheimpakt von Regierungen und Notenbanken, durch den nicht weniger als die Vorstufe zu einer Währungsreform erreicht werden soll.
Von hier aus wird es besonders spannend. Normalerweise gebe ich nicht viel auf Gerüchte. Aber wenn, wie es derzeit der Fall ist und wohl auch in nächster Zeit bleiben wird, beherrschen Terroranschläge und Flüchtlingsströme die Schlagzeilen. Dadurch ist die Öffentlichkeit vorübergehend vom Blick auf die Geldpolitik abgelenkt. Zumal diese Materie den meisten Menschen ohnehin arg abstrakt vorkommt und sich in der öffentlichen Wahrnehmung vor allem auf Null- bis Negativzinsen beschränkt.
Gehen wir also vorsorglich davon aus, dass es - wenn schon keinen Geheimpakt - so doch auf höchster politischer und finanzieller Ebene wenigstens sehr intensive Gespräche zwecks Koordination der Geld- einschließlich Fiskalpolitik gibt. Spannende Frage: In welche Richtung könnten sie gehen? Da wiederhole ich mich gern: Mit hoher Wahrscheinlichkeit dürften Staatsanleihen monetarisiert werden. Das heißt, der Großteil der Staatsschulden wird von den Notenbanken übernommen und bekommt, symbolisch formuliert, beispielsweise einen Stempel mit der Aufschrift "Zurückzuzahlen in 50 Jahren" verpasst.
Wie auch immer das Ganze im Detail ablaufen wird, Irritationen und Spekulationen sind allemal zu erwarten. Die Börsenkommentatoren werden dann von erhöhter Volatilität sprechen und damit die allgemeine Nervosität meinen, die sich üblicherweise in stark schwankenden Aktien- und Devisenkursen, Edelmetall- und Rohstoffpreisen niederschlägt. Sobald daraufhin die Aktienkurse einen Boden erreichen, werden sie für Käufer interessant, vorher noch nicht. Der Boden fällt üblicherweise mit dem Gipfel der Volatilität zusammen, zu erkennen am Index VDax in Deutschland und VIX in den USA.
Es ist kein Zufall, dass der Goldpreis – und mit ihm die Kurse fast aller Minenaktien - seit der letzten Jahreswende nur eine Richtung kennt: aufwärts. Der kleine Rücksetzer in der abgelaufenen Woche ist bei so einer Entwicklung üblich. Wie immer bei Wendemanövern an Börsen, gibt es dafür auch in diesem Fall wieder allerhand Begründungen. Ich greife trotzdem nur eine heraus, die mir am plausibelsten erscheint, und das ist die bereits erwähnte wahrscheinliche Monetarisierung der Staatsanleihen. Sie wird besonders den Edelmetallen, aber auch den Rohstoffen einen nachhaltigen Preisschub nach oben verleihen.
Warum auch den Rohstoffen, wo doch Vieles gegen sie zu sprechen scheint, wie etwa die maue Weltkonjunktur und die labile Situation in den rohstoffreichen Schwellenländern? Darum: Weil die Aktienbörsen mit den größten Kurssteigerungen von der ersten bis zur zehnten Stelle so gut wie ganz in eben diesen Schwellenländern zu finden sind, mit Abstand angeführt von Brasilien und Peru. Das habe ich dem Internet-Spezialdienst wellenreiter-invest.de entnommen. Und Aktienkurse, heißt es zu Recht, nehmen die kommende Konjunktur vorweg.
Denkt man darüber hinaus, dürfte es neben dem Preisschub für Edelmetalle auch einen für Rohstoffe geben. Der Kupferpreis als besonders wichtiger Indikator hat ja schon nach oben gedreht. Und noch weiter gedacht, erscheint es nur allzu plausibel, dass die gestiegenen Rohstoffpreise zeitlich etwas verzögert für mehr Inflation sorgen werden. Dann dürfte sogar Draghis Inflationsziel von etwas unter 2% in greifbare Nähe rücken - der Anstieg darüber hinaus aber nicht mehr aufzuhalten sein.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.
