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Vererbte Inkompetenz: Vom Versagen globaler Institutionen

29.08.2016  |  John Mauldin
- Seite 3 -
Die bankrotten PIIGS-Staaten

Wir betrachten Griechenland als Epizentrum der europäischen Schuldenkrise, doch das Land befand sich in guter Gesellschaft. Das Akronym PIIGS bezieht sich auf die fünf Mitgliedsstaaten der Währungsunion, die ihr Budget überstrapaziert hatten: Portugal, Italien, Irland, Griechenland und Spanien.

Ende 2009, als das erste Programm der quantitativen Lockerungen in den USA die Aktienkurse wieder steigen ließ, wurden die griechischen Staatsschulden aufgrund des wachsenden Haushaltsdefizits von den Ratingagenturen herabgestuft. Die Regierung senkte daraufhin die Ausgaben, aber nicht in ausreichendem Maße. Premierminister George Papandreou beantragte offiziell eine Finanzhilfe von der "Troika" aus EU, EZB und IWF und erhielt diese auch.

Mit dem Fortschreiten der Krise wurde praktisch allen Beteiligten klar, dass die schwere Schuldenlast Griechenlands harte Maßnahmen erfordern würde. Es stellte sich nur die Frage, wie man die Kosten und die schmerzlichen Einschränkungen verteilen sollte.

Ein normales Insolvenzverfahren hätte einen mehr oder weniger ausgeglichenen Plan zum Ergebnis gehabt: Die Gläubiger hätten auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten müssen und der Schuldner hätte einen Teil seiner Vermögenswerte und/oder seines Einkommens abtreten müssen. Die Gläubiger waren in diesem Fall die europäischen Großbanken, und die waren keineswegs bereit ihre Buchwerte abzuschreiben. Mittels der EU und der EZB drängten sie auf die radikale Kürzung der griechischen Staatsausgaben und den Verkauf staatseigener Vermögenswerte zur Beschaffung von Barmitteln.

In Griechenland war die an ihre großzügige Regierung und die weitverbreitete Steuervermeidung gewöhnte Bevölkerung dagegen gar nicht begeistert von dem neuen Sparprogramm. Darüber hinaus hatten die Griechen eine unfassbar aufgeblähte Bürokratie geschaffen und ein Arbeitsmarktprogramm auf den Weg gebracht, welches nicht wettbewerbsfähige Unternehmen unterstützte und Start-Ups ausbremste. Die Bevölkerung wollte ihre Sozialleistungen behalten und die Oligarchen waren gegen eine Reform. Europa wollte einen Bankenkrise verhindern, aber man wollte auch nicht genug Geld berappen, um Griechenland wirklich zu retten. Es folgte eine langwierige Pattsituation.

Das Regelwerk des IWF besagt, dass die Organisation nur dann Kredite vergeben darf, wenn vernünftigerweise die Aussicht auf Rückzahlung des Kapitals besteht. Kleineren afrikanischen, asiatischen und lateinamerikanischen Ländern waren im Austausch für finanzielle Hilfen in der Vergangenheit üblicherweise harte Konditionen auferlegt worden. Diese Bedingungen waren oft praktisch eine Garantie dafür, dass sich die Krise in den betroffenen Ländern fortsetzte. Allerdings schien der IWF nicht gewillt zu sein, vergleichbare Maßnahmen auch in Griechenland durchzusetzen.

Dank dem Bericht des IEO wissen wir nun, dass führende IWF-Mitarbeiter eine bedeutende Regeländerung in dem Plan versteckten, den sie dem Board vorlegten. Diese gestattete einen Verzicht auf die normalen Kreditstandards, wenn das Risiko einer systemischen Ansteckung bestand.

