Marktanalyse Juli 2006
22.07.2006 | Claus Vogt
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DaxAuch der Kursverlauf des Deutschen Aktienindex zeigt nun eine wohl proportionierte, rund sieben Monate alte obere Umkehrformation. Die Nackenlinie verläuft bei 5.300 Punkten. Ein Bruch dieser Linie würde das Ende der seit 2003 laufenden zyklischen Hausse signalisieren und ein starkes Verkaufssignal geben. Aufgrund der auch in Deutschland sehr viel Pessimismus anzeigenden Sentimentindikatoren rechne ich kurzfristig nicht mit einem Ausbruch nach unten. Stattdessen erwarte ich nach der kleinen Konsolidierung der vergangenen Tage eine Fortsetzung der Sommerrallye.
Dow Jones Industrial Average
Top oder Konsolidierung? Diese Frage stellte ich bereits in der April-Ausgabe der Performance. Die Antwort ist aus charttechnischer Sicht noch immer offen. Allerdings zeichnet sich durch den Kursrückgang der vergangenen Wochen eine weitere, kleinere potenzielle Topformation ab. Deren Untergrenze verläuft bei gut 10.600 Zählern. Der Abstand der bisherigen Jahreshochs von dieser Untergrenze beträgt rund 10%. Diese Spanne ist einer Topformation angemessen. Die zeitliche Ausdehnung beläuft sich auf 8 Monate. Für eine Topformation ist das relativ kurz. Dennoch halte ich diesen Wert für akzeptabel, da diese Formation lediglich den oberen Teil einer sehr viel größeren Topformation darstellt. Deren Untergrenze ergibt sich aus den Tiefs des Jahres 2005. Sie verläuft als bei 10.000 bis 10.200 Punkten.
Das Minimum-Kursziel der kleineren Formation liegt bei 9.500 Zählern. Ein Erreichen dieses Kursziels würde also auch die große Formation mit einem Ausbruch nach unten beenden und somit das Ende der großen Bearmarketrallye signalisieren, die im März 2003 begann. Noch ist es allerdings nicht so weit. Noch ist die Untergrenze der kleineren Formation intakt, noch ist das Verkaufsignal Zukunftsmusik. Aus charttechnischer Sicht besteht also kein akuter Handlungsbedarf. Mir ging es bei dieser technischen Analyse lediglich darum zu zeigen, dass die extrem bedenklichen Anzeichen einer bevor stehenden Baisse problemlos mit der aktuellen charttechnischen Situation des Marktes zu vereinbaren sind. Vom aktuellen Kursniveau von rund 11.000 Zählern aus gerechnet genügt ein Kursrückgang von weniger als 5%, um massive technische Verkaufssignale auszulösen.
Kurzfristig, also auf Sicht der nächsten vier bis sechs Wochen, halte ich insbesondere aufgrund der sehr pessimistischen Sentimentindikatoren einen Test der Jahreshöchststände für sehr viel wahrscheinlicher als einen Ausbruch nach unten. Vielleicht bedarf es sogar neuer Jahreshochs, um die Stimmung der Anleger und Analysten erneut auf die euphorischen Werte der vergangenen drei Jahre anzuheben.
S&P 500
Der Chart des S&P500 Index der vergangenen zwei Jahre zeigt einen sich verjüngenden Trendkanal. Die ersten viereinhalb Monate des Jahres hangelten sich die Kurse an der oberen Begrenzungslinie dieses Kanals entlang. Dann folgte die Mai-Juni-Korrektur. Sie kam im Bereich der unteren Begrenzungslinie zum Stehen. Einen Ausbruch unter diese Linie würde ich als Verkaufssignal ansehen. Eine wohl geformte Topformation lässt sich derzeit noch nicht erkennen. Das wäre erst dann der Fall, wenn die Kurse bis in den Bereich der Oktober-Tiefs fallen würden. Diese befinden sich bei rund 1.170 Punkten, also knapp 8% unter den aktuellen Kursen und 12% unter den Jahreshochs.
