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Der Kampf für und gegen Bargeld spitzt sich zu

22.05.2016  |  Manfred Gburek
Der Kurs der Mastercard-Aktie hat sich seit 2011 nach stetigem Aufwärtstrend verfünffacht, der Kurs der Visa-Aktie in derselben Zeit sogar versechsfacht. Beide Finanzkonzerne, die mit ihren Kreditkarten viel Geld verdienen, müssen naturgemäß daran interessiert sein, Barzahlungen zu verdrängen. Welche Auswüchse das annehmen kann, offenbarte Thorsten Schulte von silberjunge.de, einem inhaltsreichen Internet-Informationsdienst mit dem Schwerpunkt Edelmetalle, während einer Demonstration pro Bargeld am 14. Mai in Frankfurt am Beispiel Mastercard:

Die Steinbeis-Hochschule Berlin hat in einer Studie horrende Milliardenkosten durch Barzahlungen ausgerechnet, nachzulesen im Internet. Sponsor: Mastercard. Kann einem schon bei so einer "wissenschaftlichen" Studie die Hutschnur platzen, so kommt es noch schlimmer, wenn man den Lebenswandel von Björn Ulvaeus näher verfolgt, einem der vier schwedischen Abba-Musiker: Er lebte nach eigener Aussage über viele Monate bargeldlos, ohne verhungern oder verdursten zu müssen. Schweden ist bekanntlich - wie Skandinavien insgesamt - ein Land mit besonders hohem Anteil an elektronischen Zahlungen. Sponsor des Abba-Museums in Stockholm: Mastercard.

Einzelfälle? Ganz bestimmt nicht, es geht schließlich um sehr viel Geld. Warum, liegt auf der Hand: Kreditkarten-Konzerne möchten am liebsten, dass nur noch mit ihren Plastikkarten gezahlt wird. Banken und Sparkassen wollen sich den ihrer Ansicht nach zu teuren Umgang mit Bargeld ohnehin schon längst ersparen. Politiker wittern hinter jeder Barzahlung Steuerbetrüger. Und E-Commerce-Unternehmen wie Amazon oder Ebay sind ohne elektronische Zahlungen erst gar nicht denkbar.

Gegen eine derart geballte Ladung an finanziellen Interessen scheint zunächst kein Kraut gewachsen zu sein. Oder doch? Zur Frankfurter Demonstration waren immerhin einige hundert Teilnehmer gekommen. Über die Internetseiten stop-bargeldverbot.de und pro-bargeld.com verbreitet sich der Kampf um die Erhaltung des Bargelds zusätzlich. Und wenn sogar in der Börsen-Zeitung, die wegen ihrer Qualität in Finanzkreisen und darüber hinaus sehr geschätzt wird, Daniel Stelter sich kritisch zur Bargeldbeschränkung äußern kann, zeugt das davon, dass hinter diesem Thema mehr steckt als die Aktion von Schulte und seinen Mitstreitern.

Stelter war lange Partner der Unternehmensberatung Boston Cosulting und schreibt jetzt als Freigeist in allerlei Medien. In der Börsen-Zeitung setzt er sich mit den Hintergründen der mysteriösen Abschaffung von 500-Euro-Noten auseinander. Mindestens zwei seiner gut begründeten Thesen zeugen von der Brisanz des Themas: 1. "In Wahrheit geht es darum, Negativzinsen auf breiter Basis durchzusetzen. Die Abschaffung des 500-Euro-Scheins ist nur der Anfang." 2. Zu erwarten seien "noch drastischere Einschränkungen und Eingriffe in die Märkte. Ist mit dem 500-Euro-Schein erst einmal ein Tabu gefallen, ist die Einschränkung des Bargelds nicht mehr weit."

Mit Fug und Recht lässt sich sogar behaupten: Barzahlungen werden bereits gekappt, und eine gesamteuropäische Lösung rückt immer näher. Zum Beispiel gelten in Frankreich und Belgien 3000 Euro als Obergrenze, in Italien nach zwischenzeitlich nur 1000 jetzt ebenfalls 3000 Euro, in Spanien 2500 Euro für Spanier - und so reiht sich ein Sonderfall an den anderen, bis zur allgemeinen Meldepflicht für Bares ab 10.000 Euro beim Passieren von Landesgrenzen. Wie aus dem Bundesfinanzministerium zu vernehmen ist, peilt man dort nach wie vor eine für ganz Europa einheitliche Obergrenze von 5000 Euro an.

