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Reale Ölhochs

04.08.2006  |  Adam Hamilton
Letzte Woche entschied sich Israel, den Partisanenkrieg der Hisbollah (Partei Gottes) gegen den jüdischen Staat nicht länger zu tolerieren. Seither bestimmt der Ölpreis die Finanznachrichten. Neuigkeiten über neue Allzeithochs ziehen die Aufmerksamkeit von Investoren und Spekulanten der ganzen Welt auf sich.

Während der letzte Konflikt im Mittleren Osten natürlich geopolitisch relevant ist, wird er für seinen Einfluss auf den Ölpreis leider erheblich überschätzt. Weder Israel noch der Libanon produzieren oder exportieren einen erheblichen Anteil an Öl. Es befinden sich keine bedeutenden Ölfelder, Pipelines oder Öltanker-Routen nahe den Militär-Operationen an der israelisch-libanesischen Grenze.

Glauben Sie es oder nicht, der Ölmarkt reflektiert die Belanglosigkeit dieser Krise. Am 5. Juli, eine Woche bevor Israel die letzte Anti-Partisanen Kampagne startete, erreichte der Ölpreis mit über 75 Dollar ein neues Nominalhoch. Der Ölkurs befand sich noch immer nahe der 75 Dollar-Marke, als sich Israel eine Woche später für die endgültige Entwaffnung der Hisbollah entschied. In den darauf folgenden zwei Tagen, als sich die Operationen verstärkten, stieg Öl um bescheidene 2,7% auf 77 Dollar. Das war alles, seither ist Öl schwach.

Obwohl der heutige Ölpreis definitiv hoch ist, kann nur der letzte 2,7%ige Anstieg direkt mit Israels Anti-Hisbollah-Operationen in Verbindung gebracht werden. Öl stieg während des gesamten Jahres und konsolidierte in der geopolitisch sehr ruhigen Zeit von Mai bis Juni zwischen 70 und 72 Dollar. Öl mit einem Kurs von 70 Dollar und mehr ist keine Besonderheit, die durch die jetzigen Operationen hervorgerufen wird, sondern eine zulässige fundamentale Reflektion der vorherrschenden Situation, die durch eine knappe globale Ölversorgung und durch den ständig steigenden Ölverbrauch gekennzeichnet ist.

Für jeden Trader ist es äußerst wichtig, den entsprechenden Weitblick für Marktentwicklungen zu besitzen. Die Finanzmedien behaupten, dass Israels Anti-Partisanen-Operationen den Ölpreis in die Höhe treiben, jedoch befand sich der Ölpreis bereits eine Woche vor Entstehen dieser Krise auf über 75 Dollar. Zusätzlich sind für die Medien die neuen „Allzeithochs“ von besonderer Bedeutung, welche technisch gesehen unter nominalen Bedingungen auch neue Allzeithochs darstellen, jedoch wird dabei die Inflation nicht entsprechend berücksichtigt.

Um den Ölmarkt besser zu verstehen, wobei das Verstehen des Marktes unsere Chancen auf erfolgreiches Handeln steigen lässt, müssen wir die Entwicklung des Ölpreises über die Jahre hinweg betrachten. Dies können wir nicht mit Standard-Charts erreichen. Über die Jahrzehnte hinweg werden Preise durch die Inflation der ungedeckten US-Geldmenge durch die Federal Reserve verzerrt. 1980 hatten 20 Dollar noch einen Wert, aber heute kann man sich um 20 Dollar nicht einmal mehr ein vernünftiges Mittagessen kaufen.

Diese Woche entwickelte ich reale Öl-Charts, welche ich in konstanten Dollars mit Basisjahr 2006 gezeichnet habe. Sie zeigen die Ölpreise seit dem Jahr 1970 durch dieselbe Kaufkraftlinse, durch welche die Welt heute sieht. Der amerikanische Verbraucherpreisindex (Consumer-Price-Index = CPI), welcher die Inflation aus politischen Gründen zu gering ausweist, wurde verwendet, um den ständig rückläufigen Wert jedes US-Dollar wiederzuspiegeln. Dies bewirkt, dass unsere realen Öl-Charts immer noch konservativ sind, da das wahre monetäre Wachstum nicht einbezogen wird.