"Helikoptergeld ist kein Manna, das vom Himmel fällt, sondern würde riesige Löcher in die Notenbankbilanzen reißen. Letztlich müssten die Eurostaaten und damit die Steuerzahler die Kosten tragen, weil für lange Zeit die Notenbankgewinne ausblieben. Statt immer waghalsigere geldpolitische Experimente ins Spiel zu bringen, wäre es sinnvoll, einmal innezuhalten."
Laut Wirtschaftsbericht der EZB, Ausgabe 2/2016, heißt es in der für sie typischen gestelzten Sprache: "Nach Einschätzung des EZB-Rats bestätigte die Gegenprüfung der Ergebnisse der wirtschaftlichen Analyse anhand der Signale aus der monetären Analyse die Notwendigkeit weiterer geldpolitischer Impulse zur Sicherung einer möglichst baldigen Rückkehr der Inflationsraten auf ein Niveau von unter, aber nahe 2%."
Weidmann hat am vergangenen Mittwoch ein Finanzforum in Liechtenstein ausgesucht, um in seiner dortigen Rede Draghi tüchtig Kontra zu geben: „Die Erwartung, die Geldpolitik könne stets und immer eine Inflationsrate von knapp 2% gewährleisten, würde sie sicher überfordern. Denn gleichzeitig mit dem berechtigten Wunsch, die Inflationsrate wieder Richtung 2%-Marke zu schleusen, muss die Geldpolitik im Auge behalten, dass mit der anhaltenden Niedrigzinspolitik und den unkonventionellen Maßnahmen auch Risiken einhergehen. Und sei es nur, dass sich der EZB-Rat mit immer abwegigeren Forderungen auseinandersetzen muss, Stichwort Helikoptergeld."
Im bereits zitierten, von Draghi zu verantwortenden Wirtschaftsbericht heißt es: "Mit Blick auf die Zukunft geht der EZB-Rat unter Berücksichtigung der aktuellen Aussichten für die Preisstabilität davon aus, dass die Leitzinsen der EZB für längere Zeit und weit über den Zeithorizont des Nettoerwerbs von Vermögenswerten hinaus auf dem aktuellen oder einem niedrigeren Niveau bleiben werden."
Hoppla, da reibt man sich verwundert die Augen: Die Leitzinsen sollen also ungeachtet des Schadens, den sie ohnehin schon angerichtet haben, gegebenenfalls immer tiefer rutschen? Das hätte unter anderem zur Folge, dass auch schwache Euroländer sich zum Nulltarif oder sogar noch günstiger verschulden könnten. Dazu hat Weidmann in seiner Liechtensteiner Rede die folgende Spitze gegen den Italiener Draghi gesetzt: "In einigen Ländern des Euroraums haben Banken in den letzten Jahren kräftig in heimische Staatsanleihen investiert und sich damit noch abhängiger vom Wohl und Wehe der öffentlichen Finanzen ihres Staates gemacht. Italienische Banken haben nahezu ihr gesamtes Eigenkapital in heimische Staatsanleihen investiert."
Für heute soll es genug der Schlacht mit Worten sein. Eines steht fest: Den Worten werden Taten folgen, aber derzeit weiß noch niemand, welche. Denn es kommt darauf an, ob und wie die jetzige ultralockere Geldpolitik der EZB wirken wird, ob und wann der Streit zwischen Draghi und Weidmann die nächste Eskalationsstufe erreicht und was droht, sobald es zur nächsten Eurokrise oder sogar zu einer globalen Finanzkrise wie 2008/09 kommt. In diesem Spannungsfeld herrscht zwangsläufig Nervosität vor, am besten abzulesen an den ständig hin und her schwankenden Aktienkursen, aber auch an Gerüchten zu einem angeblichen Geheimpakt von Regierungen und Notenbanken, durch den nicht weniger als die Vorstufe zu einer Währungsreform erreicht werden soll.
