Gold in Euro wieder auf Stand vom Frühjahr 2013
08.08.2016 | Thorsten Proettel
"Preisdelle" aus Eurosicht ausgebügelt
Der Goldpreis setzte in den letzten Tagen seine Aufwärtstendenz fort. Zuletzt pendelte die Börsennotierung einer Feinunze um die Marke von 1.360 USD. Ein wichtiger Faktor hierfür war unter anderem die Veröffentlichung der ersten Schätzung für das USWirtschaftswachstum im zweiten Quartal 2016, das mit einer annualisierten Rate von nur 1,2% sehr schwach ausfiel.
Dies bestärkte viele Marktteilnehmer in der Erwartung, dass die nächste US-Leitzinserhöhung nicht vor dem Jahresende erfolgt. Der Goldpreisanstieg seit Anfang 2016 in Kombination mit der schon seit einiger Zeit bestehenden Schwäche des Euro führt übrigens dazu, dass sich das gelbe Edelmetall aus europäischer Sicht wieder auf dem Niveau vor dem kräftigen Einbruch im April 2013 befindet (vgl. Chart). Aus der Perspektive US-amerikanischer Anleger wurde der Rückgang dagegen noch nicht wieder wettgemacht.
Bank of England gibt neuen Schub
Ein weiteres Argument für einen höheren Goldpreis lieferte die Bank of England. Wie einhellig von den Marktteilnehmern erwartet, senkten die britischen Währungshüter den Leitzins von 0,5% auf 0,25%. Darüber hinaus wurde ein neues Anleihenkaufprogramm beschlossen, wonach in den kommenden sechs Monaten für insgesamt 60 Mrd. Pfund Staatspapiere und auf Sicht der nächsten 18 Monate für weitere 10 Mrd. Pfund Unternehmensanleihen erworben werden sollen. Zusätzlich stellt die Zentralbank dem Bankensystem 100 Mrd. Pfund in Form von günstigen Krediten zur Verfügung.
Neues Selbstverständnis der Notenbanken
Grundsätzlich sollte die Meldung aus London nicht überbewertet werden, denn die Bank of England ist trotz ihrer historischen Bedeutung aus heutiger Sicht nur ein mittelgroßer Akteur der globalen Geldpolitik. Die Anleihenkäufe der EZB bewegen sich mit 80 Mrd. Euro monatlich in einer ganz anderen Größenordnung.
Die Reaktion des Goldpreises hielt sich deshalb nach der Bekanntgabe mit einem Anstieg um nur 10 USD auch in engen Grenzen. Die Lockerungsaktion der britischen Zentralbank führt aber deutlich vor Augen, welches Selbstverständnis die Notenbanken heutzutage von sich haben. Jede sich abzeichnende Konjunkturschwäche wird entschieden und mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpft. Immerhin bemüht sich die Bank of England, denkbare negative Nebenwirkungen möglichst gering zu halten.
Beispielsweise sollen die Zinsen anders als im Euroraum nicht unter null fallen. Noch vor kurzem wurden Anleihenkäufe und umfassende Geldspritzen für das Bankensystem aber mit Namen von Kriegswaffen wie "Bazooka" und "Dicke Bertha" oder als "nukleare Option" bezeichnet, womit der außergewöhnliche Charakter der Maßnahmen unterstrichen werden sollte. Doch mittlerweile scheint die Ausnahme zum Normalfall geworden zu sein. In den 1980er und 1990er Jahren nahm manche Notenbank wie die US-Fed und die Bundesbank dagegen noch bewusst eine Rezession als Folge von Zinserhöhungen hin, um Fehlentwicklungen in der Realund Geldwirtschaft zu korrigieren.
Andere Zeiten - andere Maßnahmen?