Ich verwendete für die Charts entsprechende Daten beginnend mit dem Jahre 1983 und brach diese auf monatliche Ölpreise herunter. Da der CPI monatlich veröffentlicht wird, wird auch die Inflations-Anpassung des nominalen Ölpreises monatlich durchgeführt. Die resultierenden Charts sind ziemlich interessant und halfen mir, die Entwicklung des Ölpreises im richtigen Blickwinkel darzustellen.

Die heutigen hohen Ölpreise, welche von den inflationsangepassten Rekord-Hochs weit entfernt sind, stellen keine Unregelmäßigkeiten dar welche durch die geopolitische Unruhen hervorgerufen wurden. Die reale Öl-Geschichte zeigt uns, wie wahre Hochs, die durch geopolitische Unruhen hervorgerufen wurden, aussehen. Wir sehen, dass der 2,7%ige Anstieg aus der letzten Woche, als Israel seine gefangen genommenen Soldaten zu suchen begann, unbedeutend ist. Händler müssen Öl strategisch sehen und dürfen nicht durch Medienberichte, die von kurzfristigen Weltanschauungen dominiert werden, beeinflusst werden.

Diese vier Charts zeigen diese so wichtige Geschichte des Ölpreises. Der inflationsbereinigte Ölpreis wird in blau und in Verbindung mit den begleitenden und entscheidenden 50- bzw. 200-Tages-Linien und Bollinger Bändern wiedergegeben. Der nominale Ölpreis (nicht inflationsangepasst) ist in rot dargestellt. Wenn Sie sich diese realen Ölcharts verinnerlichen und verstehen, wird es Ihnen helfen, sich gegen Medien-Verfälschungen zu immunisieren und es werden Ihnen dadurch bessere Chancen eingeräumt, um am Markt profitabel handeln zu können.
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Relativ zu den letzten 35 Jahren gesehen ist der Ölpreis heutzutage absolut hoch. Wenn wir ihn jedoch um die Inflation bereinigen, sind die heutigen Preise weit unter dem Allzeithoch in Höhe von 99 Dollar, das wir im April 1980 erlebten. Fakt ist, dass Öl inflationsbereinigt für mehr als zwei Jahre, zwischen September 1979 und Dezember 1981, auf einem höheren Niveau gehandelt wurde als heute. Folglich sind Aussagen der Medien über Allzeithochs, unter Nichtberücksichtigung der aufgetretenen Inflation über das letzte Viertel-Jahrhundert, extrem irreführend. Ja, Öl ist teuer, aber die Situation war schon schlimmer.

Die zweite Schlüsselaussage aus unserem Chart ist, dass der momentane Bullenmarkt von Öl noch keine Kursspitze erreicht hat. Er ist hervorgerufen durch globale Fundamentaldaten von Angebot und Nachfrage, und nicht durch geopolitische Krisen. Diese Grundsätze beinhalten schwindende Produktion in den besten Ölfeldern der letzten Jahrzehnte, wenige Entdeckungen neuer, großer Ölfelder, eine Verschiebung der weltweiten Produktion in Richtung schwieriger zu raffinierendes, schwereres und schwefelhaltigeres Öl, und den enormen Verbrauch durch die Industrialisierung Asiens.

Die Handvoll wirklicher geopolitischer Spitzen in unserem Chart, in den Jahren 1973, 1979, und 1990, zeigen die Auswirkung einer wirklichen geopolitischen Krise auf den Ölpreis. Der bescheidene Anstieg des Ölpreises in der letzten Woche aufgrund der Aktionen Israels war belanglos und geringfügig im Vergleich zu einer richtigen geopolitischen Spitze. Der neue Öl-Bullenmarkt steigt in geordneter Manier, typisch für fundamental getriebene Preise, und nicht durch einen extremen Push, wie ihn eine geopolitische Unruhe erzeugen kann.