Von Obergrenzen für Barzahlungen zu trennen ist die Obergrenze nach dem Geldwäschegesetz in Höhe von 15.000 Euro. Dieses Gesetz soll ausdrücklich die Trerrorismusfinanzierung verhindern. Es richtet sich an alle Unternehmen und Freiberufler, die mit größeren Geldtransaktionen zu tun haben, wie Banken, Sparkassen, Versicherer, Vermittler von Geldanlagen, E-Geld-Unternehmen, Edelmetallhändler, Casinos, in bestimmen Fällen auch Anwälte, Notare und Wirtschaftsprüfer - um nur eine Auswahl zu nennen. All diese Unternehmens- und Berufsgruppen unterliegen besonderen Sorgfaltspflichten. Als Zentralstelle für Verdachtsmeldungen dient das Bundeskriminalamt. Die praktische Relevanz des Geldwäschegesetzes hält sich allerdings in Grenzen.

Dem EZB-Präsidenten Mario Draghi geht alles viel zu langsam. Deshalb greift er in letzter Zeit gern zu drastischen Maßnahmen und Worten. So hielt er nach der entscheidenden Sitzung des EZB-Rats, als es um die Abschaffung der 500-Euro-Noten ging, vorsichtshalber keine Pressekonferenz ab. Und wenn ihm der Kragen platzt, neigt er schon mal zu unpassenden Kraftausdrücken. Wie aus Anlass der Diskussion um diese Noten, die er als "ein Instrument des Verbrechens" bezeichnete.

Eine solche Ausdrucksweise erscheint zunächst nur unpassend, und mancher Zeitgenosse mag sie auf das Temperament des Italieners zurückführen. Doch hinter dieser Interprettion steckt nicht einmal die halbe Wahrheit. Denn tatsächlich ist es doch so: Draghi hat eine Aufgabe, ja eine Mission zu erfüllen. Sie besteht unter anderem darin, die Kosten für das Halten von Bargeld in die Höhe zu treiben. Dadurch sollen Sparer angeregt werden, mehr Geld für den Konsum auszugeben, und Unternehmen, Investitionen zu tätigen. Im Gefolge belebe sich dann die Konjunktur, und schwuppdiwupp springe die Inflation auf einen Satz etwas unter den gewünschten 2 Prozent.

Doch dahinter stecken einige Denkfehler. Sparer verhalten sich nicht so wie von Draghi gewünscht, sondern legen nach den bisherigen Erfahrungen im Zuge sinkender Zinsen zum Teil sogar immer mehr Geld zur Seite, um den Zinsverlust durch noch mehr Ersparnisse zu kompensieren. Bei länger anhaltenden negativen Zinsen würden sie den Zinsverlust ausgleichen, indem sie Bargeld und/oder Gold horten - woran wieder deutlich wird, warum Draghi einen Feldzug gegen Bargeld unternimmt.

Was Investitionen von Unternehmen angeht, besteht der Denkfehler darin, dass kein vernünftiger Firmenchef auf die verrückte Idee kommen wird, Geld bei Unterauslastung von Kapazitäten für Maschinen, Anlagen oder Personal auszugeben - und die Kapazitäten sind in den meisten Euroländern zu wenig ausgelastet. Hinzu kommt, dass niedrige bzw. in diesem Fall negative Zinsen für sich genommen noch keine Investitionstreiber sind, sondern erst die Gewinnaussichten. Und was die angestrebte Inflationsrate von etwas unter 2 Prozent angeht, kann man nur wiederholt dagegenhalten: Eine solche Punktlandung kann einfach nicht gelingen, weil Inflation kine statische Größe, sondern ein dynamischer Prozess ist. Alles in allem: Draghis Mission ist eine Mogelpackung.

Der EZB-Präsident hat sich zudem mit dem einen oder anderen Kraftausdruck unglaubwürdig gemacht, am meisten mit der Bezeichnung "Instrument des Verbrechens" für die 500-Euro-Note. So etwas nimmt ihm kein Mensch ab, weil es nicht bewiesen ist und nicht bewiesen werden kann. Verbrechen werden auch mithilfe von Messern, Autos oder Smartphones ausgeübt. Aber niemand dürfte ernsthaft auf die Idee kommen, deshalb BMW-Fünfer, WMF-Messerblöcke oder die Alleskönner von Samsung und Apple aus dem Verkehr ziehen zu lassen.

Wenn der Chef der größten europäischen Geldbehörde unglaubwürdig wird, mach er nicht nur sich selbst lächerlich, sonder er zerstört auch das Vertrauen in den Euro. Die Folgen des Vertrauensverlusts haben wir noch vor uns. Oder wer es positiv mag: Mit Gold und in seinem Gefolge auch mit Silber lässt sich dagegenhalten.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu


Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.



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