Natürlich stehen die Notenbanken heute angesichts des niedrigeren Wachstums vor anderen Problemen als noch vor 20 oder 30 Jahren. Daneben sind die Spielräume aufgrund der schwachen Inflation größer. Außerdem steht insbesondere die britische Wirtschaft nach dem Brexit-Referendum vor einer ganz neuen Herausforderung. Gleichwohl dürften trotz des Schocks im Vereinigten Königreich nicht die Lichter ausgehen. Für das kommende Jahr rechnen wir deshalb nicht mit einer Rezession, sondern mit einem hauchdünnen Wirtschaftswachstum von 0,2% im Vergleich zu 2016.
Anlageprobleme bleiben
Unabhängig von der Frage, ob die Politik der Notenbanken angemessen und sinnvoll ist oder nicht: Für Anleger wird die Suche nach sicheren und möglichst rentierlichen Investmentmöglichkeiten immer schwieriger. Vor diesem Hintergrund könnte Gold kontinuierlich eine größere Aufmerksamkeit erlangen. Insbesondere institutionelle Adressen mit umfangreichen Vermögen haben das Potenzial, den Preis stark zu beeinflussen.
Dies zeigte sich unter umgekehrten Vorzeichnen 2013, als viele Marktteilnehmer in der Erwartung einer baldigen Normalisierung der Geldpolitik ihr Gold verkauften. Angesichts der schwachen Goldnachfrage in Asien belassen wir unsere Prognose per Jahresende 2016 vorerst aber weiterhin bei 1.350 USD.
© Thorsten Proettel
Commodity Analyst
Quelle: Landesbank Baden-Württemberg, Stuttgart
Diese Publikation beruht auf von uns nicht überprüfbaren, allgemein zugänglichen Quellen, die wir für zuverlässig halten, für deren Richtigkeit und Vollständigkeit wir jedoch keine Gewähr übernehmen können. Sie gibt unsere unverbindliche Auffassung über den Markt und die Produkte zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses wieder, ungeachtet etwaiger Eigenbestände in diesen Produkten. Diese Publikation ersetzt nicht die persönliche Beratung. Sie dient nur zu Informationszwecken und gilt nicht als Angebot oder Aufforderung zum Kauf oder Verkauf. Für weitere zeitnähere Informationen über konkrete Anlagemöglichkeiten und zum Zwecke einer individuellen Anlageberatung wenden Sie sich bitte an Ihren Anlageberater.
Der Goldpreis setzte in den letzten Tagen seine Aufwärtstendenz fort. Zuletzt pendelte die Börsennotierung einer Feinunze um die Marke von 1.360 USD. Ein wichtiger Faktor hierfür war unter anderem die Veröffentlichung der ersten Schätzung für das USWirtschaftswachstum im zweiten Quartal 2016, das mit einer annualisierten Rate von nur 1,2% sehr schwach ausfiel.
Dies bestärkte viele Marktteilnehmer in der Erwartung, dass die nächste US-Leitzinserhöhung nicht vor dem Jahresende erfolgt. Der Goldpreisanstieg seit Anfang 2016 in Kombination mit der schon seit einiger Zeit bestehenden Schwäche des Euro führt übrigens dazu, dass sich das gelbe Edelmetall aus europäischer Sicht wieder auf dem Niveau vor dem kräftigen Einbruch im April 2013 befindet (vgl. Chart). Aus der Perspektive US-amerikanischer Anleger wurde der Rückgang dagegen noch nicht wieder wettgemacht.
Bank of England gibt neuen Schub
Ein weiteres Argument für einen höheren Goldpreis lieferte die Bank of England. Wie einhellig von den Marktteilnehmern erwartet, senkten die britischen Währungshüter den Leitzins von 0,5% auf 0,25%. Darüber hinaus wurde ein neues Anleihenkaufprogramm beschlossen, wonach in den kommenden sechs Monaten für insgesamt 60 Mrd. Pfund Staatspapiere und auf Sicht der nächsten 18 Monate für weitere 10 Mrd. Pfund Unternehmensanleihen erworben werden sollen. Zusätzlich stellt die Zentralbank dem Bankensystem 100 Mrd. Pfund in Form von günstigen Krediten zur Verfügung.
