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Indien und das Gold: Eine Liebesbeziehung

31.03.2016  |  David Chapman
Indien führt bereits seit Langem eine Liebesbeziehung mit dem gelben Metall. Bei den indischen Hochzeiten bekommen manche Bräute so viel Goldschmuck geschenkt, dass sie kaum noch aufrecht gehen können. Jedes Jahr finden in Indien mehr als 15 Millionen Hochzeiten statt. Nach Angaben des World Gold Council sind 50% der indischen Goldnachfrage für Hochzeiten bestimmt. Gold ist ein integraler Bestandteil der indischen Kultur und Glaubenswelt.

Dabei ist das Edelmetall nicht nur zu Hochzeiten unverzichtbar, Goldgeschenke sind auch zu Jubiläen, Geburtstagen und religiösen Festivitäten gern gesehen. Goldschmuck wird jedoch nicht nur als Zierde getragen, sondern auch als Wertanlage geschätzt. In früheren Zeiten war es sogar Brauch, dass Frauen - abgesehen von ihrem Goldschmuck - kaum etwas besitzen durften. Außerhalb der großen Städte ist das selbst heutzutage teilweise noch der Fall.

Als die Regierung eine Verbrauchssteuer von 1% auf im Inland hergestellten und verkauften Goldschmuck erhob, um ihre Einnahmen aufzubessern, legten die Juweliere, angeführt von der All India Gems & Jewellery Trade Federation, die Arbeit nieder. Das geschah nicht zum ersten Mal. Bereits 2012 blieben die Geschäfte der Schmuckhändler drei Wochen lang geschlossen.

Damals machte die Regierung einen Rückzieher. Indien erhebt bereits Einfuhrzölle auf Edelmetalle und fast das gesamte im Land nachgefragte Gold muss aus anderen Ländern importiert werden. 2015 belief sich der Goldbedarf Indiens auf 947 Tonnen - nur China kauft noch größere Mengen. Zusammen haben die beiden Länder einen Anteil von fast 44% an der gesamten, globalen Goldnachfrage.

Seit dem 1. Januar 2016 muss auf Beschluss der indischen Regierung hin bei Transaktionen, die den Wert von 200.000 Rupien übersteigen, immer die Permanent Account Number (PAN), d. h. die Steuernummer der Beteiligten, angegeben werden. Das bedeutet, dass alle Käufe und Verkäufe von Gütern und Dienstleistungen, einschließlich elektronischer Geräte, Urlaubsreisen ins Ausland und Luxusgütern wie Goldschmuck, gemeldet werden müssen.

Ziel dieser Bestimmung ist natürlich die Bekämpfung des Schwarzmarktes. Zudem sollen den Steuerbehörden damit zusätzliche Anhaltspunkte geliefert werden, damit diese die Steuern effektiver eintreiben können. Die Pflicht zur Angabe der PAN bestand zuvor bereits bei allen Geldtransaktionen, Autokäufen und Immobiliengeschäften.

Die indische Liebesbeziehung mit Gold führt zu gewissen Verschiebungen in der Wirtschaft. Das stellt zwar für die Regierung ein Problem dar, jedoch nicht für die Bevölkerung. Die Inder sind der Ansicht, dass das Finanzsystem zu ihrem Nachteil gestaltet ist. Schätzungen zufolge verfügt nur ein Drittel der indischen Bevölkerung überhaupt über ein Bankkonto, auch wenn diese Zahl zunimmt. Die Zinsen auf Sparkonten sind nicht gerade üppig und liegen meist unter der Inflationsrate. Ein Bankkonto zu eröffnen ist nicht leicht. Für viele arme Inder ist Gold dagegen Geld. Zudem kann das Edelmetall als Sicherheit verwendet werden, wenn ein Kredit benötigt wird.

Dank der niedrigen Zinssätze können die Regierung und die Unternehmen günstige Kredite aufnehmen, doch dem durchschnittlichen Sparer kommt das nicht zu Gute. Folglich besitzen die Inder lieber Gold anstelle eines Bankkontos. Für sie ist das Edelmetall eine sichere Wertanlage - und eine Möglichkeit, Steuern zu vermeiden. Es hilft ihnen auch, der indischen Bürokratie aus dem Weg zu gehen. Und dann gibt es ja noch die Hochzeiten, die Feste und die Opfergaben in den Tempeln. Indien benötigt wirklich große Mengen an Gold.

Was die Auswirkungen auf die Wirtschaft betrifft: Da Indien fast sein gesamtes Gold importiert, trägt das zum Leistungsbilanzdefizit bei, auch wenn dieses Defizit in den letzten Jahren geschrumpft ist. Zudem hat die Beliebtheit des Edelmetalls zur Folge, dass Vermögen außerhalb des Bankenwesens verwahrt werden. Wie auch in vielen anderen asiatischen Staaten ist die Sparrate in Indien zwar sehr hoch, doch ein großer Teil der Ersparnisse fließt in physische Wertgegenstände wie Gold - und nicht ins Bankensystem, wo die Geschäftsbanken das Kapital zur Kreditvergabe verwenden könnten.

Die Antwort der indischen Regierung darauf besteht in der periodischen Festlegung bestimmter Einfuhrkontingente für Goldimporte, Erhöhungen der Zollabgaben oder der oben erwähnten Verbrauchssteuer auf Goldschmuck. Erreicht wird mit diesen Maßnahmen üblicherweise nur, dass der Handel mit Schmuggelware zunimmt. In Indien wird Gold verglichen mit anderen Ländern oft mit einem Aufpreis verkauft.

Mit der Verbrauchssteuer in Höhe von 1% auf Goldschmuck soll zwar offenbar vor allem die indische Ober- und Mittelschicht zur Kasse gebeten werden, die die größten Mengen nachfragt. Doch in Wirklichkeit bekommt auch der riesige Herstellungssektor, der sich größtenteils aus kleinen Betrieben und winzigen Werkstätten zusammensetzt, die negativen Folgen zu spüren.

Von der Verbrauchssteuer auf Goldschmuck profitieren höchstens die verschiedenen, von der Regierung initiierten Gold-Monetarisierungsprogramme, wie beispielsweise die Goldanleihen, die von der indischen Zentralbank (Reserve Bank of India, RBI) herausgegeben werden. Mit diesen Investmentoptionen versucht die Regierung, die Bevölkerung zu überreden, Gold gegen eine Anleihe zu tauschen, auf die Rendite gezahlt werden. Bei Fälligkeit oder Einlösung der Anleihe erhält der Investor Bargeld anstelle von Gold. Die Inder müssen also gar kein Gold mehr kaufen und sicher verwahren, sie können stattdessen ein Stück Papier besitzen, das an Gold gebunden ist.


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