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Gute Konjunkturdaten und Zinsängste bringen Edelmetalle unter Druck

26.05.2016  |  Thorsten Proettel
Gold tendiert in Richtung 1.200 USD
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Der Wonnemonat Mai dürfte bei einigen Anlegern wenig behagliche Gefühle auslösen. Zu Monatsbeginn erreichte der Goldpreis mit knapp 1.304 USD noch sein bisheriges Jahreshoch, doch anschließend drehte der Trend. Zuletzt unterschritt die Notierung die Marke von 1.220 USD. Silber verbilligte sich zeitgleich von 18 USD auf 16,20 USD. Für diese Entwicklung können mehrere "Schuldige" ausgemacht werden: Beispielsweise wurden schon in der Vorwoche aus den USA steigende Einzelhandelsumsätze, ein verbessertes Verbrauchervertrauen sowie eine höhere Industrieproduktion gemeldet. Hierzulande kam aktuell ein gestiegener ifo-Geschäftsklimaindex hinzu.

Das deutsche Konjunkturbarometer legte unerwartet deutlich auf 107,7 Punkte zu, wobei der Vormonatswert von 106,6 auf 106,7 Punkte nach oben revidiert wurde. Trotz ihrer Vielfältigkeit im Detail, lassen sich die Meldungen zu einer zentralen Botschaft verdichten: Wenn die Unternehmen weltweit wieder zuversichtlicher nach vorne blicken und sich die verbesserte Lage auch mit Zahlen belegen lässt, dann wird eine zweite Leitzinsanhebung in den USA immer wahrscheinlicher.


Starker USD lastet auf Goldpreis

Auch diverse Aussagen aus dem Umfeld der USNotenbank und die Veröffentlichung des letzten Sitzungsprotokolls der Fed deuten auf eine Fortsetzung des im Dezember 2015 begonnenen Zinserhöhungszyklus hin. Sichtbar wird dies unter anderem an der Aufwertung des US-Dollars. Der Wechselkurs ging von rund 1,16 USD/EUR auf zuletzt 1,1148 USD/EUR zurück. Die Stärke der US-Währung lastete zusätzlich auf dem Gold (siehe Chart 2).

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Großanleger setzen auf steigenden Preis

Ungeachtet dieser eher negativen Nachrichten für das gelbe Edelmetall spekulieren viele Großanleger weiter auf einen steigenden Goldpreis. Seit Anfang Mai kauften die Emittenten physisch besicherter Wertpapiere nach einer mehrwöchigen Pause rund 85 Tonnen Gold im Umfang von knapp 3,5 Mrd. USD (siehe Chart 3).

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Noch höher war die Nachfrage nach Papiergold. Die Gruppe der spekulativ orientierten Money Manager an der US-Terminbörse erhöhte ihre Netto-Long-Position seit Ende April um gut 40.000 Kontrakte. Dies entspricht rechnerisch Goldkäufen im Umfang von 125 Tonnen und hievte die Netto-Long-Position auf den höchsten Stand seit der Eurokrise im August 2011 (siehe Chart 4).


Geräuschlose Verschiebung der griechischen Schuldenproblematik in die Zukunft

Das hohe Interesse der Großanleger am Gold ließe sich mit der Erwartung heftiger Markturbulenzen in der nahen Zukunft erklären. Die Wahrscheinlichkeit des Eintritts der zwei denkbaren Störfaktoren "Griechenpleite" und "Brexit" ist zuletzt aber zurückgegangen. So einigten sich die Finanzminister der Eurogruppe gemäß den jüngsten Presseberichten nach elfstündigen Verhandlungen auf die Bereitstellung der nächsten Hilfstranche über 10,3 Mrd. Euro. Diese stammen aus dem bis zu 86 Mrd. Euro umfassenden 3. Rettungspaket, das im Sommer 2015 beschlossen wurde.

Bislang wurden hiervon 21,4 Mrd. Euro abgerufen. Doch die Auszahlung weiterer, dringend benötigter Gelder scheiterte bislang an der Bedingung des IWF, wonach die gesamte Staatsschuldenlast dauerhaft tragbar sein müsse. Dies ist gleichbedeutend mit einem neuen Schuldenschnitt, was die deutsche Regierung vor der Bundestagswahl 2017 aber vermeiden möchte.

Mit einem neuen Kniff wurde nun eine geräuschlose "Lösung" gefunden. Sie entspricht den Bedürfnissen aller Beteiligten und verschiebt das Problem erfolgreich in die Zukunft. Beschlossen wurden umfassende Schuldenerleichterungen. Über deren Details soll aber erst 2018 gesprochen werden, wenn das aktuell laufende Hilfsprogramm erfolgreich abgeschlossen ist.


Brexit-Wahrscheinlichkeit gesunken

Das britische EU-Referendum am 23. Juni als weiteres mögliches Schockereignis für die Märkte verlor zuletzt ebenfalls etwas von seinem Schrecken. Die jüngste Umfrage sieht die Befürworter eines EU-Austritts mit nur noch 38% klar hinter dem Pro-EU-Lager mit 44%. Und die aus Wettquoten der Londoner Buchmacher abgeleitete Wahrscheinlichkeit für einen EU-Austritt fiel von gut 34% Mitte April auf jetzt nur noch 20,6%. Sichtbar wird der Stimmungswandel an der leichten Aufwertung des Britischen Pfundes gegenüber dem US-Dollar und dem Euro in den letzten Wochen, die sich im Chartbild durch die sinkenden Wechselkurse zeigt (vgl. Chart 5).

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Fortsetzung der Konsolidierung wahrscheinlich

Die Möglichkeit einer erneuten Leitzinsanhebung in den USA auf der nächsten Sitzung am 15. Juni beziehungsweise die hohe Wahrscheinlichkeit hierfür zu späteren Terminen dürfte in den kommenden Wochen auf der Goldnotierung lasten. Wir rechnen deshalb vorerst mit einer Fortsetzung der Konsolidierungsphase, zumal denkbare Auslöser für Finanzmarktturbulenzen wie erläutert zunehmend in den Hintergrund treten.

Zwar bringt das hohe Engagement der Großanleger auf dem Goldmarkt Unterstützung für den Preis mit sich. Die dabei sichtbar werdende Lücke zwischen steigenden Goldpositionen und sinkenden Preis wird sich irgendwann auf die eine oder andere Art wieder schließen. Momentan sieht es aber eher so aus, als ob die Spekulanten auf der falschen Seite des Marktes stehen.

Unsere mittel- bis langfristig nach oben gerichtete Goldpreisprognose (1.300 USD zum Jahresende 2016) behalten wir dennoch unverändert bei. Die Goldnachfrage der privaten Haushalte in der westlichen Welt ist robust und in Asien ist weiterhin eine Erhöhung im Gesamtjahr 2016 wahrscheinlich. Außerdem stehen im Gegensatz zu den USA in den anderen großen Währungsräumen keine Zinserhöhungen an.


© Thorsten Proettel
Commodity Analyst

Quelle: Landesbank Baden-Württemberg, Stuttgart



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