Neues Selbstverständnis der Notenbanken
Grundsätzlich sollte die Meldung aus London nicht überbewertet werden, denn die Bank of England ist trotz ihrer historischen Bedeutung aus heutiger Sicht nur ein mittelgroßer Akteur der globalen Geldpolitik. Die Anleihenkäufe der EZB bewegen sich mit 80 Mrd. Euro monatlich in einer ganz anderen Größenordnung.
Die Reaktion des Goldpreises hielt sich deshalb nach der Bekanntgabe mit einem Anstieg um nur 10 USD auch in engen Grenzen. Die Lockerungsaktion der britischen Zentralbank führt aber deutlich vor Augen, welches Selbstverständnis die Notenbanken heutzutage von sich haben. Jede sich abzeichnende Konjunkturschwäche wird entschieden und mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpft. Immerhin bemüht sich die Bank of England, denkbare negative Nebenwirkungen möglichst gering zu halten.
Beispielsweise sollen die Zinsen anders als im Euroraum nicht unter null fallen. Noch vor kurzem wurden Anleihenkäufe und umfassende Geldspritzen für das Bankensystem aber mit Namen von Kriegswaffen wie "Bazooka" und "Dicke Bertha" oder als "nukleare Option" bezeichnet, womit der außergewöhnliche Charakter der Maßnahmen unterstrichen werden sollte. Doch mittlerweile scheint die Ausnahme zum Normalfall geworden zu sein. In den 1980er und 1990er Jahren nahm manche Notenbank wie die US-Fed und die Bundesbank dagegen noch bewusst eine Rezession als Folge von Zinserhöhungen hin, um Fehlentwicklungen in der Realund Geldwirtschaft zu korrigieren.
Andere Zeiten - andere Maßnahmen?
Natürlich stehen die Notenbanken heute angesichts des niedrigeren Wachstums vor anderen Problemen als noch vor 20 oder 30 Jahren. Daneben sind die Spielräume aufgrund der schwachen Inflation größer. Außerdem steht insbesondere die britische Wirtschaft nach dem Brexit-Referendum vor einer ganz neuen Herausforderung. Gleichwohl dürften trotz des Schocks im Vereinigten Königreich nicht die Lichter ausgehen. Für das kommende Jahr rechnen wir deshalb nicht mit einer Rezession, sondern mit einem hauchdünnen Wirtschaftswachstum von 0,2% im Vergleich zu 2016.
Anlageprobleme bleiben
Unabhängig von der Frage, ob die Politik der Notenbanken angemessen und sinnvoll ist oder nicht: Für Anleger wird die Suche nach sicheren und möglichst rentierlichen Investmentmöglichkeiten immer schwieriger. Vor diesem Hintergrund könnte Gold kontinuierlich eine größere Aufmerksamkeit erlangen. Insbesondere institutionelle Adressen mit umfangreichen Vermögen haben das Potenzial, den Preis stark zu beeinflussen.
Dies zeigte sich unter umgekehrten Vorzeichnen 2013, als viele Marktteilnehmer in der Erwartung einer baldigen Normalisierung der Geldpolitik ihr Gold verkauften. Angesichts der schwachen Goldnachfrage in Asien belassen wir unsere Prognose per Jahresende 2016 vorerst aber weiterhin bei 1.350 USD.
© Thorsten Proettel
Commodity Analyst
Quelle: Landesbank Baden-Württemberg, Stuttgart
Diese Publikation beruht auf von uns nicht überprüfbaren, allgemein zugänglichen Quellen, die wir für zuverlässig halten, für deren Richtigkeit und Vollständigkeit wir jedoch keine Gewähr übernehmen können. Sie gibt unsere unverbindliche Auffassung über den Markt und die Produkte zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses wieder, ungeachtet etwaiger Eigenbestände in diesen Produkten. Diese Publikation ersetzt nicht die persönliche Beratung. Sie dient nur zu Informationszwecken und gilt nicht als Angebot oder Aufforderung zum Kauf oder Verkauf. Für weitere zeitnähere Informationen über konkrete Anlagemöglichkeiten und zum Zwecke einer individuellen Anlageberatung wenden Sie sich bitte an Ihren Anlageberater.