Ich zweifle nicht daran, dass sie wirklich besorgt waren, die Krise könnte auf andere Staaten und Sektoren übergreifen. Immerhin lagen der Zusammenbruch von Lehman Brothers und die Finanzkrise 2008-2009 gerade erst hinter ihnen und Griechenland war auch nicht der einzige Problemfall. Es gab große Bedenken, dass alle in Bezug auf Griechenland ergriffenen Maßnahmen einen Präzedenzfall für die größeren Staaten Spanien und Italien darstellen würden. Das war auch den Märkten bewusst und das Vorgehen wurde genaustens beobachtet. Die Angst vor einer Ausweitung der Krise, sollte der IWF nach den üblichen Regeln spielen, war nicht unbegründet.

Andererseits gibt es die Richtlinien nicht ohne Grund. Banken zu unterstützen, die unkluge Kredite vergeben, ist nicht Aufgabe des IWF. Es zählt auch nicht zur Mission des IWF Regierungen zu unterstützen, die nicht bereit sind vernünftige Wirtschaftsreformen durchzuführen. Man könnte sogar argumentieren, dass die gesamte griechische Angelegenheit den IWF eigentlich nichts anging. Schließlich ist Griechenland ein Mitglied der EU, also hätte die EU die Verantwortung übernehmen sollen. Ganz im Ernst - wird der US-Bundesstaat Illinois den IWF um Hilfe bitten, wenn er in ein paar Jahren pleite ist?

Der Währungsfonds hätte nur Ratschläge erteilen und gute Wünsche aussprechen sollen. Doch so war es nicht. Was hat sich die Organisation dabei gedacht?

Etwa zur gleichen Zeit wurde Christine Lagardes Vorgänger, Dominique Strauss-Kahn in New York aufgrund von Vorwürfen eines sexuellen Übergriffs auf eine Hotelangestellte festgenommen. Er gab "unangemessenes Verhalten" zu, bestritt aber, dass er sie genötigt hätte. Der Staatsanwalt ließ die Anklage fallen, nachdem Zweifel an der Version der Klägerin aufgekommen waren. Was auch immer wirklich passiert ist, der geschäftsführende Direktor des IWF hatte damals offensichtlich andere Sorgen als Griechenland. Er trat im Mai 2011 zurück und Christine Lagarde nahm wenige Wochen später seinen Platz ein.

Der IWF war also nicht nur an Angelegenheiten beteiligt, die gar nicht in seinen Aufgabenbereich fielen, und brach dazu noch seine eigenen Regeln. Er verstrickte sich auch in internes Chaos, während ganze Staaten am Abgrund entlangtaumelten. Diese Spannungen spiegelten sich in den katastrophal falschen Wachstumsvorhersagen wieder, die der IWF verwendete, um die Rettungspakete für die Eurozone zu rechtfertigen.

Die dünne schwarze Linie, die am Boden des folgenden Charts entlangkratzt, zeigt das tatsächliche griechische Bruttoinlandsprodukt. Die anderen Linien sind diverse Vorhersagen, die der IWF in seinen regelmäßig erscheinenden Berichten machte. Im fünften Bericht kam man der Realität langsam ein wenig näher, doch die Prognosen lagen noch immer weit über den wirklichen Werten. (Erinnert Sie das zufällig an die Wirtschaftsvorhersagen der US-Notenbank Federal Reserve?

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Doch es kommt noch schlimmer. Es scheint, dass die Technokraten des IWF selbst in diesem Jahr noch aktiv an insgeheimen Plänen zur Herbeiführung einer weiteren europäischen Krise arbeiteten, um ihre eigenen Ziele zu verfolgen.


"Wir brauchen ein Ereignis"

Man sollte meinen, dass wir nach all den Hacking-Vorfällen und E-Mail-Leaks gelernt hätten, dass nichts mehr privat ist. Diese Realität ist jedoch offenbar noch nicht bis ins Bewusstsein der IWF-Mitarbeiter vorgedrungen, denn im April veröffentlichte Wikileaks die Niederschrift einer IWF-Telekonferenz. Die Konversation fand am 19. März 2016 statt und an ihr beteiligt waren die beiden für Griechenland zuständigen Bediensteten Paul Thomson und Delia Velkouleskou.


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