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"Die Renten sind sicher"?

06.07.2006  |  Prof. Dr. Hans J. Bocker
Rente auf Pump

Wenn von höchster Stelle die Welt, genauer, der Bürger, mit einprägsamen Polit-Slogans beglückt wird, kann man in aller Regel davon ausgehen, dass genau das Gegenteil der politischen oder sozialen zukunftsgerichteten Aussagen eintreffen wird. Der Zynismus gewählter (z.B. Deutschland und USA) oder nicht gewählter (z.B. Brüssel und Fed) Politiker kennt keine Grenzen, wenn es zum einen um Machterhalt und zum anderen um Versprechungen geht, die erst nach dem Abtritt der Versprechenden von der politischen Bühne eingefordert werden und sobald diese in den Genuss inflations-indexierter fetter Pensionen gekommen sind.

Einer dieser flotten Werbesprüche kam vor einigen Jahren in deutschen Landen auf: "Die Renten sind sicher" - ist inzwischen ein wohlbekannter Slogan, der sich in ähnlichen Formulierungen auch in anderen westlichen Industriestaaten findet. Hier ist ein fängiger Köder ausgeworfen worden, den die Fischschwärme der potentiellen Pensionäre wie auch die bereits an der übergroßen Milchflasche des Sozialstaates saugenden Rentner beruhigen und in den feinen Maschen des sozialen Netzes in seligen Schlummer einwiegen sollen.

Vielleicht beschleicht hin und wieder den einen oder anderen für einen kurzen Moment ein leichtes Gefühl der Unsicherheit und des Unbehagens, wenn sich z. B. in der renommierten Financial Times vom 30.11.05 folgender Titel findet: "Rente wird erstmals auf Pump ausgezahlt". Seit letzten November werden also staatliche deutsche Renten "ganz solide" mit neuen Schulden finanziert. Die Rententöpfe sind schlicht leer. Allein um die Rentenzahlungen für den Monat November 2005 überhaupt noch zu ermöglichen, musste die deutsche Regierung 900 Mio. € an frischen Schulden aufnehmen.

Würde ein Unternehmer derartiges praktizieren, wäre sein Betrieb morgen geschlossen, der Zugang zu Firmenkonten verschlossen und er selbst hinter gewissen, in engem Abstand angeordneten soliden Metall-Stäben weggeschlossen. Das Gesetz schreibt die zeit- und mengengerechte Bildung von Pensionsrückstellungen vor, die als solide Grundlage betrieblicher Rentenzahlungen dienen.

Nicht so bei Vater Staat. Hier steht lediglich die Steuerkraft bzw. -macht des Fiskus auf der Habenseite. Auf der Sollseite dagegen finden sich verpflichtende Positionen in astronomischer Höhe, gedeckt durch eine Fiktion und laue Frühlingslüfte. Doch dies scheint niemanden zu stören. Laut offizieller Version von Wall Street, der Finanzindustrie und der Massenmedien spielen Schulden keine Rolle mehr und "wir schulden es ja nur uns selber": "Debt does not matter" und "we owe it to ourselves" wird bis zum rapiden Fall des Blutzuckerspiegels gebetsmühlenartig wiederholt. Dass die Zinsverpflichtungen unaufhörlich weiter steigen, bis sie eines nicht zu fernen Tages die gesamten Steuereinnahmen aufzehren (Ende staatlicher Pensionen), und die USA beispielsweise dem Ausland etwa 7 Billionen $ Schulden (also nicht nur "sich selbst"), sind Kleinigkeiten, die nicht weiter stören. Zumindest nicht bis zum unsanften Erwachen.