Da die nächsten drei Charts auf die 1980er, 1990er und den derzeitigen Öl-Bullenmarkt fokussieren, möchte ich den ersten Chart verwenden, um auf die 1970er zu verweisen. Die 1970er waren eine Zeit voll von geopolitischen Krisen, welche massive Störungen der Ölversorgung hervorriefen und natürlich massive Auswirkungen auf den Ölpreis hatten. Denkt man an die 1970er, so sieht man wie verrückt sich geopolitische Krisen entwickeln müssen, damit sie den Ölpreis scharf in die Höhe treiben. Wir sind weit davon entfernt.

Um geopolitische Krisen und deren Auswirkungen auf den Ölpreis zu verstehen, benötigt man einiges an geschichtliches Hintergrundwissen. Die folgenden Entwicklungen formen weltweit den Ölpreis.

Der moderne Staat Israel wurde am 14. Mai 1948 gegründet. Weil der Prophet Mohammed die Juden nicht mochte und sie 14 Jahrhunderte zuvor attackierte, waren die muslimischen Regierungen über den neuen Staat nicht begeistert, obwohl 78% des originalen Gebietes der Juden bereits in Form von Transjordanien an Palästinenser ging. Am nächsten Tag, also am 15. Mai, marschierten Libanon, Syrien, Irak, Ägypten und Transjordanien gleichzeitig in Israel ein, mit dem Ziel, es von der Landkarte zu löschen.

Erstaunlicherweise schaffte es Israel, sich gegen seine Nachbarn durchzusetzen und den Krieg zu gewinnen. Die muslimischen Regierungen waren wütend und beschämt, dass sie von dem kleinen jungen Land, welches nicht einmal über eine richtige Armee verfügte, besiegt wurden. Ihr Hass gegen Israel wuchs und der Konflikt brach 1956 erneut aus. Ägypten verstaatlichte den wichtigen Suez-Kanal und verwehrte allen israelischen Schiffen die Durchfahrt. Daraufhin drang Israel in Ägypten ein und übernahm mittels einer sehr erfolgreichen militärischen Operation den Kanal.

Da Ägypten das israelische Militär nicht besiegen konnte, wurde Israel mittels diplomatischen Wegen zum Rückzug von der Sinai-Halbinsel gezwungen. In den frühen 1960igern startete Syrien einen Partisanen-Raubzug in Israel, und der Konflikt an der nördlichen Grenze Israels war am Kochen. Ende Mai 1967 schloss Ägypten die Wasserstraße von Tiran für alle israelischen Schiffe. Die USA und GB hatten jedoch 1957 infolge des Rückzuges von Israel aus Sinai zugesichert, dass die Wasserstraße für Israel stets geöffnet bleibt.

Ende Mai schloss sich Jordanien der militärischen anti-israelischen Allianz zwischen Syrien und Ägypten an. Einige Tage später schloss sich auch der Irak an. Feindliche Truppen sammelten sich rund um die Grenzen Israels. Israel erkannte die Zeichen und startete Anfang Juni 1967 einen präventiven Schlag gegen die ägyptische Luftwaffe. Dieser Schlag legte 2/3 der ägyptischen Luftwaffe lahm und sicherte Israel Lufthoheit. In den nächsten Tagen beschlagnahmte Israel den Gaza-Streifen, die Halbinsel Sinai, die Westküste und die Golanhöhen. Diese neuen Gebiete gaben Israel strategische Vorteile für den unvermeidbaren muslimischen Einmarsch.

Dieser Sechs-Tages-Krieg 1967 hatte profunde Auswirkungen auf den Ölpreis in den folgenden Jahrzehnten. Die geschlagenen muslimischen Regierungen waren wieder sauer und beschämt über die Niederlage. Sie begannen, die OPEC (Organization of Petroleum Exporting Countries), welche 1960 gegründet wurde, von einem Kartell in eine wichtige politische Macht umzuwandeln, um Druck auf die westlichen Länder auszuüben, die Israel unterstützten. Die muslimischen Nationen entschieden sich, Öl als Waffe gegen die Verbündeten Israels zu verwenden.





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