Von hier aus wird es besonders spannend. Normalerweise gebe ich nicht viel auf Gerüchte. Aber wenn, wie es derzeit der Fall ist und wohl auch in nächster Zeit bleiben wird, beherrschen Terroranschläge und Flüchtlingsströme die Schlagzeilen. Dadurch ist die Öffentlichkeit vorübergehend vom Blick auf die Geldpolitik abgelenkt. Zumal diese Materie den meisten Menschen ohnehin arg abstrakt vorkommt und sich in der öffentlichen Wahrnehmung vor allem auf Null- bis Negativzinsen beschränkt.
Gehen wir also vorsorglich davon aus, dass es - wenn schon keinen Geheimpakt - so doch auf höchster politischer und finanzieller Ebene wenigstens sehr intensive Gespräche zwecks Koordination der Geld- einschließlich Fiskalpolitik gibt. Spannende Frage: In welche Richtung könnten sie gehen? Da wiederhole ich mich gern: Mit hoher Wahrscheinlichkeit dürften Staatsanleihen monetarisiert werden. Das heißt, der Großteil der Staatsschulden wird von den Notenbanken übernommen und bekommt, symbolisch formuliert, beispielsweise einen Stempel mit der Aufschrift "Zurückzuzahlen in 50 Jahren" verpasst.
Wie auch immer das Ganze im Detail ablaufen wird, Irritationen und Spekulationen sind allemal zu erwarten. Die Börsenkommentatoren werden dann von erhöhter Volatilität sprechen und damit die allgemeine Nervosität meinen, die sich üblicherweise in stark schwankenden Aktien- und Devisenkursen, Edelmetall- und Rohstoffpreisen niederschlägt. Sobald daraufhin die Aktienkurse einen Boden erreichen, werden sie für Käufer interessant, vorher noch nicht. Der Boden fällt üblicherweise mit dem Gipfel der Volatilität zusammen, zu erkennen am Index VDax in Deutschland und VIX in den USA.
Es ist kein Zufall, dass der Goldpreis – und mit ihm die Kurse fast aller Minenaktien - seit der letzten Jahreswende nur eine Richtung kennt: aufwärts. Der kleine Rücksetzer in der abgelaufenen Woche ist bei so einer Entwicklung üblich. Wie immer bei Wendemanövern an Börsen, gibt es dafür auch in diesem Fall wieder allerhand Begründungen. Ich greife trotzdem nur eine heraus, die mir am plausibelsten erscheint, und das ist die bereits erwähnte wahrscheinliche Monetarisierung der Staatsanleihen. Sie wird besonders den Edelmetallen, aber auch den Rohstoffen einen nachhaltigen Preisschub nach oben verleihen.
Warum auch den Rohstoffen, wo doch Vieles gegen sie zu sprechen scheint, wie etwa die maue Weltkonjunktur und die labile Situation in den rohstoffreichen Schwellenländern? Darum: Weil die Aktienbörsen mit den größten Kurssteigerungen von der ersten bis zur zehnten Stelle so gut wie ganz in eben diesen Schwellenländern zu finden sind, mit Abstand angeführt von Brasilien und Peru. Das habe ich dem Internet-Spezialdienst wellenreiter-invest.de entnommen. Und Aktienkurse, heißt es zu Recht, nehmen die kommende Konjunktur vorweg.
Denkt man darüber hinaus, dürfte es neben dem Preisschub für Edelmetalle auch einen für Rohstoffe geben. Der Kupferpreis als besonders wichtiger Indikator hat ja schon nach oben gedreht. Und noch weiter gedacht, erscheint es nur allzu plausibel, dass die gestiegenen Rohstoffpreise zeitlich etwas verzögert für mehr Inflation sorgen werden. Dann dürfte sogar Draghis Inflationsziel von etwas unter 2% in greifbare Nähe rücken - der Anstieg darüber hinaus aber nicht mehr aufzuhalten sein.
© Manfred Gburek
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Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.