Die 360 Gesellschaften des Standard & Poor 500 Indexes beispielsweise, die einen "garantierten Pensionsfond" haben, waren 2002 mit 243 Milliarden, 2003 mit 350 Milliarden, 2004 mit 410 Milliarden und 2005 mit etwa 500 Milliarden $ unterfinanziert. Für 2008 rechnet man mit Fehlbeträgen von 800 Milliarden $ und 2010 könnte dann endlich die psychologisch wichtige Schwelle von einer Billion an fehlenden Dollars überschritten sein. Aber wen, außer einigen übellaunigen Nörglern, interressiert dies schon? Wollen diese Unternehmen ihren Pensionsverpflichtungen nachkommen, kann man den Dividendenzahlungen und Gewinnsteigerungen wohl Ade sagen.

Schlechte Zeiten für Aktionäre, doch gute für Goldbesitzer bahnen sich an. Doch die Medien halten am bewährten alten "Schulden spielen keine Rolle"-Slogan fest. Wohl ihnen!


Guter alter Bismarck

Wie konnte es überhaupt zu dieser Malaise kommen? Im Altertum und Mittelalter gab es schließlich keine Pensionen mit Ausnahme weniger Privilegierter nahe der Schaltzentren der Macht oder von begüterten Lehensherren und Großgrundbesitzern. Wer sich während seiner Blütejahre nicht genügend echtes Geld, sprich: Gold und Silber, für seine "private Pensionierung" angesammelt hatte, war auf die Familie, das Armenhaus oder das Waldesdickicht angewiesen.

Könnte unsere Gesellschaft vielleicht eines Tages wieder zu derlei desolaten Zuständen zurückkehren? Auszuschließen ist dies keineswegs. Schließlich wird die zunehmende Notwendigkeit "privater Fürsorge" staatlicherseits tagtäglich beschworen. Doch noch vor wenigen Jahren fehlte diese Vokabel im Repertoire staatlicher Propaganda nahezu völlig, genau wie in den 1880er Jahren als der gute alte Bismarck Rente und Krankenversicherung einführte. Auf der einen Seite wollte er im biblischen Sinne Gutes tun, auf der anderen hielt er damit Kommunisten, Sozialisten und Gewerkschaften ruhig. Niemand verhungerte mehr.

Allerdings waren die Summen um die es damals ging minimal. Pensionen gab es ab 70 und das damalige Durchschnittsalter war 47 Jahre. Das Problem löste sich zum großen Teil durch biologische Entsorgungsvorgänge selbst, was auch in Zukunft wieder der Fall sein könnte.

Dennoch entsprach dieser Schritt Bismarcks einer kleinen Revolution, die 1936 auch in den USA mit der Einführung der "Social Security" durch Roosevelt Fuß fasste, bald gefolgt von anderen Ländern, wie z. B. in England, wo bereits in der Kolonialzeit Pensionen für Beamte anfielen. Pensionsbeiträge waren zudem überall steuerfrei.

Eine Reihe von Unternehmen führten nur wenig später eigene Pensionssysteme ein, deren Höhe sich nach der Anzahl gearbeiteter Jahre richtete. Als besonders vorbildlich galten die Vorsorge-Systeme von Carl Zeiss, Jena und von Robert Bosch, Stuttgart (die Vorfahren des Verfassers waren Zeiss-Pensionäre).

Alle damaligen staatlichen und privaten Pensionssysteme waren gesund, bezahlbar und voll finanziert. Hohe Produktivitätsraten der Wirtschaft stützten das Ganze. Seit 1880 belief sich der durchschnittliche Produktivitätszuwachs in den westlichen Ländern trotz der Kriege auf etwas über 2% pro Jahr, während die Renten lange Jahre hindurch um etwa 1% angehoben wurden. Die heutigen Systeme jedoch sind zum genauen Gegenteil verkommen und die Volkswirtschaften (Ausnahme Indien und China) wachsen nicht mehr schnell genug, um die Ansprüche der anschwellenden Rentnermassen befriedigen zu können.

General Motors hat Pensionsverpflichtungen im hohen zweistelligen Milliardenbereich und müßte die Gewinne der nächsten 30 oder 40 Jahre voll opfern (vorausgesetzt es fallen überhaupt noch welche an), nur um diesen Verpflichtungen nachkommen zu können. Der Gigant müsste vom mageren Erlös jedes produzierten Fahrzeugs rund 1.400 $ nur zur Deckung laufender Pensionsverpflichtungen abzweigen. Wo bleibt da der Gewinn? In China müssen pro Fahrzeug 100 $ für Pensionen abgeführt werden. Wo bleibt da die Wettbewerbsfähigkeit der Amerikaner?

