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Schöne neue Welt der Negativzinsen

28.07.2016  |  John Mauldin
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Ok, hier kommt jetzt etwas für die Verschwörungstheoretiker da draußen. "Helikopter-Ben" Bernanke war erst kürzlich in Japan und hat sich privat sowohl mit Premierminister Abe als auch mit Haruhiko Kuroda, dem Vorsitzenden der Bank of Japan, getroffen.

Die Menge verfügbarer Anleihen, die die japanische Zentralbank kaufen kann, ist begrenzt. Zudem hat sie bereits große Kontingente an Aktien und anderen für eine Zentralbank eher unkonventionellen Vermögenswerten aufgekauft. Welche anderen Optionen bleiben ihr also?

Eventuell könnte Japan seiner Notenbank gestatten sogenannte ewige Anleihen (perpetual bonds) mit sehr niedrigen Zinsen herauszugeben, um damit einen signifikanten Anteil der japanischen Staatsschulden zu übernehmen. Diese Möglichkeit wurde bei den Treffen mit Sicherheit diskutiert. Es ist nicht ganz klar, wie man Anleihebesitzer dazu bringt, ihre Schuldtitel herauszurücken, wenn sie das nicht wollen, aber vielleicht kann die Bank of Japan sie einfach zwingen, ihre alten Anleihen gegen die neuen ewigen Anleihen zu tauschen. Diese stünden dann in der Bilanz der Zentralbank und würden nicht mehr zu den Staatsschulden gerechnet. So kann man sein Schuldenproblem loswerden.

Das würde jedoch noch nicht zu der Inflation führen, die sich Abe und Kuroda so verzweifelt wünschen. Ich setze jetzt mal kurz meinen Aluhut auf (ZeroHedge wäre begeistert): Das einzige Land, das den Weg bereiten und als erstes mit einer großen Ladung Helikoptergeld experimentieren könnte, die direkt in den Taschen der einzelnen Bürger landet, wäre Japan. Und Ben Bernanke war gerade eben dort. Das sollte man im Auge behalten. So, ich nehme den Aluhut jetzt wieder ab.


Negativzinsen und die Fed: Yellen schlägt andere Töne an

Ich sage schon seit Längerem, dass ich der Ansicht bin, die Fed könnte die Zinssätze bei der nächsten Rezession möglicherweise in den Minusbereich senken. Vor ein paar Monaten habe ich das in meinem Artikel "The Fed Prepares to Dive" ausführlich dargelegt.

In diesem Zusammenhang ist vor Kurzem etwas Wichtiges geschehen und nur wenigen Menschen ist es aufgefallen. Zur Erklärung werde ich die bisherige Geschichte dieser Angelegenheit noch einmal auffrischen. Während einer Anhörung vor dem Kongress im Februar fragte ein Abgeordneter Janet Yellen, ob die Federal Reserve rechtlich gesehen befugt wäre, negative Zinssätze zu beschließen. Das war ihre Antwort:

"Um mit Bedacht planen zu können, versuchen wir immer, alle uns theoretisch zur Verfügung stehenden Optionen zu evaluieren, falls wir die Geldpolitik schneller straffen müssen als erwartet, oder falls das Gegenteil eintritt. Wir haben uns also auch mit [den Negativzinsen] befasst. Ich kann Ihnen nicht sagen, dass die rechtlichen Fragen in dieser Hinsicht bereits eingehend geprüft wurden. Mir ist kein Umstand bekannt, der [die Senkung der Zinssätze in den negativen Bereich] verhindern würde. Aber ich weise darauf hin, dass nicht alle rechtlichen Fragen abschließend geklärt sind."

Damals hatte Yellen also keine eindeutige Antwort parat.

Ein paar Wochen später schickte sie einen Brief an den republikanischen Kongressabgeordneten Brad Sherman, der gefragt hatte, was die Fed während der nächsten Rezession tun würde und ob sie berechtigt sei, Negativzinsen einzuführen. Sie hat die Frage der rechtlichen Grundlage nicht direkt beantwortet, doch Bloomberg berichtete am 12. Mai, dass Sherman die Antwort so interpretierte, als würde die Fed glauben, dass sie dazu berechtigt sei. In dem Brief merkte Yellen auch an, dass die Negativzinsen in anderen Staaten offenbar Wirkung zeigten. (Dem stimme ich zu - ich denke bloß nicht, dass diese Wirkung positiv ist.)

Springen wir noch ein paar Wochen weiter in die Zukunft zum 21. Juni, als Yellen erneut vor dem Kongress erschien. Sie hat uns noch tiefer in den Kaninchenbau gelockt und frei heraus gesagt, dass die US-Notenbank das Recht hat, Negativzinsen zu beschließen. Gleichzeitig leugnete sie jedoch jegliche diesbezüglichen Absichten: "Wir denken nicht, dass eine Lockerung nötig sein wird, und falls doch, stehen [Negativzinsen] nicht auf unserer Liste."

Das war zwei Tage vor dem Brexit-Referendum, welches während einer Sitzung in der Woche zuvor diskutiert wurde, wie wir aus den Protokollen wissen. Mich interessiert jedoch eher die Frage der rechtlichen Grundlage. Wenn wir den unter Eid gemachten Aussagen Yellens gegenüber dem Kongress Glauben schenken wollen, dann wissen wir drei Dinge:

  • 1. Im Februar waren die rechtlichen Fragen hinsichtlich der Negativzinsen noch nicht "abschließend geklärt".
  • 2. Im Mai war Yellen nicht bereit zu erklären, dass die Federal Reserve zur Senkung der Zinsen in den Minusbereich berechtigt sei.
  • 3. Im Juni hatte sie keinen Zweifel daran, dass Negativzinsen rechtlich betrachtet möglich sind.

Als ich im Februar über dieses Thema schrieb, sagte ich, dass man der Rechtsabteilung der Fed die Anwaltslizenzen entziehen sollte, falls deren Mitarbeiter die gesetzlichen Grundlagen nicht vollständig ausgelotet haben. Offensichtlich hatten sie das bereits getan. Fazit: Indem sie die Rechtsfrage abschließend beantwortet hat, hat die Notenbank das Fundament für die Senkung der Zinsen in den negativen Bereich gelegt. Ich bin mir sicher, dass Yellen die Wahrheit gesagt hat, als sie letzten Monat meinte, es gebe keinerlei Pläne dieser Art.

Pläne können sich ändern. Die Fed betont immer wieder, dass sie ihre Entscheidungen von den Wirtschaftsdaten abhängig macht. Wenn die Daten signalisieren, dass wir uns in einer Rezession befinden, ist es meiner Meinung nach durchaus möglich, dass die Notenbank auf Negativzinsen zurückgreift, um die Wirtschaft zu stimulieren. Allerdings glaube ich nicht, dass das funktionieren wird.


Wenn der Durchschnitt bei Null liegt

Ich will damit nicht sagen, dass die Fed die Zinsen in diesem Monat oder in diesem Jahr unter Null Prozent senkt - aber letzten Endes wird sie es tun. Wenn das nicht bis spätestens Ende 2018 geschieht, wäre ich überrascht.

Die nächste Rezession wird hauptsächlich deshalb ziemlich schwer werden, weil wir uns nie richtig von der letzten erholt haben. Mein Freund Ed Easterling von Crestmont Research hat seine Übersichtsseite zu den Wirtschaftszyklen aktualisiert. Hier ist sein Chart:


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