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Eine "Blase" findet man im Anleihemarkt, nicht im Aktienmarkt

11.06.2016  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Für Investoren sollte die Bewertung der Anleihen sorgenvoll stimmen, weitaus weniger die der Aktienmärke.

Der fulminante Anstieg der Aktienkurse der letzten Jahrzehnte lässt sich durch eine Reihe von Faktoren erklären. Einer davon sind die Zinsen. Sie sind von den Zentralbanken auf immer niedrigere Niveaus geschleust worden. Das wiederum hat die Aktienkurse aufgrund von zwei Effekten in die Höhe getrieben. Erstens: Je niedriger die Zinsen sind, desto geringer sind die Fremdkapitalkosten für die Unternehmen. Entsprechend positiv fallen die Unternehmensgewinne aus. (Das gilt insbesondere für Unternehmen, die mit einem hohen Verschuldungsgrad operieren.)

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Quelle: Thomson Financial; eigene Berechnungen


Zweitens: Je niedriger die Zinsen sind, desto geringer ist auch die Diskontierungsrate, mit der künftige (erwartete) Unternehmensgewinne abgezinst werden - und desto höher fallen auch die Barwerte der Unternehmen aus.

Nun zeigt sich in den Vereinigten Staaten von Amerika, dass die KGVs der Unternehmen im Zuge der Nullzinspolitik (die 2009 eingeführt wurde) nicht auffällig stark in die Höhe geschnellt sind - was man ja eigentlich hätte erwarten sollen angesichts der extrem niedrigen (Leitz-)Zinsen in den USA (siehe hierzu die Ausführungen weiter unten).

Vermutlich ist jedoch die Risikoprämie merklich angestiegen, die die Investoren für das Halten von Aktien verlangen - und das hat dem Ansteigen der Unternehmensbewertungen entgegengewirkt. Die Investoren auf dem US-Aktienmarkt scheinen also durchaus um die Probleme der anhaltenden extremen Niedrigzinspolitik zu wissen, und das hat bisher verhindert, dass die Aktienbewertung extrem angestiegen ist.

Das wiederum spräche dafür, dass ein Anheben der US-Leitzinsen die Aktienkurse nicht notwendigerweise stark fallen lassen würde: Steigende Marktzinsen könnten dann nämlich einhergehen mit einer Rückbildung der Risikoprämien, so dass Vorherrschenden die Bewertungsniveaus mehr oder weniger erhalten bleiben.

So gesehen muss das Halten von Aktien derzeit als weniger risikoreich eingestuft werden als das Halten von festverzinslichen Wertpapieren. Der große Vorteil der Aktien: Mit ihnen lässt sich eine positive reale Rendite auf das eingesetzte Kapital erzielen!


Das Kurs-Gewinn-Verhältnis oder: sind die Aktienmärkte angemessen bewertet?

Als "Daumenregel" zur Beurteilung, ob die Aktienkurse angemessen bewertet sind, wird häufig das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) angewandt. Das KGV ergibt sich aus dem Aktienkurs (K) dividiert durch die Unternehmensgewinne (G): (1) KGV = K / G.

Ein KGV von zum Beispiel 10 bedeutet, dass der Investor, wenn er die Aktie kauft, beim derzeitigen Gewinn, den das Unternehmen erzielt, 10 Jahre warten muss, bis er seinen Kapitaleinsatz wieder eingespielt hat. Je höher das KGV ist, desto risikoreicher wäre also prinzipiell der Kauf der Aktie. Gleichung (1) ist nichts anderes als der Kehrwert der Gewinnrendite (r): (2) KGV = 1 / r.

Die Gewinnrendite wiederum besteht aus mehreren Komponenten. Zum Einen ist da der Marktzins, zum Anderen ist da eine Risikoprämie. Die Marktzinsen werden mittlerweile mehr oder weniger vollständig von der Zentralbank diktiert. Die Risikoprämie hingegen folgt nach wie vor den Einschätzungen der Marktakteure.

So gesehen kann es sein, dass die Zentralbank den Marktzins zwar stark absenkt, gleichzeitig aber die Risikoprämien ansteigen - weil die Investoren fürchten, dass die Unternehmen angesichts der extrem niedrigen Zinsen verstärkt Fehlinvestitionen begehen könnten. Die Risikoprämie kann also verhindern, dass die Geldpolitik die Aktienmärkte übermäßig aufbläht beziehungsweise inflationiert.

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Quelle: Thomson Financial, R. Shiller; eigene Berechnungen


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH



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