Und was ist das? Im März 2006 gab der "Sozialexperte" der SPD eine Erklärung ab (Handelsblatt), derzufolge das deutsche "Pensionsniveau" nach 45 Beitragsjahren vor 10 Jahren noch rund 70% des zuletzt bezogenen Nettogehaltes (oder -lohns) betrug, derzeit jedoch im Durchschnitt auf 61% abgefallen ist. In wenigen Jahren muss dieses Niveau laut diesem Experten auf 55% und bald darauf auf 50% fallen, um einen Zusammenbruch des Systems zu verhindern.

Und das Ganze funktioniert ohnehin nur "auf Pump". Hinzu kommt der stetig aushöhlende Kaufkraftverlust durch Inflation und die rasch wachsende Zahl der Alten und Rentner, denen immer weniger einzahlende "Junge" gegenüberstehen. Kein Zweifel: Die Pensionäre nähern sich dem Minimumniveau staatlicher Wohlfahrtsempfänger mit großen Schritten. Der eskalierende Verarmungsprozess läuft bereits auf vollen Touren.

Schreibt die Washington Times im November 2005 ("Watch Your Wallet"):
Der US-Verbraucherindex hat sich nun seit 1955 Jahr für Jahr weiter erhöht. 2004 sah ein Plus von "nur" 3,3%, nach einem Mehr von 1,9% im Vorjahr. Während der letzten 15 Jahre (1990-2004) wurde eine Steigerung von 51% gemessen (zur Beachtung: Diese Zahlen sind amtlicherseits stark geschönt, die wirklichen Inflationsraten sind wesentlich höher, wie jede beliebige Hausfrau täglich erfahren muss). Eine Familie mit 50.000 $ Jahreseinkommen für 1990 musste 2004 bereits 72.250 $ verdienen, nur um den Lebensstandard zu halten - nicht ihn zu verbessern. Das sind die Wirkungen von etwas, was gemeinhin als Inflation bezeichnet und durch Gelddrucken bewirkt wird. Unter einer Goldwährung wäre dieses nicht möglich. Im Februar 2005 gab es einen neuen Rekord von 7,1% gefolgt von einer weiteren jahresbezogenen Steigerungsrate von 14% im September 2005 (die echten US-Teuerungsraten für die 1. Jahreshälfte von 2006 liegen im Bereich von etwa 8%, gleich was die "offiziellen" Zahlen sagen mögen).

Seit der Aufgabe des Gold Standards im Jahre 1933 und der Aufhebung der Umtauschbarkeit von Dollars gegen Gold kannte der Inflationsindex nur einen Weg, - den nach oben. Allein seit 1971 war eine Steigerung von 450% zu verzeichnen. Der durchschnittliche Rentner braucht also jetzt eine fast fünf Mal so hohe Pensionszahlung wie vor 33 Jahren, um seinen ursprünglichen Standard zu halten. Doch wie viele Rentner konnten ihre Bezüge in dieser Zeit schon verfünffachen? Nur eine winzige Minderheit Begünstigter des Systems. Wenn die echten Raten der Teuerung sich weiterhin im Bereich von 7% pro Jahr bewegen (und die können durchaus höher ausfallen), dann braucht der Pensionär etwa den 10- bis 12-fachen Betrag an Geldern, um denjenigen Lebensstandard beim Erreichen des Rentenalters aufrecht zu erhalten, an den er zu Beginn seiner beruflichen Karriere einst gewöhnt war. Wie groß sind die Chancen 12-facher (Renten-)Nettobezüge nach 40 Jahren Arbeit im Vergleich zum einstigen Antrittsgehalt im Berufsleben? Beinahe Null.




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