Eine andere Variante einer potenziellen Topformation lässt sich anhand der Juni-Tiefs konstruieren. Diese Variante würde dann an Gewicht gewinnen, wenn die Kurse im Lauf der kommenden Wochen ihre Jahreshochs testen sollten, was ich für wahrscheinlich halte. Dann würde sich das Bild eines potenziellen Doppeltops ergeben, dessen Untergrenze bei 1.220 Punkten verläuft.
Nasdaq Composite und Nasdaq 100
Im Unterschied zu Dow und S&P sehen die beiden NASDAQCharts bereits jetzt überaus bedenklich aus. Beide lassen wohl proportionierte obere Umkehrformationen erkennen. Sie umfassen bisher 13 Monate und weisen eine Kursspanne von Nackenlinie zu Höchstkuss auf von etwa 14%. Die Untergrenzen der Formationen verlaufen bei rund 2.050 Punkten im NASDAQ Composite und bei etwa 1.500 im NASDAQ 100. Mit Microsoft, Intel und Dell sind die drei bekanntesten Flaggschiffe der NASDAQ längst in klaren Abwärtstrends, während andere Aktien wie Apple, Google oder Qualcomm potenzielle Topformationen zeigen.
Der NASDAQ 100 Chart ist besonders instruktiv. Der Kopf der Schulter-Kopf-Schulter-Formation ist selbst eine kleinere Umkehrformation, die sechs Monate Zeit in Anspruch nahm und Anfang Mai mit einem Verkaufssignal abgeschlossen wurde. In der April-Performance wies ich bereits auf die negative Divergenz der beiden Indizes hin: Während der NASDAQ Composite neue Jahreshochs markierte, schaffte der NASDAQ 100 das nicht mehr.
Die 200-Tage-Durchschnittslinien fallen bereits und bestätigen damit die deutlich angeschlagene technische Situation der Indizes. Aktuell befinden sich die Kurse des NASDAQ 100 Index bereits knapp unterhalb der unteren Begrenzungslinie, die Situation ist also extrem spannend. Allerdings befindet sich der Composite noch ein paar Prozent über seiner Nackenlinie, so dass die Situation aus Bullensicht noch nicht als hoffnungslos bezeichnet werden muss.
Sollten beide Indizes nach unten ausbrechen, dann wäre die Botschaft eindeutig: Baisse. Da die NASDAQ in den vergangenen Jahren sowohl auf dem Weg nach oben als auch nach unten eine Vorreiterrolle spielte, betrachte ich die schwache technische Verfassung dieses Marktes auch heute als wichtige und negative Indikation für den gesamten amerikanischen Aktienmarkt. Die Charttechnik der NASDAQ bestätigt die zu größter Vorsicht mahnende Botschaft unseres Gesamtmodells, des Diskontsatzindikators und der inversen Zinsstruktur.
Nikkei
Der japanische Nikkei Index hatte sich im Verlauf seiner Mitte 2005 begonnenen sehr dynamischen Hausse weit von seiner steigenden 200-Tage-Durchschnittslinie entfernt und signalisierte damit einen gewissen Korrekturbedarf. Im Rahmen der weltweiten Kurskorrekturen kam dann auch dieser Index recht deutlich unter Druck. Die Kurse fielen sogar unter die 200-Tage-Durchschnittslinie. Da diese noch deutlich stieg und es sich um den ersten Test dieser wichtigen Unterstützungslinie handelte, war das aus technischer Sicht eine klare Kaufgelegenheit.
Von den Juni-Tiefs bei gut 14.000 Punkten legten die Kurse rund 12% zu, bis in die Widerstandszone bei 15.000 bis 16.000 Zähler. Die Kursrückgänge der vergangenen Tage betrachte ich als vollkommen normale Konsolidierung dieser schnellen Kursgewinne. Die Momentumindikatoren waren Mitte Juni sehr stark überverkauft. Aktuell sind sie trotz der deutlichen Kurserholung gerade einmal neutral. Sie stehen einer baldigen Fortsetzung der Rallye also nicht im Wege.
© Claus Vogt
Leiter Research der Berliner Effektenbank